Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Wer net brav und gottesfürchtig ist, der kommt in die Hölle! Ist des vielleicht keine Drohung?«
»Träutlein, aus theologischen Fragen tust dich raushalten!«
»Ich hab’ nix gesagt. Ich hab’ für mich nur laut gedacht. Und Sie gehen jetzt! Wenn am Ende ein Unglück geschieht, weil Sie, statt dort nachzusehen, hier hin und her gelaufen sind, dann will ich Sie net jammern hören. Also raus jetzt! Sie stehen mir im Weg herum. Ich will den Flur putzen und staubsaugen.«
»Jetzt? Jetzt am Abend?«
»Ja, Herrschaftszeiten – jetzt! Sie reden mir net in meine Arbeit und ich net in Ihre. Aber Sie machen jetzt, dass Sie fortkommen!«
Helene Träutlein hielt Pfarrer Zandler die Tür auf. Er gab sich geschlagen. Den Regenschirm stellte er wieder in den Schirmständer. Er warf Helene Träutlein noch einen ungnädigen Blick zu und ging.
»Endlich! Dank dir schön dort oben!«, sagte Helene laut.
Sie ging zum Telefon und rief die Tierärztin Beate Brand an.
»Hallo, Beate, hier, Helene Träutlein! Ich will dir nur sagen, dass der Pfarrer auf dem Weg ist. Wohin? Des wirst du besser wissen als ich. Mir hat er nix gesagt. Aber es ist wegen der Sache, wegen der ihr den ganzen Tag schon so oft miteinander geredet habt.«
»Danke, Helene! Dann werde ich auch hinfahren, sobald ich mit dem Notfall hier fertig bin.«
»Hast einen Notfall?«
»Ja, ein Autofahrer hat mir einen verletzten Hund gebracht, den er auf der Autobahn gefunden hat, auf einem Rastplatz.«
»Ist er schwer verletzt?«
»Nein, den bekomme ich schon wieder hin, und der Finder behält ihn. Seine ganze Familie ist vernarrt in den kleinen Wuschel. Dem wird es für den Rest seines Lebens gut gehen.«
»Freut mich! Des ist ja einmal etwas Schönes. Sonst hört man ja nur von Katastrophen. Endlich mal ein Happy End, wie man sagt. Des tut gut! Pfüat di, Beate.«
»Pfüat di, Helene!«
Nach diesem Telefongespräch fühlte sich Helene Träutlein besser. Sie kochte sich erst einmal einen schönen Tee.
Es war schon dunkel, als Pfarrer Reiner Zandler auf dem Kirchner Hof ankam. Nirgends brannte Licht. Zandler rief mehrmals nach Herbert Kirchner. Er bekam aber keine Antwort.
Zandler drückte die Klinke der Haustür herunter. Die Tür war nicht verschlossen. Der Pfarrer trat ein, machte Licht, zuerst im Treppenhaus, dann in der Küche. Nach und nach durchsuchte er alle Räume und rief immer wieder nach dem Bauern. Er erhielt keine Antwort.
»Vielleicht ist er im Garten?«, sprach der Geistliche sich selbst Mut zu.
Allmählich machte er sich Sorgen. Er sah im Garten nach, wusste er doch, dass viele sich abends zum Ausklang des Tages auf die Bank vor dem Haus oder in den Garten setzten. Aber er fand den Bauern auch nicht im Garten. Jetzt war Zandler sehr beunruhigt. Er war froh, als Beate in ihrem Geländewagen auf dem Kirchner Hof hielt.
»Grüß Gott, Herr Pfarrer! Die Helene hat mich angerufen. Sie dachte wahrscheinlich, Sie könnten ein bisserl Unterstützung gebrauchen. Haben Sie schon mit Kirchner geredet?«
»Die Träutlein hatte wohl so eine Ahnung. Naa, ich konnte noch net mit ihm reden. Er ist entweder net da oder er hat sich vor mir versteckt. Im Haus hab’ ich schon nachgeschaut und im Garten auch – nix!«
»Gut, dann gehen wir in den Stall und die anderen Räume! Ich wollte ohnehin nach den jungen Ferkeln sehen.«
Sie gingen los. Beate, die sich in den Ställen gut auskannte, ging voraus, Pfarrer Zandler folgte ihr. Herbert Kirchner war weder im Stall noch im Büro. Sie begannen, die Nebenräume zu durchsuchen.
»Herr Pfarrer, da ist er!«, rief Beate laut.
Pfarrer Zandler eilte herbei.
