Bettina Fahrenbach Staffel 3 – Liebesroman. Michaela Dornberg
Meisterarbeit eines Chirurgen.
Bettina würde nie begreifen, warum Frauen sich das freiwillig antraten. Bettina ging in ihr Schlafzimmer, stopfte sich zwei Kissen in den Rücken, und nachdem sie in ihrem Bett die gemütlichste Lage gefunden hatte, griff sie zu dem auf ihrem Nachttischchen liegenden Buch.
Sie hatte vielleicht drei, vier Seiten gelesen, als es unten an der Haustür klingelte.
Wer mochte das denn sein? Sie erwartete keine Besucher, und Gäste gab es in im Moment im Gesindehaus nicht.
Sie stieg aus dem Bett und ging die Treppe hinunter. An der Haustür angekommen, blieb sie stehen, luschte nach draussen. Sie konnte nichts hören.
Normalerweise hätte sie sofort die Haustür aufgemacht, aber seit sie von einem Fremden überfallen worden war, der die Seeschlachten-Bilder von ihr erpressen wollte, war sie vorsichtig geworden. Kriminalität machte auch vor dem Fahrenbach-Hof nicht halt.
»Hallo, wer ist da?« erkundigte sie sich.
»Ich bin’s, Doris«, erkannte sie die Stimme ihrer Schwägerin.
Doris? Das konnte doch nicht sein, die war doch auf dem Weg nach Neuseeland.
»Doris?« wiederholte sie.
»Ja, bitte laß mich rein, Bettina, ich hab’ meinen Hausschlüssel doch nicht mitgenommen.«
Bettinas Hand zitterte, als sie aufschloß. Was hatte das zu bedeuten?
Sie öffnete die Tür, und Doris stolperte herein. Sie stellte ihren Rucksack ab, hob die Schultern und sagte:
»Tja, da bin ich wieder.«
Bettina starrte ihre Schwägerin an wie ein Phantom.
Doch sie konnte starren soviel sie wollte – es war in der Tat Doris.
»Doris… du… ich«, stammelte sie völlig verwirrt.
»Ich bin es wirklich«, sagte Doris und schloß die Tür.
»Doris, kannst du mir bitte erklären…«
»Werd ich«, versprach Doris, »aber laß mich schnell ein Glas Wasser trinken. Ich bin dabei zu verdursten.«
Sie ging in die Küche, und Bettina blieb mitten in der Diele stehen, starrte auf den Rucksack, der prallgefüllt in der Ecke stand. Das Indiz. Er gehörte Doris. Sie war tatsächlich wieder da. Es war kein Spuk, keine Fata Morgana.
Bettina folgte ihrer Schwägerin in die Küche, die sich gerade ein großes Glas Mineralwasser eingeschenkt hatte, das sie in durstigen Zügen fast bis zur Neige leerte.
»Doris…«
Bettina konnte es noch immer nicht fassen, daß Doris tatsächlich da war.
Die fing an zu lachen, um sofort danach wieder ernst zu werden.
»Ich bin es wirklich, Bettina… ich habe es mir anders überlegt, ich bin nicht geflogen.«
Bettina ließ sich auf einen Stuhl fallen, auch Doris setzte sich.
»Warum nicht? Du wolltest
doch nichts lieber als das… zusammen mit Jörg durch Neuseeland reisen.«
»Weil es irgendwo doch nur eine Flucht gewesen wäre, wie immer. Vor sich selbst kann niemand davonlaufen. Ich bin immer nur weggelaufen, bin von einem zum nächsten Mann gegangen. Ich habe mich immer nur durch die Männer an meiner Seite definiert.«
Sie trank einen kleinen Schluck, stellte bedächtig das Glas auf den Tisch zurück.
»Als ich das Ticket in der Hand hielt und mich in die Schlange der Reisenden einordnete, die auch nach Auckland fliegen wollten, hätte ich am liebsten die ganze Welt umarmt. Doch je näher ich dem Abfertigungsschalter kam, umso unsicherer wurde ich. Als ich endlich an der Reihe war, konnte ich das Ticket nicht über den Counter reichen. Ich wußte auf einmal, daß es falsch war.«
»Das verstehe ich jetzt überhaupt nicht…«
»Bettina, du hast es mir doch vorausgesagt – das mit Jörg hätte nicht angedauert, ich wäre emotional wieder auf der Strecke geblieben… ich liebe ihn wirklich… glaube ihn zu lieben… ein Neuanfang mit ihm hätte doch nur einen Sinn nach einer langen Eheberatung, so wie es jetzt ist, würden wir unsere Fehler, die der Grund für unsere Trennung waren, nur wiederholen.«
»Das klingt sehr vernünftig, Doris. Aber Jörg, steht der jetzt irgendwo am Flughafen und wartet auf dich?«
Doris lachte.
