Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
verfügbaren Leute der Gegend zusammenziehen würde. Da war anzunehmen, daß man in der Gegend außerhalb der Fünfzigmeilenzone nicht eben allzu wachsam sein würde. Auf diesen Gedanken konnte allerdings nur ein Mensch wie der Chief der Galgenmänner kommen.
»Wenn ich mir vorstelle«, meinte der Georgier in die Stille hinein, »daß die Halunken jetzt vielleicht oben in Phoenix vor dem Armee-Depot hängen, und wir stecken hier weit im Südosten, dann könnte ich lachen.«
Leider ist es nicht ausgeschlossen, daß sie in Phoenix sind, oder in Chandler oder sonstwo. Ich bin hierhergeritten, weil sie auch in Marana sein könnten. Und Marana ist nicht von mir gewarnt worden.«
Es stand für die beiden Reiter fest, daß sie vor keiner leichten Aufgabe standen. Bei allem, was sie von nun an taten, gingen sie von der Annahme aus, daß der Coup hier in Marana gelandet werden könnte. Sie mußten also alle Vorsicht walten lassen. An jeder Ecke und hinter jedem Baum konnte ein Galgenmann stehen, den der Big Boß dort postiert hatte. Wenn auch der Boß der Bande nicht mit dem Besuch des Marshals Earp in Marana rechnete, so genügte doch ein einziger seiner Leute, um die beiden Dodger aus irgendeinem Hinterhalt heraus mit dem Revolver aufzuhalten und niederzustrecken.
Die Freunde ritten zusammen nach Südosten davon, um die Talmulde herum einer kleinen Waldung entgegen, die am Ostrand der Stadt lag und die ihren größtmöglichsten Schutz bis in die nächste Nähe der Stadt bot.
Die kleine Waldung ging bis auf etwa hundert Yards an den Stadtrand heraus.
Wyatt Earp und Doc Holliday brauchten anderthalb Stunden, bis sie wußten, daß die Waldung unbesetzt war.
Das sprach nicht unbedingt dafür, daß es keine Galgenmänner in Marana gab.
Sie hätten es nicht nötig gehabt, noch Posten in den Wald zu stellen, da es völlig genügte, einen Mann so zu postieren, daß er den Waldsaum beobachten und jeden, der ihn verließ, mit dem Gewehr aufhalten konnte.
Die beiden waren von ihren Pferden gestiegen und standen etwa dreißig Yards vom Waldsaum entfernt.
Es war eine sternklare Nacht. Sie sahen die ersten Häuser der Stadt drüben deutlich vor sich.
»Hätten wir uns nicht am besten getrennt?« meinte der Georgier. »Ich hätte es ja von der anderen Seite versuchen können.«
»Nein, von der anderen Seite ist es zu gefährlich. Da können sie den Weg auf die Stadt zu eine Meile lang einsehen. Wir kämen niemals heran. Hier allein haben wir eine kleine Chance.«
»Aber doch nicht mit dem Pferd.«
»Nein, natürlich nicht. Die Tiere müssen wir hierlassen.«
»Und wie wollen Sie hinüber zu den Häusern kommen?«
Der Marshal deutete auf einen Creek, dessen silbernes Band durch die Bäume schimmerte.
»Da unten ist unser Weg. Wir werden am Bachufer entlang auf die Stadt zukriechen. Da der Bach so klein ist, daß er nicht einmal mit einem Boot befahren werden kann, haben die Banditen keinen Grund, ihn zu bewachen. Sie werden kaum annehmen, daß jetzt jemand darin herumkraucht.«
Sie brachten die beiden Hengste in einem Gebüsch unter und näherten sich geduckt dem Ufer des Creeks, das dicht hinter dem Waldsaum lag.
Als sie die letzten Bäume verließen, hatten sie sich so tief zu Boden geduckt, daß sie nicht so leicht gesehen werden konnten.
Wyatt Earp war zuerst über die Uferböschung verschwunden. Der Spieler folgte ihm sofort.
Dann blieben sie lauschend stehen.
Als alles still blieb, gingen sie geduckt weiter.
Der Creek, der sich hier glücklicherweise ein Bett von anderthalb Yards Tiefe in den Boden gefressen hatte, war wie ein Graben, durch den sie sich den Häusern nähern konnten. Sie kamen rasch vorwärts. Als sie aber bis auf dreißig Yard an den ersten Stallbau herangekommen waren, mußten sie feststellen, daß der Bach nach Nordosten abbog.
