Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
So etwas will ich nimmer hören! Es war doch nur ein Witz!«
»Naa, des war eigentlich eine gute Idee! Ich werde ernsthaft darüber nachdenken!«
»Tue das, aber jetzt holst mir Holz. Nun gehe schon!«
Sie lachten.
Toni eilte zum Holzplatz hinter die Berghütte und füllte den Holzkorb mit Scheiten. Er hatte sich schon einige Mal überlegt, einen Herd für die Berghütte zu kaufen, den man mit Propangas betreiben konnte. Aber Anna war strikt dagegen gewesen. Sie wollte es auf keinen Fall. Sie behauptete, dass Kuchen und Brot nicht mehr so gut schmecken würden und das Holzfeuer im alten Herd einfach zur Berghütte gehörte.
So hatte Toni den Gedanken verworfen. Er war nicht betrübt über Annas Ablehnung. Sie betrieben die Berghütte traditionell. Alles Neue würde einer Anpassung an die Moderne gleichkommen, und das wollte Toni nicht. Auf der anderen Seite sah er, wie schwer Anna arbeitete und wollte ihr die Küchenarbeit erleichtern.
*
Die Sonne versank im Westen hinter den Bergen. Die Gipfel, Schneefelder und Gletscher leuchteten in verschiedenen Gelbtönen und Rosa bis Glutrot. Der Himmel war wolkenlos. Es wehte eine kühle Prise.
Lotti hatte mehrere Stunden geschlafen. Sie stand auf und streckte sich.
»Bin ich ein Dussel und leichtsinnig dazu. Ich renne in die Berge ohne Proviant und was noch schlimmer ist, ohne Wasser! Lotti, das war sehr leichtsinnig!«, schimpfte sie mit sich selbst.
Gleichzeitig übte sie Nachsicht mit sich. Wer in meiner Lage hätte das nicht vergessen, sagte sie sich. Der Gedanke, in die Küche zu gehen und sich etwas einzupacken, war in ihrem Gedächtnis ausgelöscht worden, in dem Augenblick, als sie ihren Vater am Küchentisch hatte sitzen sehen.
Lotti hatte Durst und verspürte Hunger. Sie schaute sich den Notfallproviant in der Schutzhütte an. Er war, wie der Name schon sagte, für Notfälle gedacht. Ich bin kein Notfall, beschloss Lotti. Bis zur Berghütte ist es nicht mehr weit. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. In einer halben Stunde könnte sie die Berghütte erreichen, und bis dorthin hielt sie Durst und Hunger aus. Lotti fand in einer der Außentaschen ihres Rucksacks ein Bonbon, ein Überbleibsel ihrer letzten Bergtour, und lutschte es genussvoll. Sie schulterte ihren Rucksack und lief los.
Der Wind blies ihr ins Gesicht. Nach dem heißen Tag verhieß er Abkühlung und vielleicht auch Regen. Bald erreichte Lotti die Abzweigung und bog auf den schmalen Pfad ein, der sich eng zwischen zwei Felswänden hindurchschlängelte.
Plötzlich stand Sascha vor ihr.
»Hoppla!«, rutschte es Lotti heraus.
Sie errötete. Sie errötete noch mehr, als sie seine strahlenden Augen sah.
»Mei, Lotti! Des ist ja ein Überraschung.«
»Ja, das ist es! Da wohnen wir ganz in der Nähe voneinander und sehen uns dort nicht. Jetzt laufen wir uns hier über den Weg.«
»So ganz stimmt des net! Wir haben uns heute Morgen gesehen. Du bist mit dem Auto an mir vorbeigefahren. Hast es ziemlich eilig gehabt!«
Lotti seufzte.
