H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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Ah­nung von ei­ner Idee. Die­ser er­staun­li­che klei­ne Mann hat­te die gan­ze Zeit über auf bloß theo­re­ti­schem Grun­de ge­ar­bei­tet! Als er sag­te, es sei das »al­ler­wich­tigs­te« Ex­pe­ri­ment, das die Welt noch ge­se­hen habe, hat­te er nur ge­meint, es be­rich­ti­ge so vie­le Theo­ri­en, er­le­di­ge so vie­les, was zwei­fel­haft sei; über die An­wen­dung des Stoffs, den er ma­chen woll­te, hat­te er sich so we­nig be­un­ru­higt, wie wenn er eine Ma­schi­ne ge­we­sen wäre, die Ka­no­nen macht. Dies war ein mög­li­cher Stoff, und er woll­te ihn ma­chen! V’­la tout, wie der Fran­zo­se sagt.

      Über das hin­aus war er kin­disch! Wenn er ihn mach­te, wür­de der Stoff als Ca­vo­rit oder Ca­vor­in auf die Nach­welt kom­men, ihn wür­de man zur Aka­de­mie be­ru­fen, sein Por­trät wür­de als das ei­nes wis­sen­schaft­li­chen Man­nes von Ver­dienst mit der »Na­tur« ver­teilt wer­den, und der­lei Din­ge mehr. Und das war al­les, was er sah! Er hät­te die­se Bom­be in die Welt ge­wor­fen, als hät­te er eine neue Mücken­art ent­deckt, wenn nicht der Zu­fall ge­wollt hät­te, dass ich dazu ge­kom­men war. Und da hät­te sie ge­le­gen und ge­pufft wie noch ein paar an­de­re klei­ne Din­ge, die die­se Wis­sen­schaf­ter an­ge­zün­det und um uns ge­wor­fen ha­ben.

      Als mir das klar wur­de, war ich der­je­ni­ge, der das Re­den be­sorg­te, und Ca­vor sag­te: »Nur wei­ter!« Ich sprang auf. Ich schritt durchs Zim­mer und ges­ti­ku­lier­te wie ein Jun­ge von zwan­zig. Ich ver­such­te, ihm sei­ne Pf­lich­ten und Verant­wort­lich­kei­ten in der Sa­che ver­ständ­lich zu ma­chen – un­se­re Pf­lich­ten und Verant­wort­lich­kei­ten in der Sa­che. Ich ver­si­cher­te ihm, wir könn­ten Geld ge­nug ma­chen, um jede Art so­zia­ler Re­vo­lu­ti­on durch­zu­füh­ren, die wir woll­ten, wir könn­ten die gan­ze Welt be­sit­zen und ord­nen. Ich er­zähl­te ihm von Ge­sell­schaf­ten und Pa­ten­ten und den Ge­set­zen für ge­hei­me Pro­zes­se. All die­se Din­ge schie­nen auf ihn zu wir­ken, wie sei­ne Ma­the­ma­tik auf mich ge­wirkt hat­te. In sein ro­tes klei­nes Ge­sicht kam ein Blick der Ver­wir­rung. Er stot­ter­te ei­ni­ges über Gleich­gil­tig­keit ge­gen Reich­tum, aber ich jag­te all das bei­sei­te. Er hat­te reich zu wer­den und sein Stot­tern nütz­te zu nichts. Ich gab ihm zu ver­ste­hen, was für eine Art Mensch ich war, und dass ich sehr be­trächt­li­che Ge­schäfts­er­fah­run­gen hat­te. Ich sag­te ihm nicht, dass ich zur Zeit in ei­nem noch un­ge­re­gel­ten Ban­ke­rott stak, denn das war nur vor­über­ge­hend, aber ich glau­be, ich ver­söhn­te mei­ne of­fen­bar wir­ken­de Kraft mit mei­nen fi­nan­zi­el­len An­sprü­chen. Und ganz un­merk­lich, wie eben sol­che Plä­ne wach­sen, wuchs zwi­schen uns das Ein­ver­ständ­nis über ein Ca­vo­rit-Mo­no­pol em­por. Er soll­te den Stoff ma­chen, und ich soll­te den Lärm dazu ma­chen.

      Ich hing mich wie ein Blut­egel an das »wir« – »Sie« und »ich« exis­tier­te für mich nicht.

      Sei­ne Idee war, der Ge­winst, von dem ich sprach, kön­ne dazu die­nen, die For­schung zu för­dern, aber das war na­tür­lich eine Sa­che, die wir spä­ter zu er­le­di­gen hat­ten. »Schon gut«, rief ich, »schon gut.« Der Haupt­punkt war, wie ich be­harr­te, das Zeug wirk­lich zu ma­chen.

      »Hier ha­ben wir einen Stoff«, rief ich, »ohne den zu sein kein Haus, kei­ne Wirt­schaft, kei­ne Fes­tung, kein Schiff wa­gen kann – all­ge­mei­ner an­wend­bar noch als eine Pa­tent­me­di­zin! Kei­ne ein­zi­ge Sei­te, nicht eine von sei­nen zehn­tau­send mög­li­chen An­wen­dun­gen, die uns nicht rei­cher ma­chen wird, Ca­vor, als sich nur die Hab­sucht träu­men las­sen kann.«

      »Nein«, sag­te er. »Ich fan­ge an, es ein­zu­se­hen. Es ist merk­wür­dig, wie man zu neu­en Ge­sichts­punk­ten kommt, wenn man die Din­ge durch­spricht!«

      »Und der Zu­fall woll­te, dass Sie ge­ra­de mit dem rich­ti­gen Mann ge­spro­chen ha­ben!«

      »Ich glau­be«, sag­te er, »nie­mand ist un­ge­heu­rem Reich­tum ab­so­lut ab­ge­neig­t. Na­tür­lich bleibt ein – –«

      Er hielt inne. Ich stand still.

