Bettina Fahrenbach Staffel 3 – Liebesroman. Michaela Dornberg
ihre Schwägerin zwingen, Klarheit zu schaffen und Markus nicht im luftleeren Raum hängenzulassen, so nach der Devise: Sicherstellen und weitersuchen. Eine solche Behandlung hatte Markus nicht verdient.
Sie schämte sich so sehr dafür, Markus nicht die Wahrheit gesagt zu haben, daß es mit ihrer Ruhe vorbei war. Entspannen würde sie sich jetzt nicht können.
Sie lief hinauf in ihr Schlafzimmer und riß die Türen ihres Kleiderschrankes auf, um dessen Inhalt schon mal zu inspizieren.
Auch wenn sie jetzt mit ihren kurzen Haaren wie ein gerupftes Huhn aussah, war sie doch Frau genug, um an diesem Abend in Herrenburg hübsch aussehen zu wollen.
Mit der unvergleichlichen Isabella Wood würde sie nicht konkurrieren können, aber das wollte sie ja auch überhaupt nicht.
Doch sie wollte neben Isabella auch nicht aussehen wie Aschenputtel. Was sollte sie zu diesem Anlaß tragen? Isabella deswegen anzurufen und zu fragen, war zu albern.
Ihre Auswahl an festlicher Garderobe war allerdings nicht so üppig. Meist kam sie mit dem sogenannten ›Kleinen Schwarzen‹ durchaus zurecht. Doch das hatte sie schon beim letzten Mal angehabt.
Bettina schob Bügel für Bügel beiseite, bis sie schließlich innehielt.
Ja, das war eine Option. Sie hatte sich bei einem Sri Lanka-Urlaub ein zweiteiliges Kleid schneidern lassen. Es war ein schlichter langer Rock mit einem ebenso schlichten Oberteil aus tabakfarbener wunderschöner Seide. Dazu gehörte ein breiter Schal mit Stickereien in genau dem Ton des Stoffes. Bettina hatte es höchstens zweimal getragen und sich schon geärgert, es überhaupt gekauft zu haben, doch für diesen Anlaß war es genau das Richtige. Sie war froh, sich nun nicht mehr damit beschäftigen zu müssen, was sie zu dieser Benefizveranstaltung tragen sollte. Da sie den Schmuck, den Thomas ihr geschenkt hatte, nicht mehr trug, würde sie aus den Erbstücken etwas heraussuchen, es gab besonders schöne Stücke von ihrer Urgroßmutter.
Wenn jetzt ihre Haare noch etwas länger wären…
Sie trat vor den Spiegel und fuhr mit den Fingern über die kurzen Stoppelchen, die irgendwie kaum nachgewachsen waren. Wie verrückt war sie doch gewesen, sich so verunstalten zu lassen. Erreicht hatte sie damit überhaupt nichts. Probleme ließen sich nicht einfach abschneiden, denen mußte man sich stellen, ob mit kurzen oder langen Haaren.
Bettina konnte bis heute nicht begreifen, was sie dazu bewogen hatte, sich gegen den Rat des Friseurs ihre wunderschönen halblangen Haare abschneiden zu lassen.
Doch das konnte sie nun nicht mehr ändern. Sie wußte nur, daß sie so etwas Unsinniges nicht mehr tun würde, niemals mehr in ihrem Leben.
Sie wandte sich ab und lief die Treppe hinunter.
Sie war gerade in ihrer Diele angekommen, als das Telefon klingelte. Es war Toni, der noch in der Destille arbeitete.
»Super, daß du daheim bist, Bettina. Du mußt unbedingt nach oben kommen. Ich habe eine Überraschung für dich.«
»Einen großen Auftrag?« wollte sie wissen.
Toni lachte.
»Einen? Mädchen, wegen eines Auftrages würde ich dich doch nicht anrufen. Mehr verrate ich aber nicht, komm hochgespurtet.«
Das ließ Bettina sich nicht zweimal sagen. Sie legte ihr Telefon weg, riß eine Jacke vom Haken, weil es doch schon empfindlich kalt war, dann rannte sie über den Hof, dann hinauf zur Destillerie.
Sie war vollkommen aufgeregt und konnte es kaum erwarten, nach oben zu kommen.
Auch wenn sie das Fahrenbach-Kräutergold nicht mehr produzieren konnte, weil die Rezeptur unauffindbar war, begann der Spirituosenhandel doch so richtig gut zu laufen. Und das war mehr, als sie je erwartet hatte.
