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so.
Drinnen im Office warteten drei Männer auf ihn. Sie trugen graue Gesichtstücher.
Der erste war der achtunddreißigjährige Joe Hacatt, ein ehemaliger Hilfssheriff aus Brandy Town, der wegen Untreue aus dem Amt verjagt worden war.
Neben ihm saß der einunddreißigjährige Ben Ferguson aus Oklahoma City, ein Gescheiterter, der aus einer guten Familie stammte und eine Zeitlang drüben in New York und Chicago Medizin studiert hatte.
Als er vor drei Jahren einmal wieder seine Heimatstadt Oklahoma City besuchte und im Hause seiner Eltern wohnte, wurde am Stadtrand ein Mädchen gefunden, das auf bestialische Weise ermordet worden war. Zunächst wäre niemand darauf gekommen, daß Benny Ferguson der Mörder gewesen sein könnte. Aber dann hatte Ferguson sich selbst verraten.
Es war an einem Apriltag gewesen, als der bekannte Texaner Luke Short nach Oklahoma City kam. Er traf in Hymans Saloon auf Ferguson, und der war etwas angetrunken. Als er den Texaner erkannte, floh er zum Ausgang, wandte sich da um und schoß. Nur seinem brillanten Reaktionsvermögen hatte es der hünenhafte Texaner zu verdanken, daß er unverwundet blieb: Er schoß dem Medizinstudenten den Revolver aus der Hand.
Ferguson hatte die Stadt sofort verlassen. Und damit hatte er das Mißtrauen des texanischen Abenteurers nur noch vergrößert. Luke Short, der ebenso wie Wyatt Earp und Doc Holliday oft erlebt hatte, daß bei seinem Auftauchen ein Bandit in Panikstimmung geriet, ging zum Sheriff und hörte dort von dem Mord an der siebzehnjährigen Jenny Lonegan.
Der Texaner ging ins Totenhaus und ließ sich die Leiche des Mädchens zeigen. Dabei machte er eine seltsame Entdeckung: Die Tote war nicht etwa willkürlich verstümmelt worden, sondern die Leichenteile verrieten die »kundige« Hand eines Chirurgen.
Luke Short wußte aus der Kneipe, daß der Mann, der auf ihn geschossen hatte, in Chicago Chirurgie studiert, aber sein Studium nicht beendet hatte. Sehr rasch hatte der Tex festgestellt, daß Ferguson Jenny Lonegan gekannt hatte und auch jetzt während seines Aufenthaltes in der Stadt abends mit ihr gesehen worden war. Auch am Abend vor der Tat.
Es bestand nun kein Zweifel mehr für den Texaner, daß Ferguson der Mörder der jungen Jenny Lonegan war.
Ferguson verschwand spurlos, und der Steckbrief, den der Distriktmarshal gegen ihn ausgab, lief heute noch in sechs Staaten.
Das war der zweite Mann, der in Cornfelders Bureau wartete.
Der dritte war mittelgroß, hager und höchstens dreiundzwanzig Jahre alt. Es war der einstige Cowboy Frederic Capite. Jeder, der Arizona kannte, mußte bei diesem Namen aufhorchen, denn Frederic Capite gehörte zu der berühmten Familie der Capites, die in Arizona gewaltige Ranches hatten und heute noch haben… Heute noch, im Jahre 1964, ist der Makel, den dieser Mann über die sonst so angesehene Familie gebracht hatte, nicht getilgt.
Fred Capite durfte für sich in Anspruch nehmen, gleich hinter den berühmt-berüchtigten großen Tombstoner Desperados zu rangieren. Noch heute ist in seiner Heimat Flaggstaff ein Lokal nach ihm benannt, und voller Grusel betrachten die Gäste die Erinnerungsstücke an diesen Mann: einen zerschossenen Hut, einen Waffengurt, zwei schwere Smith & Wessons Revolver, ein altes, texanisch abgestepptes Stiefelpaar und einen Sattel. Man weiß sonst nicht genau, ob alle Souvenirs wirklich von den Menschen stammen sollten, aber hier weiß man es ganz bestimmt, denn der Wirt ist sein Neffe Joe, der die »Hinterlassenschaft« von Fred Capite aufbewahrt hat und sogar stolz darauf ist. So etwas ist eigentlich nur in Amerika möglich, und mancher, der vor diesen Dingen steht, wird sich seine eigenen Gedanken darüber machen…
Joe Hacatt, Ben Ferguson und Frederic Capite standen am 29. November 1883 im Privatkontor des Bankiers James Cornfelder in Casa Grande. Drei Verbrecher, drei Männer, die sich den »Graugesichtern« angeschlossen hatten. Desperados, die zu einem großen Schlag ausholen wollten und deshalb zu allem tödlich entschlossen waren.