»Nein, ich säße ja noch immer im Flieger. Der Flug nach Neuseeland ist immens lang… ich habe ihn
angerufen. Er hat mich verstanden. Fast hatte ich sogar den Eindruck, daß es ihm nicht einmal unrecht war, daß seine Euphorie, mit mir
zu reisen, schon wieder ein wenig verflogen war. Nun, er hat mir gesagt, daß ich das Ticket einlösen und das Geld behalten soll… das habe ich auch getan… ich bin um viertausenddreihundertzweiundzwanzig Euro und sechsundachtzig Cent reicher.«
Jetzt holte auch Bettina sich ein Glas, auch die Wasserflasche. Sie schenkte sich etwas ein, blickte zu ihrer Schwägerin hinüber.
»Willst du auch noch was?«
Doris nickte.
Bettina goß ein.
»Das wird Markus freuen«, sagte sie.
Doris schüttelte den Kopf.
»Das glaub ich nicht.«
»Was willst du damit sagen?«
»Daß ich erst mal herausfinden möchte, wer ich eigentlich bin und was ich eigentlich will. Wenn ich mir nämlich darüber klar wäre, hätte es diese Verwirrtheit nicht gegeben, dann hätte Jörg mich nicht irritieren können und dann wäre Markus der Sieger gewesen. Ich habe mich so was von pupertär verhalten, indem ich glaubte neuer Mann gleich neues Leben. Es ist leider nicht so einfach, du schleppst deine Altlasten immer mit, wenn du die nicht aufarbeitest. Um frei zu sein für eine neue Bindung, muß ich mit dem Alten abschließen, tabula rasa machen.«
Das hörte sich mehr als vernünftig an. Hoffentlich hielt Doris das durch. Vorsätze hatte sie schon mehrfach gehabt, gute sogar. Doch mit der Durchführung dieser Vorsätze hatte es immer gehapert.
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«
»Ich werde mit Markus reden und ihm sagen, daß ich eine Auszeit brauche… weißt du, ihn liebe ich auch, wirklich. Aber ich möchte… erwachsen an die Geschichte herangehen. Wenn er es also will, können wir einander vorsichtig nähern, so unter dem Motto – Heirat nicht ausgeschlossen, nicht, wie es jetzt war, Heirat fest geplant. Irgendwo war es doch bescheuert, das so fest im Auge zu haben, obwohl ich meine Scheidungspapiere noch nicht mal in Händen habe. Und wenn Markus damit einverstanden ist, können wir es langsam angehen.«
Ganz erstaunt blickte Bettina ihre Schwägerin an. Das klang auch nicht schlecht, hoffentlich hielt sie das durch. Im Grunde genommen war es zwischen ihr und Markus auch viel zu schnell gegangen. Sie hatten sich ineinander verguckt und sofort konkrete Heiratspläne geschmiedet, ohne sich wirklich zu kennen. Sie hatten viel Spaß miteinander gehabt und nicht daran geglaubt, daß das Leben nicht nur aus Festen bestand, sondern daß eine ganz gehörige Portion Alltag dazugehörte.
»Eine Chance habt ihr auf jeden Fall. Ich finde nach wie vor, daß ihr zwei wunderbar zusammenpaßt… es ist sicherlich gut, eure Beziehung auf Alltagstauglichkeit zu überprüfen.«
Doris nickte.
»Später… zuerst will ich mal allein sein… und da bin ich schon beim nächsten Punkt. Ich muß mich mit mir selbst auseinandersetzen. Ich werde von hier weggehen, glücklicherweise habe ich ja noch fast die ganzen zwanzigtausend, die Jörg mir geschickt hat, dazu das Geld für das Ticket… ich werde mir einen Job suchen, so eine richtige Arbeit, wo ich, wie normalerweise Leute es tun, von montags bis freitags und von morgens bis abends arbeite.«
»Das