*
Durch die Großaufträge, die gleichzeitig hereingekommen waren, hatten sie alle Hände voll zu tun. Bettina war nur froh, daß sie das Geld aus dem Erlös der Bilder hatte, denn zum ersten Mal, seit sie den Spirituosenvertrieb hatte, mußte sie sich keine finanziellen Sorgen machen. Sie konnte bei ihren Lieferanten die Bestellungen aufgeben und wußte, daß sie die Rechnungen fristgerecht bezahlen konnte, ohne bei der Bank nachfragen zu müssen oder zu bangen, daß überfällige Rechnungen bezahlt wurden oder nicht. Das war ein so wunderbares beruhigendes Gefühl.
Es war so viel zu tun, daß sie sogar das Abendessen bei Linde absagen mußten, was diese glücklicherweise verstand, denn schließlich war sie auch Geschäftsfrau und wußte, daß das Geschäft immer vorging.
Als der Spediteur am Freitag die letzten Lieferungen abholte, wußten sie, was sie getan hatten.
Die Männer aus dem Dorf, die sie immer holten, wenn viel zu tun war, waren längst gegangen.
Arno, Leni, Toni und Bettina verließen gemeinsam den Betrieb. Sie waren ganz schön geschafft, denn zum Schluß war das noch ein so rechter Gewaltakt gewesen, aber jetzt hoffte Bettina, daß die Überraschung, die sie geplant hatte, auch da sein würde.
Als sie auf den Hof kamen, blieben sie überrascht stehen, genau mittendrin standen zwei funkelnagelneue, blitzende Autos, Passat Kombis, einer in silbergrau, einer in anthrazit.
Toni stieß Arno an.
»Guck mal, Kumpel, da stehen sie, unsere Traumautos. Was meinst du, hat sie jemand hier abgestellt, um uns zu ärgern?«
Sie ließen die beiden Frauen stehen, liefen zu den Autos und umstrichen sie geradezu andächtig.
»Wer hat die Autos hier auf dem Hof abgestellt?« beschwerte Leni sich. »Wozu haben wir denn Parkplätze?«
Sie sah sich suchend um.
»Hier ist niemand. Gäste erwarten wir fürs Wochenende auch nicht.«
»Mein Gott, Leni, die Leute werden schon kommen… Wenn wir diese Prachtautos schon mal auf dem Hof haben, dann laß sie uns doch wenigstens in Ruhe ansehen.« Arno strich über den Kotflügel des silbergrauen Autos, geradezu liebevoll.
»Meine Güte, genau das, was ich mir schon immer erträumt habe…«, er seufzte, »im Lotto müßte man gewinnen…, dann würde ich mir ein Auto genau in dieser Ausführung kaufen.«
»Mein Traum steht genau daneben: anthrazit mit schwarzen Ledersitzen.« Auch Toni seufzte. »In Natura sieht er noch viel schöner aus als im Katalog. Wem mag dieses Prachtstück nur gehören? Und warum stehen die Autos hier? Es sieht ja fast wirklich so aus, als wolle man uns ärgern, wie in dieser Fabel mit dem Fuchs und den viel zu hoch hängenden Weintrauben. Tja, für so ein Auto würde es sich wirklich lohnen, Lotto zu spielen. Komm, Arno, laß uns weitergehen, ich will gar nicht sehen, wer gleich damit davonbraust.«
Arno, der sonst so Zurückhaltende, konnte sich von dem silbergrauen Auto überhaupt nicht trennen. Immer wieder strich er behutsam über den glänzenden Lack.
»So ein Traumauto«, flüsterte er immer wieder.
»Mann, beruhige dich«, sagte Leni, »du gehst ja mit diesem fremden Auto liebevoller um als mit mir. Komm, entspanne dich. Autos dieser Preisklasse werden immer ein Traum für dich bleiben, und was soll’s auch. Wir haben ein Auto und damit kommen wir überall hin.«
»Hast ja recht, Leni, aber es ist schon ein Ding, daß dieser Traum jetzt hier steht.«
»Ja, ja, ist schon komisch, aber jetzt hast du genug geträumt.« Leni zog ihren Mann von dem silbergrauen Gefährt weg, was Arno recht widerstrebend geschehen ließ.
»Und du, Toni, guck wieder normal«, wandte Leni sich an Toni, der zum wievielten Male um den anthrazitfarbenen Wagen herumgelaufen war. »Dieser verklärte Blick ist ja kaum auszuhalten. So blickte man eine Frau an, aber doch nicht ein Auto.«
Toni seufzte.
»Liebste Leni, du magst von vielen Dingen eine Ahnung haben, aber nicht davon, was Autos für Männer bedeuten, noch dazu solche Träume.«
»Mag ja sein. Ich finde nur, daß ihr jetzt genug geträumt habt.