Sie hatten ihren Schlag gründlich vorbereitet, die Galgenmänner. Und Wyatt Earp, dem es zusammen mit Doc Holliday gelungen war, der Versammlung der gefährlichen Verbrecherorganisation am Roten See unerkannt beizuwohnen, hatte keineswegs alles erfahren, was geplant war. Der Schlag im Casa Grande, dem ein noch größerer in unmittelbarer Nähe folgen sollte, war längst bis aufs kleinste vorbereitet. Und sowohl in Casa Grande als auch bei dem Coup, der am darauffolgenden Tag erfolgen sollte, waren nur Anführer der Graugesichter beteiligt. Die drei Männer im Bureau des Bankiers waren keineswegs bedeutungslose kleine Tramps, die nur irgendeine Funktion bei einem großen Coup zu erfüllen hatten.
Und sie waren nicht allein in Casa Grande. Schräg gegenüber im Digger Saloon saßen zwei Männer am Fenster und blickten wie in Gedanken auf die Straße. Es waren Harry Averhof und Jubal Cadd. Sie beobachteten die Straße und hatten dafür zu sorgen, daß draußen alles in Ordnung war.
Links neben dem Bankhaus in der schlauchengen Schenke. »Zur ewigen Lampe« hockte vorn an einem einzelnen Tisch der texanische Revolverschwinger Robert Gibson. Es war ein langer, schlaksiger Mensch im schwarzen Habit des Spielers, mit gipsigem, kalkigem Gesicht und stechenden Augen. Auch er war ein Führer der Galgenmänner. Aber er trug keine Maske, ebenso wenig wie Cadd und Averhof.
Genau gegenüber dem Sheriffs Office lag Jimmy Cromwells Hardware Shop. Vor dem Vorbau stand ein kleiner zweispiegeliger Planwagen, dessen Pferde an einer Krippe fraßen. Unter der Plane hockten der neunundzwanzigjährige Bandit Egon Jackfink. Er war vor Jahren aus dem fernen Deutschland ausgewandert, wo er sich mehrerer Verbrechen schuldig gemacht und eine Frau und vier Kinder zurückgelassen hatte. Auch er war ein Anführer der Galgenmänner aus dem Distrikt von Yuma.
Sieben Galgenmänner sicherten den großen Schlag von Casa Grande in unmittelbarer Nähe ab.
An beiden Eingängen der Stadt, also dort, wo im Osten und im Westen die Mainstreet in den Sand der Savanne hinausführte, warteten noch je zwei Männer. Im Osten standen die beiden O’Keefes, und am Westausgang der Stadt warteten der lange Tony Marten und der kleine krummbeinige Willie Brand.
Es waren also insgesamt elf Männer, die den großen Coup von Casa Grande durchzuführen hatten.
Die Aktion der Galgenmänner wurde geleitet von dem texanischen Schießer Rob Gibson, dem Mann, der mit steinernem Gesicht an dem kleinen Ecktisch am Fenster der »Ewigen Lampe« saß. Er starrte auf seine knotigen Hände. Viele tausend Dollars hatte er mit diesen Händen gemacht. Teils mit dem Colt, teils mit gezinkten Karten.
Gibson war ein Schießer, der in mehreren Distrikten von Texas und New Mexico gefürchtet war. Er war der erste, der hier nach Casa Grande gekommen war, um den Coup vorzubereiten. Es mußte alles klappen.
Und wenn Cornfelder nicht kommen sollte, dann wäre es seine Aufgabe gewesen, ihn zu holen. Jedenfalls die Schlüssel zu den Stahltresoren, in denen das Geld aufbewahrt wurde. Aber James Cornfelder war ja gekommen. Gibson, der ihn vom Ansehen kannte, hatte ihn das Bankhaus betreten sehen.
Auch Cadd und Averhof hatten ihn gesehen; ebenso Egon Jackfink, von seinem Planwagen aus; und Tony Marten und Willie Brand von ihren Posten vom Stadteingang aus.
Der Coup rollte.
Die Tür des Bureaus war zum Schalterraum hin verschlossen, so daß die drei Verbrecher keine Gefahr liefen, vorzeitig entdeckt zu werden.
Sie waren in der letzten Nachtstunde durch den Nebenraum eingedrungen und hielten sich seitdem hier auf.
Hacatt saß auf Cornfelders Platz hinterm Schreibtisch in dem großen Ledersessel und hatte seine behaarten Fäuste auf der Schreibtischplatte liegen. Ferguson stand links neben der Tür, und Capite hatte sich auf der rechten Seite postiert. Zum Greifen nahe hätten die beiden Banditen gestanden – wenn Cornfelder oder der kahlköpfige Brinkman durch die Wände hätten fassen können.
Cornfelder griff mit der Linken in die untere Westentasche, zog den Schlüssel zu seinem Bureau hervor und schob ihn ins Schloß. Langsam und ohne Hast öffnete er die Tür auf – und sah sich einem Mann mit einem grauen Gesichtstuch gegenüber, der ihm einen Revolver entgegenhielt.
»Vorwärts, kommen Sie rein, und schließen Sie die Tür hinter sich.«
Cornfelder