Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
Im Morgengrauen hörten sie Schritte im Hausgang.
Die Tür des Flurs wurde geöffnet. Zwei Männer standen in ihren Rahmen.
Wyatt Earp und Doc Holliday sahen sie.
»Ich bin der Wirt«, meinte der ältere, »das ist mein Bruder. Wir haben gehört, daß Sie in der Stadt sind, Marshal. Und was hier los sein soll.«
Die beiden kamen ans Fenster.
Wie geschehen konnte, was dann geschah, war dem Marshal später selbst unklar.
Es waren nicht nur zwei Männer, die den Schankraum betraten, sondern vier. Wyatt Earp und Doc Holliday konnten sie im Dunkel kaum sehen und hatten den Blick auch wieder hinaus auf die Straße gerichtet, um das Depot nicht aus den Augen zu lassen.
Plötzlich wurden sie jeder von zwei Männern gepackt, am Hals gewürgt und zurückgerissen.
Es gelang dem Marshal zwar noch, den einen mit einem gewaltigen Ellbogenstoß zurückzustoßen und den anderen nach vorn zu werfen, aber schon erhielt er von einem weiteren Gegner einen fürchterlichen Schlag über den Kopf, der ihn zurückschwanken und niederstürzen ließ.
Doc Holliday war wie ein Wiesel herumgefahren. Er hatte beide Revolver in den Händen. Mit dem Lauf der rechten Waffe traf er den Hals eines seiner Gegner. Aber es war schon zu spät. Sie waren von allen Seiten umringt und wurden niedergerissen.
Der Marshal war nicht lange, aber doch lange genug bewußtlos geblieben. Als er die Augen wieder aufschlug, sah er um sich herum nur Männer mit Gesichtstüchern stehen. Inzwischen hatte man ihn und Doc Holliday gefesselt.
Noch erlaubte das Frühlicht des neuen Tages kein deutliches Erkennen dessen, was noch von den Gesichtern freigeblieben war.
»Wyatt Earp und Doc Holliday«, sagte einer der Männer, »das ist ausgezeichnet. Auf euch beide haben wir gerade gewartet. Ihr hängt ja schon lange hinter uns, aber das ist nun endgültig vorbei. Hell and devils, wird das eine Freude geben! Eine Freude, die von Texas bis hinauf nach Montana reichen wird. Überall, wo Männer wohnen, die sich dem Stern nicht beugen wollen, wird Jubel herrschen. Wyatt Earp ist zur Strecke gebracht worden! Ja, Junge, das hast du dir sicher nicht träumen lassen, daß hier in dem kleinen Kaff einmal dein Leben zu Ende sein würde.«
»Es ist völlig einerlei, Bandit, wo mein Leben zu Ende geht. Irgendwo muß es ja einmal aus sein«, entgegnete der Marshal scheinbar ungerührt.
Da waren sie also im letzten Augenblick um den Erfolg ihres Kampfes gebracht worden.
War der Mann, der eben gesprochen hatte, der große Boß der Galgenmänner, dessen gebieterisches Gehabe die beiden Dodger am Roten See hatten beobachten können? Er schien dem Marshal plötzlich wenig von dem Stolz und der Zurückhaltung an sich zu haben, die ihn noch in den Silver Mountains ausgezeichnet hatten.
Auch die Gestalten, die um ihn herumstanden, hatten nichts mehr von der stummen Ergebenheit und doch so stolzen Selbstsicherheit der Unterführer, die am Roten See um den Großen Boß herumgestanden hatten.
»Es ist aus, Wyatt Earp. Du wirst hier sterben, hier in dieser Bude! Und dieser Kerl da verendet mit dir. Das ist nun einmal der Lauf der Welt. Ich muß zugeben, daß ich schon eine Menge von euch gehört habe. Aber, daß ihr hierherfinden könntet – das habe ich mir nicht träumen lassen. Ganz bestimmt nicht. Und bestimmt auch nicht, daß ich es sein würde, der euch auslöscht.«
Er gab sich gar keine Mühe, leise zu sprechen…, also war man im Haus über alles informiert. Die Frau hatte Theater gespielt. Sie hielt es mit den Banditen und hatte sie verständigt. So war ihnen die Überrumpelung verhältnismäßig leicht gefallen.
Und alles, alles war umsonst gewesen.
Umsonst der Ritt nach Kom Vo. Umsonst die furchtbare Nacht von Costa Rica. Umsonst der Weg nach Martini, nach Chiricahua, nach Tombstone. All die Wege zu den Clantons. Hinüber in die Blauen Berge und bis an die Grenze nach Nogales. Umsonst auch der Aufstieg in die Silver Mountains zum Roten See. Umsonst, alles umsonst. Die Graugesichter würden weiter ihr Unwesen treiben und dem Land schweren Schaden zufügen. Sie würden weiter rauben, plündern und morden!
