Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
fragte der Spieler unterwegs.
»Ja, ich glaube es. Er hat eigentlich keine Wahl, Doc. Wenn er uns verrät, ist er den Galgenmännern ausgeliefert. Und wie die ihn behandeln, hat er ja erlebt.«
Mesha.
Es lag im Grauen des Novembermorgens da, eingehüllt in Nebeldunst. Die Schwaden standen bis in die Mainstreet hinein und zogen wattige Schleier vor die Häuser.
Wyatt Earp und Doc Holliday hatten ihre Pferde in einer Seitengasse zurückgelassen und waren vorsichtig bis zur Mainstreet hinaufgegangen.
Oben an der Gassenmündung blieben sie stehen.
Und was von dieser Minute an geschah, spielte sich alles derart schnell ab, daß die Dynamik dieses Geschehens nur schwer in Worte zu fassen
ist.
Die beiden sahen sofort dort drüben auf dem Vorbau des schmalbrüstigen Saloons den Mörder Sunriser stehen.
Er wartete. An einen Vorbaupfeiler gelehnt, blickte er die Mainstreet hinauf nach Osten.
Er wartete also auf den entstellten Galgenmann.
Also hatte er Anweisung bekommen, auf ihn zu warten.
Und dann war auch schon der Hufschlag Bludschuns zu hören.
Er trabte die Straße hinunter, wurde dann langsamer, und plötzlich sah er den Mann vom Vorbau herunterkommen.
Bludschun hielt sein Pferd an.
Sunriser stand zehn Yard oder neun Yard vor ihm auf der Straßenmitte.
»He, Tiermörder! Weißt du nicht, daß du unerwünscht bist!« rief der wirkliche Mörder dem Mann zu, den er zu den Graugesichtern gepreßt hatte.
Bludschun antwortete nicht.
Da flog Sunrisers Hand zum Revolver.
Wyatt Earp und Doc Holliday hatten gleichzeitig gezogen und den Hahn gespannt.
Aber in diesem Augenblick krachte drüben vom halboffenen Tor der Schmiede her ein Schuß.
Sunriser sackte zusammen.
Drüben trat der bullige Schmied aus der Werkstatt. Er hatte das rauchende Gewehr noch in der Hand.
Verblüfft blickte er auf die beiden Dodger, die schräg gegenüber in der Gassenmündung standen. Inzwischen hatte er erfahren, daß der vermeintliche Galgenmann niemand anders als Wyatt Earp war.
»Marshal«, keuchte der Hüne und ließ das Gewehr fallen. »Es war Notwehr! Ich wollte Bludschun retten. Der Hund hätte ihn doch erschossen. Ich konnte doch nicht ahnen, daß Sie und der Doc…«
Wyatt Earp und Doc Holliday wandten sich um und gingen zu ihren Pferden.
Sie verließen die Stadt. Aber sie würden wiederkehren.
Jetzt jedoch gab es Wichtigeres zu tun. Es galt, den Kapuzenmännern oben in Casa Grande zuvorzukommen.
Casa Grande. Eine Stadt mit tausend Einwohnern. Die Mainstreet verlief gerade von Westen nach Osten. Genau in ihrer Mitte lag die Arizona-Bank. Ein zweigeschossiges Gebäude aus rotem Stein.
Seit siebenundzwanzig Jahren gehörte es James Cornfelder. Der Bankier war der Sohn deutscher Einwanderer, die vor einem Vierteljahrhundert im Kampf gegen die Apachen umgekommen waren.
Cornfelder, ein Mann in der Mitte der Fünfziger, hatte sich von der Pike auf hochgearbeitet. Er war ein rechtschaffener Mann, der Geld an die Rancher verlieh und sich damit ein Vermögen gemacht hatte. Die Arizona-Bank von Casa Grande besaß einen so guten Ruf wie kaum eine andere Bank in ganz Arizona. Wer Geld brauchte und Land besaß, der war bei Cornfelder immer richtig.
Und der Bankier war kein Halsabschneider. Es gab im Territorium gewiß mehr als zwei Dutzend Menschen, die ihre Schulden bei dem Bankhaus Cornfelder niemals hatten begleichen können. Ganz zu schweigen von denen, die mit ihrer Schuld ins Grab gesunken waren. Dennoch war James Cornfelder ein lebensfroher Mensch geblieben, der seine Großzügigkeit niemals verloren hatte. Vielleicht war es das, was seinem Namen einen so dauerhaften Klang verliehen hatte. Denn es kamen nicht nur – wie anfangs – die kleinen Rancher zu ihm, sondern mehr und mehr fanden sich auch die großen ein, um ihre Gelder bei ihm zu deponieren, und das brachte natürlich den großen Erfolg.
