H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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De­pu­ta­ti­on. Es hat­te eine hef­ti­ge Be­ra­tung statt­ge­fun­den, und da die Mars­leu­te trotz ih­rer ab­sto­ßen­den Ge­stalt in­tel­li­gen­te Ge­schöp­fe zu sein schie­nen, war be­schlos­sen wor­den, durch Zei­chen, mit de­nen man sich ih­nen nä­her­te, ih­nen zu zei­gen, dass auch wir in­tel­li­gent sei­en.

      Ich sah die Fah­ne hin- und her­flat­tern, erst rechts dann links. Ich stand zu weit ent­fernt, um einen zu er­ken­nen. Doch spä­ter er­fuhr ich, dass Ogil­vy, Stent und Hen­der­son un­ter an­de­ren es wa­ren, die die­sen Ver­stän­di­gungs­ver­such un­ter­neh­men woll­ten. Die­se klei­ne Grup­pe hat­te bei ih­rem Her­an­na­hen den nun fast voll­stän­di­gen Kreis von Leu­ten in eine so­zu­sa­gen schlei­fen­ar­ti­ge Li­nie ver­wan­delt. Eine An­zahl dün­ner schwar­zer Ge­stal­ten folg­te ihr in an­ge­mes­se­ner Ent­fer­nung.

      Plötz­lich flamm­te ein Licht­strahl ans, und eine Men­ge leuch­ten­den grün­li­chen Rau­ches schoss in drei deut­lich sicht­ba­ren Stö­ßen aus der Gru­be; eine Rauch­säu­le nach der an­de­ren fuhr ker­zen­ge­ra­de in die wind­stil­le Luft em­por.

      Die­ser Rauch — Flam­me wäre viel­leicht die zu­tref­fen­de­re Be­zeich­nung — war so strah­lend hell, dass der tief­blaue Him­mel und die un­deut­li­chen Stre­cken brau­nen Hei­de­lan­des Rich­tung Chert­sey, die mit schwar­zen Fich­ten be­pflanzt wa­ren, sich plötz­lich zu ver­düs­tern schie­nen, als die Stö­ße sich er­ho­ben, und nach der Ver­tei­lung des Rau­ches nur noch düs­te­rer wur­den. Gleich­zei­tig hör­te man einen schwa­chen zi­schen­den Laut.

      Jen­seits der Gru­be stand der klei­ne Men­schen­hau­fen, mit der wei­ßen Fah­ne an der Spit­ze, von die­sen Er­schei­nun­gen auf­ge­hal­ten, ein klei­ner Knäu­el win­zi­ger schwar­zer Ge­stal­ten auf dem schwar­zen Bo­den. Als der grü­ne Rauch auf­stieg, flamm­ten ihre Ge­sich­ter in ei­nem fah­len Grün, das erb­lass­te, so­bald je­ner ver­schwand.

      Da ging das Zi­schen all­mäh­lich in ein Sum­men über, in ein lan­ges, lau­tes, sur­ren­des Geräusch. Lang­sam er­hob sich eine un­för­mi­ge Ge­stalt aus der Gru­be, und ein win­zi­ger Licht­strahl schi­en aus ihr her­vor­zu­fla­ckern.

      Plötz­lich fuh­ren Blit­ze wirk­li­cher Flam­men aus der zer­spreng­ten Men­schen­grup­pe her­vor. In glän­zen­den Schwa­den sprang es von ei­nem zum an­de­ren. Es war, wie wenn ein un­sicht­ba­rer Feu­er­strahl in sie ge­fah­ren sei und nun in ei­ner wei­ßen Flam­me aus­brä­che. Es war, als ob je­der Ein­zel­ne un­ver­mu­tet und plötz­lich in Feu­er ver­wan­delt wor­den wäre.

      Dann sah ich beim Lich­te ih­rer ei­ge­nen Ver­nich­tung, wie sie tau­mel­ten und fie­len, und wie die, wel­che sie stütz­ten, sich zur Flucht wand­ten.

      Ich stand da und starr­te und fass­te es noch nicht, dass das der Tod war, der in je­ner fer­nen klei­nen Men­schen­men­ge von Mann zu Mann ras­te. Nur dass dort et­was Selt­sa­mes vor­ging, war al­les, was ich emp­fand. Ein fast laut­lo­ser und blen­den­der Blitz — und ein Mann stürz­te der Län­ge nach hin und blieb re­gungs­los lie­gen. Wie das un­sicht­ba­re Hit­ze­ge­schoss über sie fuhr, gin­gen Fich­ten in Flam­men auf, und je­der dür­re Gins­ter­busch ver­wan­del­te sich mit dump­fen Kra­chen in einen Feu­er­herd. In wei­ter Fer­ne ge­gen Kna­phill zu sah ich Bäu­me und He­cken in Flam­men, und be­merk­te wie die Holz­bau­ten plötz­lich lich­ter­loh brann­ten.