»Ja, und jetzt habe ich es auch eilig. Ich will zur Berghütte. Habe Hunger und Durst!«
»Hast du deinen ganzen Proviant schon aufgezehrt? Man hat in den Bergen immer mehr Appetit.«
Lotti antwortete nicht. Sie fragte stattdessen:
»Wo willst du hin?«
»Ich war wandern und eigentlich auf dem Weg zurück.«
»Du kommst von dorther! Die Berghütte liegt hinter dir und nicht vor dir.«
»Ich weiß. Ich bin unterwegs umgedreht. Es sind noch so viele Tagesgäste auf der Berghütte, ein ziemlicher Trubel. Das mag ich nicht so. Da dachte ich mir, ich laufe noch ein Stück den ›Pilgerpfad‹ hinauf.«
»Trubel mag ich auch nicht so.«
Sascha schaute sie an. Verlegen rieb er sich das Ohrläppchen.
»Das hast du als Kind schon gemacht«, bemerkte Lotti.
»Daran erinnerst du dich?«
»Sicher, ich erinnere mich an alles.«
»Dann erinnerst du dich auch an unsere Kocherei?«
»Die ist mir unvergesslich. So übel hat es nicht geschmeckt!«
Sascha schaute sie an.
»Also zusammen kochen können wir hier nicht. Aber ich habe noch genug Proviant dabei. Darf ich dich einladen?«
»Gern, da sage ich nicht nein!«
»Schutzhütte oder ›Erkerchen‹?«
»Schutzhütte ist gut, ›Erkerchen‹ ist noch besser. Aber nur, wenn es dir nicht peinlich ist.«
»Warum sollte mir das peinlich sein?«
»Du weißt schon«, sagte Lotti leise.
Sascha tat, als hätte er es überhört. Er wusste, dass Lotti darauf anspielte, dass sich dort Verliebte trafen. Er drehte sich um und sie liefen hintereinander den schmalen Pfad bis zum ›Erkerchen‹.
Sascha ließ den Rucksack von den Schultern gleiten. Er reichte Lotti die Wasserflasche.
»Danke!«
Lotti setzte sie an die Lippen und trank.
»Mei, das tat gut!«
»Kannst sie ruhig austrinken!«
»Danke, es reicht, vielen Dank!«
Sascha lächelte. Er packte den Proviant aus.
»Ich habe noch ein Brot mit Wurst, es ist gute Schweinemettwurst und ein Käsebrot.«
Er hielt ihr beide hin.
»Schweinemettwurst!« Lotti musste sich schütteln. »Puh! Ich nehme Käse. Vielen Dank!«
Sie setzten sich und aßen. Sie sprachen kein Wort. Nachdem sie mit den Broten fertig waren, aßen sie zwei Äpfel.
Sascha warf Lotti immer wieder liebevolle Blicke zu.
»Was hast du?«, fragte sie.
»Ich finde es sehr schicksalhaft, dass wir uns getroffen haben. Musst wissen, dass ich schon den ganzen Tag an dich denke. Hoffentlich trete ich dir damit nicht zu nahe?«
»Warum solltest du?«
»Du könntest es für aufdringlich halten.«
»Schmarrn, mei, Sascha, wir kennen uns.«
»Sicher! Aber trotzdem bin ich verunsichert. Du hast auf meine SMS nicht geantwortet.«
»Du hast mir eine SMS geschickt? Von wem hast du meine Nummer? Hat dir die der Pfarrer Zandler gegeben? Du hast doch mit ihm über mich geredet. Er hat es mir gesagt.«
Sascha errötete. Es war ihm die Verlegenheit anzusehen.
»Naa, die Nummer habe ich net von ihm. Der Toni hat sie mir besorgt. Genauer gesagt, der Leo hat im Krankenhaus angerufen und deine Kollegin gefragt.«
»So!«
»Ja!«
Sie schauten sich an.
»Was hast du mir geschrieben?«
»Du hast meine Mail net bekommen?«
Lotti zuckte mit den Schultern.
»Ich habe noch net nachgesehen. Mein Handy ist abgeschaltet. Ich wollte meine Ruhe haben.«
Sie schauten sich wieder an.
»Jetzt muss ich net nachsehen, da wir uns getroffen haben. Jetzt kannst du mir sagen, was du geschrieben hast.«
»Mei, nix Besonderes. Der Pfarrer hatte mir angedeutet,