»Der Himmel stehe uns bei!«, sagte er.
Er und Beate blieben erst einmal wie angewurzelt stehen. Es bot sich ihnen ein Anblick des Grauens. Herbert Kirchner lag halb auf Futtersäcken, halb auf der Erde. Um ihn herum waren überall Kisten mit leeren Bierflaschen und leere Obstlerflaschen auf dem Boden verstreut. Es stank nach Bier, Obstler und anderen Gerüchen. Kirchner regte sich nicht.
»Atmet er noch?«, fragte der Geistliche.
Er hatte in seinem Leben schon viel gesehen, aber das war doch ein Schock für ihn.
Die Tierärztin trat näher. Sie betrachtete Kirchner, hob ihm die Augenlieder an. Sie sprach ihn an. Kirchner reagierte nicht.
»Der ist sternhagelvoll!«, sagte Pfarrer Zandler.
»Ja, der hat eine Alkoholvergiftung! Das kann ich sogar als Tierärztin diagnostizieren.«
Beate riss das Handy aus der Gürteltasche und rief Doktor Martin Engler an.
»Hallo, Martin, hier Beate! Wir brauchen hier sofort Hilfe! Pfarrer Zandler und ich sind auf dem Kirchner Hof. Komme sofort mit dem Saniwagen. Akute, lebensgefährliche Alkoholvergiftung, meine vorläufige Diagnose!«
»Bin schon unterwegs!«, war Martins knappe Antwort.
Dann knackte es in der Leitung.
Nicht einmal eine Minute später brauste Doktor Martin Engler im neuen Krankenwagen durch Waldkogel.
Die Sirene schallte weit durch die Berge. Es war eine Erlösung, als sie endlich verstummte.
»Er liegt hinten in einem Lagerraum!« empfing Beate Martin auf dem Hof.
Er fuhr noch ein Stück weiter vor, bis direkt vor das Stallgebäude. Dann brachte er mit Beate die Trage hinein. Sie legten Hartmut Kirchner auf die Trage. Martin Engler prüfte Puls, Blutdruck und Atmung.
»Himmel, des schaut net gut aus! Wollte der sich mit dem Zeugs umbringen? Sonst trinkt der Kirchner doch net!«
Beate und Pfarrer Zandler warfen sich Blicke zu. Sie packten zu dritt an und trugen ihn in den Krankenwagen. Dort gab Martin ihm Sauerstoff und legte ihm eine Infusion. Er pumpte ihm den Magen aus, aber der Alkohol war offensichtlich schon ins Blut übergegangen. Martin schloss weitere Infusionen an und ließ die Flüssigkeit schnell einlaufen, damit das Blut rasch verdünnt wurde.
»Wir bringen ihn zu mir in die Praxis! Kannst du fahren, Beate?«
»Ja, bleib du bei ihm hinten im Auto! Pfarrer Zandler, Sie können meinen Geländewagen nehmen! Der Schlüssel steckt!«
Beate setzte sich hinter das Lenkrad des großen Krankenwagens. Sie wendete und fuhr wieder mit Blaulicht, aber dieses Mal ohne Sirene zur Martins Praxis.
Martin hatte übers Handy seine Frau verständigt. Sie hatte sofort ein Bett in ihrer kleinen Notfallkrankenstation hergerichtet und wartete an der Praxistür. Katja, die zwei Berufe gelernt hatte, Krankenschwester und Physiotherapeutin, packte mit an. Pfarrer Zandler und Beate sahen, welch guteingespieltes Team die beiden waren. Er bekam weitere Infusionen, denen Doktor Martin Engler Medikamente beimischte. Er wurde an ein EKG-Überwachungsgerät angeschlossen.
Es dauerte über zwei Stunden, bis sich Martins Gesichtszüge entspannten.
»Er wird durchkommen«, sagte er leise.
»Martin, ich bleibe bei ihm«, flüsterte Katja. »Ich lasse ihn noch etwas schlafen.«
Martin nickte seiner Frau zu und ging mit Pfarrer Zandler und Beate hinaus.
Sie tranken in der Küche erst mal einen Obstler. Wally, die im Altenteil des Hofes wohnte, kam herüber. Sie hatte dem Doktor und seiner lieben jungen Frau den Hof überschrieben gegen eine kleine Leibrente und dem Versprechen, nie ins Krankenhaus nach Kirchwalden gebracht zu werden.
»Walli, geh und helfe der Katja ein bisserl!«, bat sie Martin.
Sie nickte und ging davon.
»So,