G.F. Barner Staffel 1 – Western. G.F. Barner
und schwieg, als er das Schaben an der Wand hörte und die Schritte verstummten. »Ssst..., leise!«
Vielleicht, dachte Clancy, nur vielleicht. Sie werden ihn mitnehmen und irgendwo zurücklassen, damit er niemanden vor Ablauf von zwei Tagen benachrichtigen kann. Die Halunken sind zu schlau und eiskalt. Es gibt noch eine andere Chance, vielleicht noch eine einzige. Aber es ist zu lange her, unsere Spuren waren tot.
Clancy schloß die Augen. Das Bild stieg vor ihm auf, das Gesicht eines Mannes, grobschlächtig, massig der Kopf, aber scharfe, bohrend blickende Augen.
Was kann er gemacht haben, dachte Clancy, was denn? Wir waren weg, es gab keine Spuren. Roggers war längst tot, der einzige Mann, der alles wußte. No, nicht der einzige. Stacy und Carter waren noch da. Nur nicht mehr in Silver City, sondern vor Monaten schon verschwunden. Horgany hatte ihnen angedroht, sie auf die Nase legen zu lassen, wenn sie sich noch mal in Silver City sehen ließen. Was ist, wenn er auch auf Stacy und Carter kam, das Girl fand? Er war nicht bei Madeleine Crauchot, sie hätte es mir gesagt. Er war nicht in der Stadt, dieser menschliche Fährtenhund.
Clancy brach der Schweiß aus, denn es gab noch eine andere Möglichkeit. Er hatte an sie gedacht, darum war er auch nachts nach Silver City geritten. Nachts konnte auch ein Mann wie O’Mallon niemand sehen. Und wenn er ihn doch gesehen hatte, wenn er in der Stadt gewesen war, unsichtbar, nur lauernd und beobachtend, was sich tat?
Er hätte eingegriffen, dachte Clancy.
No, er hätte nicht zugesehen, wie ich mit dem Frauenzimmer verschwand. Oder doch? Keiner hat jemals gewußt, was O’Mallon eigentlich dachte. Wo war O’Mallon geblieben, was hatte er getan, der menschliche Fährtenhund? Aufgegeben, als er keine Spuren fand? Oder war er nach Silver City geritten und hatte gewartet? Was hatte O’Mallon getan?
*
Stacy zog die Tür des Flachbaues sacht auf. Die Türangeln knarrten leise. Paine hob den Kopf. Er lag ganz hinten auf der einen Pritsche, die Augen weit offen, den Colt in der Faust. Die Mündung zeigte auf die Tür, durch die Stacy sich in den langen Raum schob. Auf dem Tisch stand die Lampe. Sie hatten sie brennen lassen, um genug Licht zu haben, wenn sie sich ablösten. Patty Chickens hatte die erste Wache gehabt. Als er hereinkam, um Stacy zu wecken, hatte die Lampe noch nicht gebrannt, und Patty war über den einen Hocker gestolpert.
Wenn er nicht gleich gebrüllt hätte. daß er es war, hätten sie vielleicht geschossen. Paine hatte geflucht wie ein Irrer und befohlen, sofort die Lampe anzustecken, ehe sie sich noch gegenseitig umbrächten.
Er schläft nicht, dachte Stacy, er ist nervös, verdammt. Ob er nur so unruhig ist, weil er nicht in seinem Blockhaus schlafen kann?
»Was ist?« zischte Paine. Er senkte die Hand, der Revolver verschwand unter der Decke. »Sind sie ruhig?«
»Sie rühren sich nicht«, antwortete Hugh Stacy leise.
»Keine Sorge, Boß. Befreien können sie sich nicht.«
Er ging zu Carter, der fest schlief und schnarchte. Als er ihn anfaßte, fuhr Carter in die Höhe. Die Pritsche knarrte, und auch Hooper bewegte sich sofort.
»Ruhig«, brummte Stacy. »Komm, John, steh auf, du bist dran, Mann!«
Carter blieb einige Sekunden sitzen. Er blinzelte müde, gähnte, ehe er sich erhob und nach seinem Gewehr griff. Dann wollte er aus der Tür schlurfen, aber Paines Stimme stoppte ihn.
»Wenn du draußen weiter pennst, bringe ich dich um«, sagte Paine finster. »Schlaf ja nicht ein, Mann. Geh deine Runde, setz dich nirgendwo hin, sage ich dir. Dieser Bulle Floyd mit seiner Kraft könnte den Haken herausziehen, dem traue ich das zu. Der Kerl hat Kräfte wie ein Ochse. Kommt er los und wirft er sich gegen die Tür, hält sie auch der Balken nicht im Schloß. Beim zweiten Anlauf fliegt sie in Stücke, wette ich.«
Er stand auf, ein unruhiger, nervöser Mann, der todmüde war, aber dennoch keinen Schlaf fand. Er schreckte, kaum daß er einnickte, wieder hoch. Mürrisch ging er mit Carter hinaus. Es ließ ihm keine Ruhe, er mußte selbst nachsehen, ob die Burschen in seinem Blockhaus friedlich waren. Leise schlich er sich an die Bohlen, legte das Ohr gegen sie. Länger als fünf Minuten stand er reglos an der Hütte, dann zog er sich langsam zurück.
