Frühere Verhältnisse. Katrin Unterreiner

Frühere Verhältnisse - Katrin Unterreiner


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Verzweiflung wurde von Klimt eine Ehe mit Mizzi offensichtlich niemals angedacht, vielmehr erbat er sich von seiner Geliebten Kraft und Trost für seine Situation. Immerhin erklärte er sich sofort bereit, Mutter und Kind zu unterstützen und eine Vaterrolle zu übernehmen:

      Ich habe für das werdende Leben, für Sie selbst zu sorgen für alle Zukunft, ich will es in väterlichster Weise, Sie sollen versorgt werden als wären Sie meine Frau, ohne dass ich Ihnen nur im Geringsten wieder nahe trete.

      Für das Kindlein nehmen Sie sich eine verlässliche Frau welche es unter Ihrer Aufsicht bedient.

      Sie selbst haben allerlei Talente, ich glaube am meisten für bildende Kunst, für Malerei, pflegen und hegen Sie dies Talent, vielleicht werden Sie jene Künstlerin, welche Ihre Mutter, welche Sie selbst wünschen, ich will Ihnen dabei helfen was ich kann.

      Nach einer Seite hin will ich Sie wenigstens sorglos halten, für Ihre Zukunft sorgen, als kleine kleine Buße für den Jammer den ich über uns gebracht.

      Aber dazu brauche ich vor allem Kraft zu wachen aus der dumpfen Verzweiflung, brauche ich neue Hoffnung – Sie bringen mir diese, wenn Sie mir sagen, dass Sie mich und vor Allem dass mich Ihre liebe Mutter nicht ganz verflucht. – ich bitte um diesen Trost, dann will ich mit verdoppelter Kraft an meine Arbeit gehen – vielleicht gestaltet sich mein Leben erträglicher als jetzt – und ich muß leben, der Anderen wegen.

       Wird mir Trost?

      In der vielleicht ganz armseligen Hoffnung darauf schließe ich.

       Mit herzlichsten Grüßen Ihr tief unglücklicher Freund

       Gustav Klimt41

      Als sich die Schwangerschaft nicht mehr verbergen ließ, wohnte Mizzi an verschiedenen Adressen, unter anderem auch in Hotels.42 In der Folge dürfte Mizzi sich, wie in einer derartigen Situation damals üblich, bald aufs Land zurückgezogen haben, um ihre Niederkunft weitab vom Wiener Tratsch zu erwarten. Klimt kam für die Kosten auf.

       Gefällt es Ihnen dort nicht wo Sie sind so rücken Sie ein wenig näher, wir helfen uns durch fleißiges Schreiben über die paar Sommermonate hinweg, ist alles vorüber kommen Sie wieder nach Wien, wieder zu mir, lassen sich in Wien häuslich und niedlich nieder, nehmen sich eine verlässliche Bedienerin, werden das Kindlein, falls es am Leben bleibt, lieb haben, ebenso ich, wir werden beide jeder in seiner Art sorgen, dass ihm nichts abgeht, es wird sich finden dass ich nicht so garstig sei wie Sie sich’s ausmalen.43

      Für Mizzi schien die Situation naturgemäß nicht einfach gewesen zu sein und auf ihre Nöte und Sorgen, die sie ihm brieflich mitteilte, reagierte Klimt wieder mit einem verzweifelten Apell, die schwierige Situation nicht zusätzlich zu belasten:

      So geht das nicht liebe Mizzi, wir müssen uns bessern, schönere Briefe schreiben als bisher, das sind ja die reinsten Selbstmörderbriefe, so geht das nicht.

      Wir machen das Ganze dadurch nicht besser, sondern schlechter.

      Das Brieflein, welches Sie mir schrieben zur Bestätigung des Empfanges der telegrafischen Anweisung, war nicht ohne Humor geschrieben, ich war erfreut darüber, war sofort besser gestimmt, ja es schien mir als wäre es wirklich und wahrhaftig Frühling, denn ich fühlte aus dem Briefe als wären Sie nicht so ganz, ganz unglücklich.

      Kurz war die kleine Freude, es kam der eine kurze Unglücksbrief, es kam der zweite Jammerbrief, ich war so unglücklich wie zuvor.

      Wir dürfen uns nicht solche Briefe schreiben, nicht so im Jammer wühlen und in schwärzesten Gedanken uns vergraben, wir werden beide ja ganz trübsinnig, nein das dürfen wir nicht, im Gegentheil, wir müssen uns so gut es geht, gegenseitig zu trösten suchen, einer milderen besseren Lebensauffassung Raum geben

      Wie wurde mein Brief missverstanden, oder habe ich mich schlecht ausgedrückt, der sollte doch ganz Anderes sagen, als Sie und Ihre Frau Mama herausgelesen haben! Sollte er doch sagen daß das ganze Verhältnis zu einander nicht fleischlicher Lust, nicht thierischer Gier entsprang.