Eine ohnmächtige Wut hatte sich des Missouriers bemächtigt.
Da nahm der Anführer der Bande seinen Revolver aus dem Halfter und ließ die Trommel rotieren.
»Los, schafft sie da hinten in die Ecke.«
Die beiden Gefangenen wurden von den Banditen gepackt und in die finstere Ecke des Schankraumes geschleppt.
Gegen eines der beiden Fenster nach der Straße sah der Marshal die Silhouette des Bandenführers. Es war ein verhältnismäßig großer, aber wie ihm schien, schwerer und plumper Mann.
Zum erstenmal in seinem Leben war der Marshal von einer Höllenwut erfüllt, von einem Zorn auf sich selber.
Nicht so sein Gefährte aus Georgia. Der kühle Doc Holliday hatte doch auch noch gefesselt die Nerven, den Anführer zu fragen:
»Ich hätte noch eine Bitte, Bandit. Ehe ich sterbe, wüßte ich gern, wer der große Mann ist, der mir in die Ewigen Jagdgründe verhilft.«
»Das sollst du wissen, Doc. Mein Name ist Pete Grambola. Grambola, mit der Betonung auf dem ersten A. Daran wirst du, der du ja ein gebildeter Mann bist, meine Verwandtschaft mit dem großen Freiheitskämpfer aus Virginia erkennen.«
Doc Holliday lachte leise in sich hinein.
»Nein, Grambola, ich erkenne gut nichts daran. Ich kann mich nur an einen Verbrecher erinnern, an einen Brandstifter und Frauenmörder, der jahrelang Westvirginia unsicher gemacht hat. Dieser Schurke allerdings hieß Grambola. Asse Grambola, wenn ich nicht irre. Oder doch Pete…?«
Der Bandenführer versetzte dem Spieler fauchend vor Wut einen Tritt.
»All right. Du hast also eine Antwort auf deine Frage. Jawohl, ich bin Pete Grambola. Und ihr Hunde werdet jetzt sterben.«
Der Marshal hatte sich inzwischen gefangen. Auch in dieser aussichtslosen Situation faßte er wieder sein altes Ziel ins Auge. Er mußte versuchen, den Überfall zu verhindern.
»Du wirst kein Glück haben, Grambola.«
Rasend vor Zorn spannte der Bandit den Revolverhahn und stieß die Waffe nach vorn.
»Kein Glück? Das wirst du gleich erleben.«
»Ich meine nicht den Mord an uns beiden – ich meine deinen geplanten Überfall.«
Der Verbrecher entspannte die Waffe und brach in eine dröhnende, blecherne Lache aus.
»Du kannst dich beruhigen, Earp. Ich habe Glück. Ich habe meine Leute bereits seit dem Anbruch der Nacht auf ihren Posten. Wir werden den Laden da drüben knacken, verlaß dich darauf. Wenn wir wegreiten, hat jeder auf seinem Gaul einen großen Sack mit Dollarbündeln! Und es wird keinen Wolf mehr geben, der den Namen Wyatt Earp führt. Ausgelöscht wird der Name sein. Ausgelöscht wie der vergangene Tag! Von mir, von dem großen Pete Grambola!«
Wie anders hatte sich der Marshal doch den Chief der Graugesichter vorgestellt!
Noch schien dieser Mann nichts davon zu ahnen, daß Wyatt Earp und Doc Holliday unter seinen Leuten am Roten See gestanden hatten.
Wyatt wartete auf die Stimme des Mannes, der oben am See den Sprecher gemacht hatte. Aber die anderen Männer schwiegen.
Grambola schob sich mit dem Lauf seines Revolvers den Hut aus der Stirn und spie auf den Boden aus, dicht neben das Bein des Missouriers. »Das ist mein großer Tag, Earp. Ich habe jahrelang auf ihn gewartet. Jetzt ist er also da. Sieh hinaus, so bricht er an. Für dich wird es ihn allerdings nicht mehr geben. Du siehst die Sonne nicht mehr aufgehen.
Aber es wird nicht einfach, diesen Tag herbeizuführen. Im Gegenteil, es war schwer, und Hunde wie du warfen mir immer wieder Steine in den Weg. Allerdings mit einem solchen Brocken wie mit dir hätte ich nicht gerechnet an diesem Tag. Aber nun bist du auch aus dem Weg geräumt.