      Er fuhr pfeil­schnell und ste­tig rings her­um, je­ner flam­men­de Tod, je­nes un­sicht­ba­re und un­er­bitt­li­che Feu­er­schwert. An den glü­hen­den Bü­schen sah ich ihn auch an mich her­an­kom­men; aber ich war zu ver­wirrt und zu be­täubt, um mich von der Stel­le zu rüh­ren. Ich hör­te das Knis­tern des Feu­ers in den Sand­gru­ben und den plötz­li­chen Schrei ei­nes Pfer­des, der aber eben­so plötz­lich ver­stumm­te. Dann war es mir, als ob eine un­sicht­ba­re aber glü­hend hei­ße Hand auf der Hei­de zwi­schen mir und den Mars­leu­ten eine Li­nie zöge; über­all in ge­krümm­ter Li­nie um die Sand­gru­ben her­um dampf­te und knis­ter­te der tief­schwar­ze Bo­den. In wei­ter Fer­ne, dort wo die Stra­ße von der Sta­ti­on Wo­king links ins Hei­de­land führt, stürz­te et­was mit lau­tem Schall zu­sam­men. So­fort ver­stumm­te das Zi­schen und Sum­men, und der schwar­ze, kes­sel­för­mi­ge Ge­gen­stand fiel, den Bli­cken ent­schwin­dend, lang­sam in die Gru­be.

      Al­les das war mit ei­ner sol­chen Schnel­lig­keit vor sich ge­gan­gen, dass ich re­gungs­los ste­hen blieb, er­starrt und ge­blen­det von den Flam­men­blit­zen. Hät­te der Tod in vol­lem Um­kreis die Run­de ge­macht, ich wäre ret­tungs­los mit­ten in mei­ner Be­täu­bung ge­tö­tet wor­den. Aber er ging vor­über und schon­te mich und ließ mich plötz­lich in der dunklen und un­heim­li­chen Nacht zu­rück.

      Die wel­len­för­mi­ge Wei­de schi­en nun düs­ter in fast un­kennt­li­cher Schwär­ze, au­ßer dort, wo ihre Stra­ßen grau und bleich un­ter dem tief­blau­en Him­mel der frü­hen Nacht sich hin­zo­gen. Es war dun­kel und auf ein­mal völ­lig men­schen­leer. Über mir tauch­ten nach und nach die Ster­ne auf, und am west­li­chen Him­mel stand noch ein blas­ser, schim­mern­der, fast grün­lich blau­er Strei­fen. Die Wip­fel der Fich­ten und die Dä­cher von Hor­sell ka­men scharf und schwarz im west­li­chen Wi­der­schein her­aus. Die Mars­leu­te und ihre Gerät­schaf­ten wa­ren voll­kom­men un­sicht­bar. Nur die dün­ne Stan­ge, an de­ren Spit­ze die rast­lo­se Spie­gel­schei­be sich dreh­te, blieb ste­hen. Ei­ni­ges Busch­werk und ein­zeln ste­hen­de Bäu­me glüh­ten und rauch­ten noch im­mer. Und von den Häu­sern ge­gen die Sta­ti­on von Wo­king stie­gen noch Feu­er­säu­len in die Stil­le der Abend­luft auf.

      Sonst hat­te sich nichts ge­än­dert. Nur die­se furcht­ba­re Er­schüt­te­rung! Die klei­ne Grup­pe schwar­zer Punk­te mit der wei­ßen Flag­ge war wie vom Erd­bo­den weg­ge­fegt, und die Stil­le des Abends, so schi­en es mir, war kaum ge­bro­chen wor­den.

      Da über­kam es mich, dass ich auf die­ser düs­te­ren Hei­de hilf­los, un­be­schützt und al­lein da­stand. Und plötz­lich, wie ein We­sen, das von au­ßen her mich über­fiel, kam — die Angst.

      Mit An­stren­gung wand­te ich mich um und be­gann, stol­pernd durch das Hei­de­kraut zu lau­fen.

      Die Angst, die mich be­schlich, war kei­ne ver­nünf­ti­ge Angst, son­dern ein pa­ni­scher Schre­cken, nicht nur vor den Mars­leu­ten, son­dern vor dem Dun­kel und der Stil­le rings um mich. Das übte eine so un­ge­wöhn­lich ent­man­nen­de Wir­kung auf mich aus, dass ich lei­se wei­nend wie ein Kind da­her­lief. Und jetzt, nach­dem ich mich um­ge­kehrt hat­te, wag­te ich nicht mehr zu­rück­zu­bli­cken.

      Ich er­in­ne­re mich, dass ich die selt­sa­me Über­zeu­gung hat­te, dass man mit mir spie­le, dass je­den Au­gen­blick, schon als ich im Be­rei­che der Si­cher­heit war, die­ser ge­heim­nis­vol­le Tod — schnell wie der Weg des Lichts — aus der Höh­le, aus dem Zy­lin­der her­aus mir nachra­sen und mich nie­der­schla­gen wer­de.

      VI. Der Hitzestrahl in der Chobham-Straße

      Es ist noch im­mer ein un­ge­lös­tes Rät­sel, wie die Mars­leu­te im­stan­de sind, Men­schen so rasch und laut­los zu tö­ten. Vie­le mei­nen, dass sie fä­hig sind, eine un­ge­heu­re Hit­ze in ei­nem Be­häl­ter an­zu­sam­meln, bei dem jede Lei­tungs­mög­lich­keit voll­kom­men aus­ge­schlos­sen ist. Die­se un­ge­heu­re Hit­ze über­tra­gen sie in par­al­le­len Strah­len auf je­des be­lie­bi­ge Ob­jekt ver­mit­tels


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