Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
»Es fiel mir gleich auf, als ich dich sah. Wahrscheinlich sind es die Nerven.«
»Die Nerven…?« stotterte der Tramp verwirrt.
»Ja, aber wenn du erst am Strick hängst, spielt das keine Rolle mehr.«
»Am Strick?« Der Bandit schluckte schwer.
»Wo denn sonst?«
Wyatt lauschte mit einem Ohr zu dem Schacht hinüber. Er stand so, daß er auch von einem Stein aus der Höhle heraus nicht getroffen werden konnte.
Es war völlig still im Stollen geworden. Offenbar hatte sich Darridge auf und davon gemacht.
Eine interessante Entdeckung, dieser geheime Fluchtweg von der Ranch!
Wyatt streckte jetzt die linke Hand aus und hielt sie dem kleinen Cowboy geöffnet hin.
»Komm, Ed, gib mir den Colt.«
»Was? Ich… bin doch nicht wahnsinnig.«
»Das kann man bei einem Nervenkranken nie so sicher sagen. Doc Holliday beispielsweise behauptet ja, daß es ein und dieselbe Krankheit sei.«
Wyatt hatte einen Schritt vorwärts gemacht.
»Komm, Ed.« Völlig ruhig und sicher sprach er.
»N… nein!« stammelte der Peon. Dicke Schweißtropfen rannen ihm durch die dünnen Brauen in die Augen.
Da sauste urplötzlich das linke Bein des Marshals hoch; die Stiefelspitze traf genau die Hand Hustons.
Ein Schuß löste sich. Die Kugel schlug dem Banditen durch den Rand seines Hutes und klatschte drüben gegen den Felsen.
Der Revolver lag jetzt neben ihm auf der Erde. Wyatt versetzte der Waffe einen Tritt, daß sie bis zur Wand des Backhauses rutschte.
»So, Ed. Nachdem wir uns nun so ausgezeichnet unterhalten haben und damit feststellen konnten, wie gut wir uns doch verstehen, muß ich dich bitten, mir beide Hände zu reichen.«
»Beide… Hände? Weshalb?«
»Weil ich die Absicht habe, sie aneinanderzubinden.«
»Sie wollen mich fesseln?« zeterte Huston.
»So leid es mir tut.«
Es half dem kleinen Peon nichts, in wenigen Minuten war er zu einem handlichen Paket verschnürt und lag im Schatten hinter dem Backhaus.
Ein kräftiger, gesicherter Knebel hinderte ihn am Sprechen. Aber dafür redeten seine Augen eine deutliche Sprache. Brennender Haß stand in ihnen.
Wyatt sah sich um.
Drüben auf dem Hof war alles still.
Wo steckte der Schwarze?
Der Marshal beobachtete das kleine Mannschaftshaus vorn rechts neben dem Ranchtor. Ob der Neger dort steckte?
Wyatt hatte keine Zeit, das zu untersuchen, denn wenn er sich hier vom Schachteingang entfernte, lief er Gefahr, daß Darridge zurückkam und die anderen befreite. Außerdem bestand die Möglichkeit, daß der hagere Outlaw längst den Ausgang des geheimen Stollens, dessen Lage Wyatt ja auch nicht kannte, erreicht hatte. Vielleicht war er hier ganz in der Nähe. Da in solchen Geheimgängen nicht selten auch ein Waffenlager war, konnte sich der Peon mit allem Notwendigen ausgerüstet haben und vielleicht von irgendeiner sicheren Stelle aus erneut seine Schießkünste an dem Marshal versuchen.
Es galt die Ranch so schnell wie möglich zu verlassen.
Wyatt beeilte sich zum Corral hinüberzukommen, stieg über das Gatter und schwang sich auf den Rücken
einer Fuchsstute, die einen guten
Eindruck auf den Pferdekenner machte.
Im hohen Bogen setzte er mit dem sattellosen Tier über den Corralzaun, schoß am Backhaus vorbei in den Hof und preschte dem Tor entgegen.
Aus dem Mannschaftshaus – hätte er es doch nur untersucht! – krachte ein Schuß.
