H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
war ich jung, und meine Jugend nahm unter anderen tadelnswerten Formen die eines Stolzes auf meine geschäftlichen Fähigkeiten an. Ich bin noch immer jung an Jahren, aber die Dinge, die mir widerfahren sind, haben etwas von der Jugend aus meinem Geiste fortgetrieben. Ob sie darunter irgendwelche Weisheit ans Licht gebracht haben, das ist weniger zweifellos.
Es ist kaum nötig, im einzelnen auf die Spekulationen einzugehen, die mich zu Lympne in Kent landeten. Heutzutage hängt selbst um Geschäftsunternehmungen ein starker Schein des Abenteuers. Ich riskierte etwas. In diesen Dingen handelt es sich unweigerlich um eine gewisse Menge von Geben und Nehmen, und schließlich fiel mir das Geben zu. Ich tat es widerstrebend genug. Selbst als ich aus allem heraus war, hielt es ein widerhaariger Gläubiger für angebracht, böswillig zu sein. Vielleicht ist Ihnen einmal jenes flammende Gefühl verletzter Tugend begegnet, oder vielleicht haben Sie es nur gefühlt. Er jagte mich scharf. Mir schien zuletzt, mir blieb nichts weiter übrig, als ein Drama zu schreiben, wenn ich mich nicht als Handlungsgehilfe um meinen Lebensunterhalt plagen wollte. Ich habe eine gewisse Fantasie und luxuriöse Anlagen, und ich gedachte, kräftig darum zu kämpfen, ehe mich jenes Schicksal fasste. Außer meinem Glauben an meine Talente als Geschäftsmann hatte ich in jenen Tagen stets die Vorstellung gehabt, ich sei imstande, ein sehr gutes Drama zu schreiben. Ich glaube, diese Überzeugung ist nicht sehr ungewöhnlich. Ich wusste, außer legitimen Geschäftsspekulationen hat nichts so üppige Möglichkeiten, und sehr wahrscheinlich beeinflusste das meine Meinung.
Ich entdeckte bald, dass ein Drama zu schreiben, längere Zeit in Anspruch nahm, als ich vorausgesetzt hatte; erst hatte ich zehn Tage darauf gerechnet, und ich kam nach Lympne, um ein pied-à-terre1 zu haben, solange es in Arbeit war. Ich schätzte mich glücklich, dass ich das kleine Sommerhaus bekam. Ich bekam es auf dreijährigen Kontrakt. Ich setzte ein paar Stück Möbel hinein, und solange das Drama in Arbeit war, besorgte ich mein Kochen selber. Mein Kochen hätte Mrs. Bond entsetzt. Und doch, wissen Sie, es hatte Würze. Ich hatte einen Kaffeetopf, einen Blechkocher für Eier und einen für Kartoffeln und eine Bratpfanne für Wurst und Speck – das war der einfache Apparat meiner Gemütlichkeit. Man kann nicht immer großartig sein, aber die Einfachheit ist eine stets mögliche Alternative. Im übrigen hatte ich auf Kredit ein Achtzehn-Gallonen-Fass Bier eingenommen, und ein vertrauensvoller Bäcker kam jeden Tag. Es war vielleicht nicht im Stil von Sybaris, aber ich habe schlimmere Zeiten erlebt. Der Bäcker tat mir ein wenig leid, denn er war wirklich ein sehr anständiger Mann, aber selbst für ihn hoffte ich.
