G.F. Barner Staffel 1 – Western. G.F. Barner
Gott!« stieß Floyd erschrocken heraus. »Clancy, warst du etwa bei diesem Horgany?«
»Ich bin doch nicht verrückt«, gab Clancy grinsend zurück. »Genausogut hätte ich auch gleich zum Sheriff Claybran gehen können. No, ich bin zum Frachthof drüben gegangen. Ein paar Fremde, die ich fragte, kannten Stacy und Carter gar nicht. In der Frachtstation versorgt ein alter, halbblinder Mann die Pferde. Er erkannte mich nicht. Ich tat so, als wäre ich vor zwei Jahren mal hiergewesen. Stacy und Carter sind verschwunden und seit drei Monaten nicht mehr in der Stadt gesehen worden.«
»Teufel, wenn sie weg sind!« preßte Floyd hervor. »Weißt du, wohin?«
»No«, antwortete Clancy knapp. »Aber das Girl, Madeleine Crouchot, ist da. Der alte Stallhelp in der Station erzählte mir, sie ritte manchmal weg. Wahrscheinlich trifft sie sich mit Stacy. Der Kerl und sie steckten immer zusammen. Das Girl hat jetzt die Aufsicht über alle Tanzhallengirls drüben im Silver-Star-Palast. Die Girls, es sind sieben, wohnen in einem Bretterhaus hinter der Tanzhalle. Wir müssen hin. Nach Mitternacht schließt die Tanzhalle. Gewöhnlich ist es so, daß die Crouchot länger bleibt. Sie hat die Aufsicht und muß abrechnen, was die Girls den Männern aus der Nase gezogen haben. Sie kommt immer später und muß über den dunklen Hof.«
»Allmächtiger, du willst sie dir greifen?« schluckte Floyd. »Clancy, wenn sie schreit? Eine Frau schreit alles zusammen.«
»Die schreit nicht«, sagte Clancy grimmig.
Er zog sein Messer und fuhr mit dem Daumen über die Klinge. Floyd stierte auf das Messer und die Klinge. Ihm wurde schlecht...
Floyd brach der kalte Schweiß aus. Vor ihm fiel das Licht aus den drei Fenstern in den Hinterhof. Er hörte die Mädchen lachen, durch ein offenes Fenster jetzt Schritte auf einer Treppe.
»Sieben«, sagte Clancy hinter ihm träge. »Drei wohnen oben, vier unten in den beiden Zimmern. Paß auf, Junge...«
»Clancy, du kannst doch nicht ins Haus, du kannst nicht einfach...«
»Sie wohnt im Anbau«, erwiderte Clancy ungerührt. »Bleib hier stehen und paß nur auf. Kommt sie nicht allein, gehst du nach rechts hinter den Schuppen. Dann bist du in der Gasse und pfeifst, verstanden? Ich verschwinde dann.«
»Du schaffst es nicht, wenn sie einen Mann mitbringt«, ächzte Floyd. »Welches Fenster ist offen?«
»Das hintere von hier aus«, gab Clancy gleichmütig zurück. »Ein Schiebefenster.«
Er glitt davon, huschte um die Büsche an der Veranda. Als er sich auf der Veranda zum hinteren Seitenfenster des Anbaues bewegte, knackten die Dielen leicht. Dann stand Clancy am Fenster. Er zwängte die Klinge seines Messers unter den Rahmen, stemmte es hoch und schloß danach die Augen, um sie an die Dunkelheit des Raumes zu gewöhnen. Als er die beiden Töpfe vom Fensterbrett genommen hatte, stieg er in den Raum. Rechts stand ein Sofa. Davor war ein Tisch mit zwei kleinen Sesseln. Neben der Tür leuchtete eine helle Vase vom Vertiko herab.
Mit drei Schritten war Clancy am Fenster. Er sah hinaus und Floyds Schatten am Schuppen reglos stehen. Ohne jede Hast griff Clancy nach den Vorhängen. Er zog sie zu, hatte nun jedoch nur noch wenig Licht im Raum durch das hintere Fenster.
Sie wird es nicht merken, daß der Vorhang zugezogen ist, dachte er. Wenn sie hereinkommt, greift sie nach der Lampe. Also dreht sie sich der Wand zu. Sie kann gar nicht zum Vorderfenster sehen.
Clancy zog das Schiebefenster wieder herab, bis es fast geschlossen war.
Dann schlich er durch den Raum zum Vorhang, öffnete ihn etwas, sah hindurch und...
Im selben Augenblick sah er sie auch schon kommen. Ihr Schatten hob sich hell von der grauen Wand des Schuppens ab. Von Floyd Reegan war nichts mehr zu erkennen. Er hatte sich bereits um den Schuppen verdrückt.