An dem Tag, an dem unsere Geschichte beginnt, war Cornfelder gerade vierundfünfzig Jahre alt geworden.
Seine Frau stand morgens, als er gefrühstückt hatte, vor ihm im Korridor, bürstete seinen Samtkragen und den Rücken seines schwarzen Gehrockes sauber und blickte ihn wohlgefällig an.
»Mach es dir heute nicht so schwer, James. Sieh zu, daß du mittags wieder nach Hause kommen kannst. Wir wollen ein wenig feiern. Die Kinder sind alle im Haus, und Emy und Joseph kommen auch.«
Der Mann nickte versonnen. Ja, er würde mittags zu Hause sein, denn er freute sich, daß seine Tochter Emy und sein Schwiegersohn Joseph, die beide unten in Tombstone einen großen Mietstall führten, zu Besuch kommen würden. Er setzte seinen steifen schmalen Californiahut auf, nickte seiner Frau zu, nahm seinen Stock und verließ das Haus, das am westlichen Stadtrand lag und von einem schmucken Vorgarten umgeben wurde.
Trotz des vorletzten Novembertages war der Himmel von einer strahlenden tiefen Bläue überzogen. Die Sonne schien warm von Osten her in die Mainstreet. Rotgoldene Strahlenbündel brachen sich an den Vorbaubalken und warfen lange, schwere Schatten.
Cornfelder ahnte nicht, als er in das gleißende Licht der Sonne sah, was für ein grausamer Tag damit anbrach.
Und dabei war alles so wie sonst.
Jimmy Garfield, der eine Lebensmittelhandlung hatte, stand in der Tür und grüßte ihn, wie jeden Morgen. Auch die alte Mrs. Baxter, die um diese Zeit schon ihre Brötchen verkauft hatte, nickte ihm freundlich zu. Ebenso der Blacksmith, der alte bucklige Sattler, der kleine Fleischer und die Frau, die im Post Office saubermachte.
Auch Jonny Marlove, der grauhaarige Sheriff, der um diese Zeit sein Office zu verlassen pflegte, um seinen ersten Stadtrundgang zu machen, nickte ihm freundlich zu, während er sein Bureau abschloß.
Hier hinterm Office überquerte Cornfelder die Straße und hielt auf das Bankhaus zu.
Der alte kahlköpfige Brinkmann öffnete ihm wie jeden Morgen die Tür, nahm Cornfelders Hut und seinen Stock.
»Guten Morgen, Sir.«
»Guten Morgen, Mr. Brinkman.«
Der kleine Billy Ovarim, der seit einem halben Jahr in der Bank arbeitete, machte einen Diener, und Cornfelder fuhr dem Stift durch den Wuschelkopf.
»Wie wär’s denn mal mit Kämmen, Billy?«
»Jawohl, Sir«, antwortete der Bursche und beeilte sich, daß er mit seinem Papierkorb in den Hof kam.
Cornfelder blickte zu den drei Schaltern hinüber und hob grüßend die Hand zu den drei Männern, die da arbeiteten. Dann ging er auf die Tür seines Privatbüros zu.
Was er jetzt wohl gesagt hätte, der Bankier James Cornfelder, wenn ihm irgend jemand erklärt hätte: die Galgenmänner sind da! Sie sitzen da hinter der Tür deines Bureaus und warten seit Stunden auf dich! Sie sind in der Nacht gekommen. Sie wollen dein Geld. Nicht nur deine Dollars, sondern alle Dollars, die sich in deinen Tresoren befinden. Sie sind fest entschlossen, ihren Vorsatz durchzuführen. Um jeden Preis. Auch um den Preis deines Lebens.
Die Tresore sind alle so stark und widerstandsfähig, daß man sie niemals sprengen könnte, ohne großen Lärm zu verursachen. Du allein trägst die Schlüssel zu diesen Tresoren. Deshalb warten sie auf dich.
Ganz sicher hätte der Bankier verwundert aufgeblickt und dann lächelnd den Kopf geschüttelt. Nein, so etwas gibt es nicht, hätte er dann wohl geantwortet. Nicht