»Na?« fragte Carter.
»Nichts, sie sind ganz ruhig«, flüsterte Paine. »Es gefällt mir nicht, verdammt. Morgen früh muß Long-Tom aus dem starken Bandeisen, das hinten im Schuppen liegt, vier richtige Schellen machen. Ich will, daß sie an Händen und Füßen fester gekettet werden als jemals im Jail, Mann.Wenn ich nicht hier bin und sie entwischen euch, dann macht euer Testament. Ich sage dir, Carter, sobald sich in der Hütte was regt, schreist du. Und fliegt die Tür auf, dann schießt du. Laß nur Clancy am Leben, der muß noch schreiben.«
»Boß, die kommen nicht los. Kein Gedanke, daß sie das schaffen könnten. Teufel, wer hätte gedacht, daß der Hund jemals aus dem Jail fliehen würde? Stell dir vor, er wäre mit Stacy nach Silver City geritten, und der Idiot hätte ausgepackt.«
»Ihr hättet ihn damals erschießen sollen, dann gäbe es jetzt keinen Ärger, verdammt noch mal«, knurrte Paine finster. »Paß ja auf, Mann! Nicht schlafen, sonst passiert dir was.«
Er ging zum Schlafhaus hinüber, während Carter sich in Bewegung setzte und seine Runde aufnahm.
Als Carter zwischen Schuppen und Blockhaus durchging, lag der Mann hinter dem ersten Bretterstapel reglos am Boden. Seine Hand umklammerte die lange, spitz zulaufende Eisenstange, mit der ein klemmender Sägeschnitt des Gatters aufgedrückt werden konnte.
Der Mann wartete kaltblütig, bis Carters Schritte hinter der Ecke der Hütte leiser wurden. Erst in diesem Moment erhob er sich lautlos. Die unten umwickelte Stange in der Faust, schlich der Mann bis hinter die Ecke der Hütte. Sein klobiger Schatten preßte sich an die Wand. Seine großen Hände hoben die Stange über den Kopf.
Und dann wartete er. Er hatte viel Zeit gehabt, und er konnte auch noch die zwei Minuten warten, bis Carter um die Ecke kommen mußte...
John Carter blieb stehen. Er glaubte, ein Gewisper aus der Hütte zu hören und brachte sein Ohr an die Bohlen. Jetzt war alles still. Mehr als eine Minute lauschte er, doch es rührte sich nichts.
Verdammter Dreck, dachte Carter bissig. Wir hätten die Laterne anstecken sollen. Ein Blick durch das Fenster hätte gereicht. Sie würden gar nichts versuchen, weil man sie dauernd beobachten könnte. Daran hätte der Boß auch denken müssen.
Carter ging langsam weiter. Er wendete den Kopf und sah zum Fenster, als er kurz vor der Ecke war. Dort kam keiner heraus. Dann machte er den nächsten Schritt, kam um die Hüttenecke und...
Er sah nur den Schatten und riß den Mund zu einem Schrei auf. Das Gewehr unter seinem Arm wollte mit der Mündung hochzucken.
In derselben Sekunde kam der Hieb von oben herab. Es war ein kalter, gnadenloser Hieb, der Carters Hut einbeulte und seinen Kopf voll erwischte.
Carter sah nur noch Feuer, eine Riesenwand, in der jener vierschrötige, unförmig erscheinende Schatten stand. Dann fiel die Feuerwand in sich zusammen. Ein Taumeln, ehe Carter einknickte und sich zur Seite drehte.
Der Mann sprang vorwärts, aber er kam zu spät. Das Gewehr Carters fiel seitlich fort. Es schlug gegen die Wand der Hütte. Ein Scharren ertönte, ein Kratzen, dann der dumpfe Schlag, mit dem Carter hinstürzte. Über ihm blieb der vierschrötige Schatten stehen. Die Augen funkelten, der Blick war eiskalt. Der Mann griff unter die Jacke, zog die kurzen Stricke heraus.
»Narr«, sagte er eisig, als er Carter auf den Rücken warf und ihn band. »Du Narr!«
Es war nur ein Flüstern, das der leise Nachtwind schluckte. Der Mann drückte zu. Daumen und Mittelfinger zwängten Carter den Mund auf. Dann schob er das Halstuch zwischen Carters Zähne.
Es war still, als er um die Hütte glitt und zum Schlafhaus blickte. Nur seine Stiefel scharrten leise über die ausgetretene, sandige Stelle vor der Hüttentür. Seine Augen wanderten über den Balken und den Türgriff. Er lächelte jetzt. Es war ein kaltes, grimmiges