Clancy glitt neben die Tür. Er preßte sich an die Wand und ließ die Klinge des Messers ausschnappen.
Die Schritte kamen, die Dielen auf der Veranda knackten.
Clancy stand still, das Messer in der rechten Hand...
Die Tür vor ihm war wie eine Wand, um die er nun glitt. Clancy kam lautlos herum wie ein Geist. Er schlich auf Socken. Seine Stiefel hatte Floyd draußen.
Die Frau seufzte leise. Er roch ihr Parfüm, den Duft ihres Puders, ehe er am Türschloß vorbei war. Dann sah er sie unmittelbar vor sich stehen. Der Lampenzylinder klirrte, das Ratschen des Streichholzes kam, die Flamme zuckte hoch.
Clancy bewegte sich nicht mehr. Jetzt konnte er nichts tun. Wenn sie den Lampenzylinder fallen ließ, mußte das Klirren von den sieben Girls drüben gehört werden. Er wartete, er sah mit angehaltenem Atem über ihre Schulter hinweg auf das Streichholz und ihre Hand, die Finger, die beiden Ringe.
Die Flamme kroch nun über den schwarzen Dochtrand der Lampe, das Licht breitete sich aus. Madeleines brünettes, hochgestecktes Haar schimmerte, als sie den Kopf zur Seite bog, sich auf die Zehenspitzen stellte und den Zylinder aufsetzte. Dann glitt ihre Hand abwärts – und Clancys Linke schoß blitzartig über ihre Schulter hinweg. Vielleicht sah sie seine Hand, vielleicht hörte sie, wie sich der Stoff seines Hemdes rieb. Sie zuckte zusammen, aber sie schrie nicht. Er war zu schnell mit der Hand, deren Daumen und Zeigefinger zupackten. Die Finger krallten sich blitzschnell um ihre Kehle. Danach zuckte sein Messer hoch und blieb unmittelbar vor ihrem Gesicht stehen.
Im vollen Licht der Lampe sah Madeleine Crouchot jetzt die funkelnde Klinge in der schwieligen Faust. Sie öffnete den Mund, sie glaubte ersticken zu müssen.
»Wenn du schreist«, sagte Clancy leise, »passiert dir was, klar? Das ist kein Bluff, Madeleine, ich bringe dich um.«
Er wußte, was sie jetzt dachte. Sie war viel zu kalt, um ihre Chancen nicht genau abzuwägen. Eine Frau wie Madeleine handelte nicht kopflos, sondern kalt durchdacht nach dem ersten Schreck.
Seine linke Hand glitt von ihrem Hals. Er hörte, wie sie saugend Atem schöpfte. Dafür nahm er die Rechte etwas herum, die Klinge wanderte nun auf ihre Kehle zu.
»Ich würde nichts versuchen«, murmelte Clancy. »Auch wenn die Klinge weg ist, Madeleine, mehr als einen Ton bringst du nicht über die Lippen. Leise reden, wenn du schon etwas sagen willst, verstanden?«
Einen Moment nahm er die Klinge herum, aber nur, um das Messer in die linke Hand zu wechseln. Dann zuckte die Klinge wieder zurück, und seine Rechte glitt zu ihrer Hüfte.
Seine Hand griff den Stoff ihres Kleides zusammen.
Er faßte fest zu, bis sich seine Finger um den Kolben des Derringers schlossen, der in einem Flachhalfter an ihrem rechten Oberschenkel steckte Clancy hob ihr den Rock leicht an. Mit dieser Bewegung zog er den Derringer aus dem Halfter.
Danach öffnete er die Hand. Die Waffe fiel zu Boden.
»Wer bist du?« fragte sie. Etwas wie Furcht schwang in ihrer Stimme mit. »Teufel, woher hast du das gewußt?«
Sie meinte den Derringer.
Clancy lächelte in ihrem Nacken. Er griff jetzt in die Brusttasche, seine Hand entfaltete das zusammengelegte Taschentuch.
»Ich nehme dich mit«, sagte er eisig. »Deine Augen werden verbunden. Solltest du schreien, stirbst du, begriffen?«
Sie wurde steif vor Furcht, aber sie schrie nicht, als er ihr die Augen mit dem Taschentuch verband.
»Wir gehen«, murmelte Clancy. »Ich führe dich schon, keine Sorge. Dir passiert nichts, wenn du vernünftig bist.«
Er wußte, daß sie vernünftig bleiben würde.
Sie kommt mit, dachte er, sie hat jetzt etwas Angst, aber sie kommt mit, wetten?
*
Die Pferde standen auf der Lichtung neben dem Weg von Silver City zum Silver Creek. Bis zur Stadt brauchte man von hier zu Fuß gut eine Stunde.
Clancy griff zu, er riß ihr das Tuch herunter und stand vor ihr, angeschienen vom Mond.
»Wir