      Es begann doch so ideal wie möglich, in reiner künstlerischer Verehrung der äußeren Erscheinung in reiner platonischer Zuneigung.

       Wollte Gott, es wäre dabei geblieben!

       Welchen Jammer hätten wir uns erspart liebe Mizzi!

       Wo war denn unsere ganze Sünde, vielmehr meine Sünde? daß ich Sie lieber hatte als ich sollte, dass ich Sie lieb hatte und Sie nicht lieb haben durfte!44

      Er ging auch hart mit sich selbst ins Gericht. Die erotische Ausstrahlung Klimts, der seine Triebhaftigkeit hier selbst verfluchte, wirkte nicht nur auf die einfachen Mädchen, die ihm Modell standen sondern auch auf seine bürgerlichen Klientinnen, wie etwa Friederike Beer-Monti. Mizzi gegenüber gestand er auch offen seine ungezügelten Triebe ein, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten brachten:

      Ich weiß nicht warum, oder weiß es und will’s nicht wissen, forschen sie nie danach, denn ich verlaufe mich dabei immer an die Grenzen meines Denkvermögens, meiner Vernunft, ohne jemals klar zu werden, weiß nur eines sicher, daß ich jedes schöne Weib, jedes schöne gute Weib meiden soll, nur schauen soll, von der Ferne schauen, und nichts Anderes.

      Es war immer Unglück, ob ich mich in Tugend hielt oder nicht.

       Ferne halten, zurück! Wäre die rechte Lösung, wer kann das, welcher Mensch?

       Das alles fühlte ich auch Ihnen gegenüber, immer und immer sagte mir die Stimme des Gewissens du sollst nicht, du sollst nicht!

      Nicht einmal sehen sollst du, um wie viel weniger mehr! Immer hatte ich die besten Vorsätze bei Ihrem Fernsein und immer zerstoben die guten Vorsätze in die Winde bei Ihrer Anwesenheit.

       Bis ich endlich in so furchtbarer Weise an die Vernunft gemahnt wurde …45

      Klimt mietete für Mizzi ganz in der Nähe seines Ateliers eine Wohnung in der Tigergasse 38, Tür 17, die sie zwei Wochen vor der Entbindung bezog. Hier erblickte sein Sohn Gustav am 1. September 1899 im Beisein einer Hebamme das Licht der Welt . Getauft wurde das Kind in der Kirche zu den sieben Zufluchten in der oberen Lerchenfelderstraße. Taufpate war der Gutsbesitzer und k. u. k. Truchsess Rittmeister Josef von Savinschegg, der sich allerdings bei der Zeremonie von Mizzis Vater Johann Zimmermann vertreten ließ.46

      Klimt wohnte nicht mit Mizzi zusammen. Seit dem Tod seines Vaters lebte er mit seiner Mutter und zwei Schwestern in einem gemeinsamen Haushalt in der Westbahnstraße 36.

      Wie seinen Briefen an Mizzi zu entnehmen ist, hatten ihn Miete und Einrichtung für Mizzis Wohnung im Vorfeld offensichtlich in finanzielle Bedrängnis gebracht:

       War in München, dort ein Schuld einzutreiben, leider wird sich die Sache verzögern, werde das Geld nicht gleich erhalten, vielleicht erst in Wochen, jedenfalls nicht die nächsten Tage, ich kann vorläufig nichts senden, von zu Hause habe ich mir knapp mitgenommen, ich habe sicher gerechnet, ich bringe von München das Geld gleich mit (hoffentlich dauert’s nicht allzu lange). Du wirst mit dem von mir erhaltenen nicht auskommen, der Zins muß gezahlt werden, es wird für die »Einrichtung« verdammt wenig überbleiben, vielleicht geht es doch die Einrichtung auf Raten zu nehmen auch wenn’s theurer ist, das längere Ausbleiben des Münchnergeldes bringt uns nun einmal in Verlegenheit.47

      Ab der Geburt des Kindes sandte Klimt nachweislich mehr oder weniger regelmäßig zwanzig Gulden, die er seinen Briefen beilegte. Dies scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein. Klimt war offensichtlich um Geheimhaltung bemüht und postalische Geldsendungen waren nicht unproblematisch:

      Trotz der gutgemeinten Warnung wähle ich wieder diesen Weg, ich habe Dir schon einmal erklärt warum ich dieß so mache. Man darf auch in einem recommandirten Brief kein Geld senden

       Es ist also noch mehr riskiert


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