Wenn jemand Einsamkeit sucht, so ist sicherlich Lympne der Ort. Es liegt im Lehmteil von Kent, und mein Häuschen stand auf dem Rande einer alten Meeresklippe und blickte über die Marschebene von Romney aufs Meer hinaus. Bei sehr nassem Wetter ist der Ort fast unzugänglich, und ich habe gehört, der Postbote gehe zuzeiten die saftigeren Teile seiner Straße mit Brettern an den Füßen. Ich habe es nie gesehen, aber ich kann es mir ganz gut vorstellen. Vor den Türen der wenigen Hütten und Häuser, die das gegenwärtige Dorf ausmachen, stecken große Birkenbesen, mit denen man den schlimmsten Lehm abfegt, was eine ungefähre Vorstellung von der Beschaffenheit des Distrikts geben wird. Ich zweifle, ob der Ort überhaupt vorhanden sein würde, wenn er nicht eine verblassende Erinnerung an auf ewig vergangene Dinge wäre. Er war zu römischen Zeiten der große Hafen Englands, Portus Lemanus, und jetzt ist das Meer vier Meilen entfernt. Den ganzen steilen Hügel hinunter findet man Geröll und Massen römischer Ziegel, und von ihm aus springt die alte Watling Street, stellenweise noch gepflastert, wie ein Pfeil nach Norden. Ich stand oft auf dem Hügel und dachte an all das, die Galeeren und Legionen, die Gefangenen und Offiziere, die Spekulanten wie mich, den ganzen Schwarm und Tumult, der im Hafen ein und aus rasselte. Und jetzt gerade noch ein paar Haufen Geröll auf einem Grashang, ein oder zwei Schafe – und ich! Und wo der Hafen gewesen war, lagen die Marschflächen, die sich rings in weiter Kurve bis zum fernen Dungeneß herumschwangen und hier und dort mit drei Bäumen und dem Kirchturm mittelalterlicher Städte gesprenkelt waren, die jetzt Lemanus in das Verlöschen folgten.
Jener Ausblick auf die Marsch war denn auch eine der schönsten Aussichten, die ich je gesehen habe. Ich glaube, Dungeneß war fünfzehn Meilen entfernt; es lag wie ein Floß auf dem Meere, und weiter nach Westen hin lagen die Hügel von Hastings unter der untergehenden Sonne. Bisweilen hingen sie nah und klar, bisweilen schienen sie blass und niedrig, und oft verbarg der Zug des Wetters sie dem Auge ganz. Und all die näheren Teile der Marsch waren von Gräben und Kanälen durchzogen und erhellt.
Das Fenster, an dem ich arbeitete, überblickte den Horizont dieses Kammes, und von diesem Fenster aus kam mir Cavor zuerst vor die Augen. Ich rang gerade mit meinem Szenarium und hielt meinen Geist an die bloße, harte Arbeit daran niedergedrückt, und natürlich genug störte er meine Aufmerksamkeit.
Die Sonne war untergegangen, der Himmel war eine lebhafte Ruhe von Grüns und Gelbs, und gegen ihn tauchte er schwarz auf – die sonderbarste kleine Gestalt.
Er war ein kurzer, rundleibiger, dünnbeiniger kleiner Mann mit etwas Ruckweisem in seinen Bewegungen; er hatte es für angebracht gehalten, seine außerordentliche Seele in eine Kricketmütze, einen Überrock und Radfahrhose und -Strümpfe zu kleiden. Warum er das tat, weiß ich nicht, denn er fuhr nie Rad und spielte nie Kricket. Es war ein zufälliges Zusammentreffen von Kleidungsstücken, das sich, ich weiß nicht wie, ergeben hatte. Er gestikulierte mit den Händen und Armen, warf seinen Kopf umher und summte. Er summte wie etwas Elektrisches. Nie hat man so ein Summen gehört. Und von Zeit zu Zeit räusperte er sich mit ganz außerordentlichem Lärm.
Es war Regen gefallen, und jenes, sein krampfhaftes Gehen, wurde noch durch die äußerste Schlüpfrigkeit des Fußpfads verstärkt. Genau, als er vor die Richtung der Sonne kam, machte er Halt, zog eine Uhr heraus, zögerte. Dann machte er mit einer Art krampfhafter Geste kehrt und zog sich mit jedem Zeichen der Eile zurück; er gestikulierte nicht mehr, sondern ging mit weiten Schritten, die das relativ große Format seiner Füße – sie wurden, wie ich mich erinnere, im Format durch anhaftenden Lehm grotesk übertrieben – so vorteilhaft wie nur möglich zeigten.
Dies geschah am ersten Tage meines Aufenthalts, als meine Dramenschreibe-Energie auf ihrer Höhe stand, und ich betrachtete den Zwischenfall nur als eine ärgerliche Ablenkung – die Verschwendung von fünf Minuten. Ich kehrte zu meinem Szenarium zurück. Aber als sich die Erscheinung am Abend darauf mit merkwürdiger Präzision wiederholte, und sogar jeden Abend,