      »Es ist ge­ra­de noch mög­lich, wis­sen Sie, dass wir es schließ­lich doch nicht ma­chen kön­nen! Es kann eins von den Din­gen sein, die eine theo­re­ti­sche Mög­lich­keit aber eine prak­ti­sche Ab­sur­di­tät sind. Oder wenn wir es ma­chen, kann noch ir­gend­ein klei­ner Ha­ken da­bei sein – –«

      »Den Ha­ken wol­len wir un­ter­krie­gen, wenn er kommt«, sag­te ich.

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      2 – Wie das Cavorit zum ersten Male gemacht wurde

      Aber Ca­vors Be­fürch­tun­gen wa­ren grund­los, so­weit die tat­säch­li­che Fa­bri­ka­ti­on in Fra­ge kam. Am 14. Ok­to­ber 1899 wur­de die­ser un­glaub­li­che Stoff her­ge­stellt!

      Son­der­bar ge­nug wur­de er zu­letzt durch einen Zu­fall fer­tig, als Mr. Ca­vor es am we­nigs­ten er­war­te­te. Er hat­te eine An­zahl Me­tal­le und ge­wis­se an­de­re Din­ge mit­ein­an­der ver­schmol­zen – ich woll­te jetzt, ich wüss­te die Ein­zel­hei­ten! – und er be­ab­sich­tig­te, die Mi­schung eine Wo­che in Ruhe zu las­sen und sie dann lang­sam ab­zu­küh­len. Wenn er nicht falsch ge­rech­net hat­te, muss­te die letz­te Ent­wick­lungs­stu­fe in der Kom­bi­na­ti­on er­fol­gen, wenn das Zeug auf eine Tem­pe­ra­tur von 60° Fah­ren­heit ge­sun­ken war. Aber es traf sich, dass ohne Ca­vors Wis­sen ein Streit über die Un­ter­hal­tung des Feu­ers im Schmelzofen aus­ge­bro­chen war. Gibbs, der vor­her da­für ge­sorgt hat­te, hat­te plötz­lich ver­sucht, es auf den Mann ab­zu­wäl­zen, der Gärt­ner ge­we­sen war, und zwar mit der Be­grün­dung, Koh­le wer­de ge­gra­ben und sei Erde, kön­ne also un­mög­lich in den Be­reich ei­nes Schrei­ners fal­len; der Mann, der Ak­kord­gärt­ner ge­we­sen war, mach­te da­ge­gen gel­tend, Koh­le sei ein me­tal­li­scher oder erz­ar­ti­ger Stoff, ganz ab­ge­se­hen da­von, dass er Koch sei. Aber Spar­gus be­stand dar­auf, dass Gibbs das Feu­ern be­sorg­te, zu­mal er ein Schrei­ner sei, und Koh­le be­kann­ter­ma­ßen fos­si­les Holz ist. In­fol­ge­des­sen hör­te Gibbs auf, den Schmelzofen nach­zu­fül­len, und nie­mand tat es, und Ca­vor war zu sehr in ge­wis­sen in­ter­essan­ten Pro­ble­men in­be­treff ei­ner Ca­vo­rit-Flug­ma­schi­ne ver­sun­ken (wo­bei er den Luft­wi­der­stand und ein oder zwei an­de­re Punk­te ver­nach­läs­sig­te) um zu mer­ken, dass ir­gend et­was ver­kehrt ging. Und die vor­zei­ti­ge Ge­burt sei­ner Er­fin­dung trat ein, als er ge­ra­de über das Feld in mein Haus kam, um beim Tee un­ser Nach­mit­tags­ge­spräch zu hal­ten.

      Ich er­in­ne­re mich des Vor­falls mit äu­ßers­ter Leb­haf­tig­keit. Das Was­ser koch­te und al­les war vor­be­rei­tet, und das Geräusch sei­nes »Su­suhh« hat­te mich auf die Ve­ran­da hin­aus­ge­ru­fen. Sei­ne be­weg­li­che klei­ne Ge­stalt stand schwarz ge­gen den herbst­li­chen Son­nen­un­ter­gang, und rechts er­ho­ben sich die Schorn­stei­ne sei­nes Hau­ses eben über eine glor­reich ge­tön­te Baum­grup­pe. Fer­ner er­ho­ben sich blass und blau die Weal­den Hills, wäh­rend sich nach links hin ge­räu­mig und hei­ter die neb­li­ge Marsch er­streck­te. Und dann – –!

      Die Schorn­stei­ne ruck­ten zum Him­mel em­por, im Flug zu ei­ner Rei­he Zie­gel zer­sprit­zend, und das Dach und ein Ge­misch von Mö­beln folg­te. Dann hol­te sie eine rie­sen­haf­te wei­ße Flam­me ein. Die Bäu­me um das Ge­bäu­de schwank­ten und wir­bel­ten und ris­sen


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