Ein gewaltiger Ruck lief durch den Körper der Stute, das Tier geriet ins Stolpern, und der Reiter wurde abgeschleudert.
Wyatt prallte hart auf, versuchte sich aufzurichten, knickte aber auf dem rechten Bein sofort wieder ein.
Ein zweiter Schuß fiel.
Die Kugel pfiff nur zwei Yard an seinem Kopf vorbei.
Er mußte den freien Platz hier schnellstens verlassen!
Mit weiten Sätzen, die nur das linke Bein abfangen konnte, rannte er dem Geräteschuppen auf der anderen Hofseite zu.
Noch ein dritter Schuß folgte ihm, der aber weit daneben ging.
Offenbar war der Mann, der es da auf ihn abgesehen hatte, ein miserabler Schütze.
Er hatte den Gegner verfehlt, dafür aber eines der besten Tiere der Ranch getroffen.
Humpelnd trottete die Stute zum Corral zurück. Noch ehe sie ihn erreichte, brach sie plötzlich seitlich zusammen und blieb liegen.
Wyatt hatte den Geräteschuppen erreicht, warf sich gegen die Tür und fiel mit ihr, die nur noch in einer einzigen verrosteten Angel gehangen hatte, ins Innere der Bude, wo er sich sofort vom Eingang wegwälzte.
Da sprang drüben aus dem Mannschaftshaus lautschreiend der Neger heraus.
»Ich habe unser bestes Pferd umgebracht! Oh, ich bin ein nutzloser Schwachkopf! Weshalb kann ich nur so schlecht schießen!«
Wyatt starrte verblüfft auf die riesige Gestalt des Schwarzen, der händeringend vor dem Bunkhaus stand und zum Corral hinüberstierte, wo das tote Pferd lag.
Da hätte ihn dieser schwarze Horace um ein Haar und im letzten Augenblick noch ausgelöscht! Einem Boß zuliebe, der nichts als Peitschenhiebe und Schimpfworte für ihn gehabt hatte!
Wyatt richtete sich an einem Sägebock auf und stellte zu seinem Schrecken fest, daß das Bein sehr schmerzte und ihn nicht mehr tragen wollte.
»Auch das noch!« stieß er durch die zusammengebissenen Zähne. »Der Weg zu Tante Maes Bar ist verdammt lang geworden… und scheint noch nicht zu Ende zu sein.«
Er spannte die Rechte um den Revolver und verließ den Schuppen, die Linke auf einen starken Knüppel gestützt, so humpelte er in den Hof hinaus.
Der Neger hatte ihn gar nicht bemerkt, so sehr hatte ihn der Schock über das von ihm getötete Pferd gelähmt. Er hörte erst das Knacken des Revolverhahns hinter sich, drehte sich um und riß die Augen weit auf. Laut brüllte er:
»Ja, erschießen Sie mich, Mister! Ich bin nichts wert! Gar nichts. Auch der Boß kann mich nicht brauchen. Ich mache alles falsch. Nun habe ich endlich einmal einen Schuß abgegeben, um einen Mann zu stellen, der hier Pferde stiehlt, und was tue ich? Ich verfehle ihn und treffe den Gaul! Oh, ich tauge wirklich nichts. Sie können mich ruhig töten!«
In dem verschrammten, mit Blutspuren und Staub bedeckten Gesicht des Missouriers war plötzlich ein winziges Lächeln.
»Ich habe gar nicht die Absicht, dich zu erschießen, Sonny.«
»Nicht…?« Das Gesicht des Negers war eine Studie der Verblüffung.
»Nein, geh vorwärts!«
»Wohin?«
»Zum Corral!«
»Zum Corral? Was soll ich dort?«
»Warten, bis ich ein neues Pferd habe, und mir dann einen guten Ritt wünschen.«
»Sie wollen noch ein Pferd stehlen, Mister?«
»Ich muß.«
»Dann wird der Boß keine Ruhe geben, bis Sie hängen.«
»Das würde er auch ohne die beiden Pferde gern erleben, Horace. Vorwärts jetzt!«
Wyatt suchte sich jetzt einen gutgebauten