Wyatt Earp lugte über die Uferböschung und wartete. Als nirgends ein verräterisches Geräusch zu hören und auch kein Mensch zu sehen war, zog er sich vorsichtig über den Uferrand und schlich tief am Boden hin auf die Scheune zu, an deren Rückwand er stehen blieb.
Mit stiller Bewunderung sah er den Georgier näherkommen, der sich ebenso lautlos auf die Scheune zubewegte.
Da standen sie dicht nebeneinander an die Holzwand gepreßt und lauschten in die Nacht von Marana.
Vielleicht war alles umsonst, was sie hier taten. Vielleicht waren die Graugesichter ja fünfzig oder mehr Meilen von hier entfernt längst am Werk.
Aber das konnte die beiden Männer nicht hindern, weiterhin mit größter Vorsicht in die Stadt einzudringen.
Geduckt schlichen sie um die Scheune herum. Wyatt, der voranging, blickte über eine mannshohe Mauer in einen Hof.
Da drüben schien alles still zu sein.
Er jumpte hinüber und blieb sofort stehen, den Revolver in der Hand.
Nichts rührte sich. Da folgte ihm der Spieler.
Sie überquerten den Hof und verließen ihn drüben durch eine halboffen stehende Pforte, die nur noch in einer Angel hing.
Es dauerte fast eine Dreiviertelstunde, bis sie unter einem Vorbau kriechend die Mainstreet erreicht hatten.
Hier unten waren sie so leicht nicht zu entdecken. Holliday hatte keine Rücksicht auf seinen eleganten Anzug genommen bei diesem Weg.
Lauschend lagen die beiden Männer nebeneinander und beobachteten die Mainstreet.
Auch dort blieb jedoch alles still.
Wyatt Earp brachte seinen Mund dicht an das Ohr des Georgiers und flüsterte: »Wir müssen schon eine Weile hier warten. Wenn wirklich Posten hier stehen, dann werden wir schon etwas von ihnen bemerken.«
Der Gambler nickte.
Sie ließen eine gewisse Zeit verstreichen. Dann gab der Marshal das Zeichen zum Aufbruch. Sie krochen zurück und verließen ihren unbequemen Schacht in einer Seitengasse neben einer Treppe.
Auch hier blieben sie zunächst lauschend stehen, ehe sie sich weiterbewegten.
Eine Viertelstunde später hatten sie durch eine Quergasse und mehrere Höfe eine andere Stelle der Mainstreet erreicht, und zwar auf die gleiche Weise wie vorhin; nämlich unter einem, hier allerdings ziemlich niedrigen Vorbau kriechend.
Aber auch hier schien alles ruhig zu sein.
Vielleicht hatten die Banditen ja gar nicht die Absicht, den Überfall in der Nacht zu starten. Wie sie ja auch in Casa Grande den wirklichen Überfall am Tage ausgeführt hatten, wenn sie auch schon im Morgengrauen in die Bank eingestiegen waren.
Hier gab es nicht nur einen Tresor zu knacken, sondern ein Haus zu sprengen, das von der Railway Company gesichert war wie das Gebäude, das den Staatsschatz der Staaten in Washington beherbergte. (Heute ist der Staatsschatz in dem berühmten Fort Knox untergebracht, das von mehreren Sicherheitsgürteln und Wäldern umgeben ist. Und bis heute wurde es noch von keiner Bande angegriffen. Es gilt als todsicher.)
Wyatt Earp deutete über die Straße und wies auf einen zweigeschossigen wuchtigen Steinbau.
»Ich bin nicht sicher, ob das das Depot der Company ist, aber es sieht ganz so aus. Es ist ein ziemlich neuer Bau, und er ist aus Steinen errichtet. Und da die anderen Häuser hier alle aus Holz sind, müßte dies das Depot sein.«
Wartend kauerten die beiden Männer unter dem Vorbau und fixierten das Haus.
Vielleicht kamen die Galgenmänner wirklich am Tage, wenn sie überhaupt kamen.
Es war natürlich ausgeschlossen, die ganze Nacht über hier unter dem Vorbau der feuchten Erde liegen zu bleiben. Obgleich es ein ausgezeichneter Beobachtungsplatz war, vor allem, da der Vorbau zur Straße hin eine Decke von senkrecht angenagelten Brettern hatte, die nur hin und wieder