Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp Paket 3 – Western - William Mark D.


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      Langsam, unendlich langsam schob er sich über die Deichselhalterung hinunter, krampfte sich hinten mit den Händen unter den Eisenbügeln des Stiefelbrettes fest und schwebte dann sekundenlang blind über dem Boden.

      Er hatte keine Wahl: Er mußte sich loslassen, versuchte sich im Fall herumzuwerfen, damit er wenigstens seitlich auf den Boden kam.

      Es war sehr viel tiefer, als er angenommen hatte.

      Hart schlug er auf festgestampften Lehmboden auf.

      Er lag wie leblos am Boden. Rasender Schmerz brannte in seinem Kopf. Dann raffte er alle Lebenskraft zusammen und bewegte sich wie eine Schlange vom Wagen weg in die für ihn unbekannte Umgebung.

      Nur nicht hier liegenbleiben, wo man ihn sofort sehen konnte, wenn das Scheunentor geöffnet wurde! Er entschloß sich, sich weiter mit den Füßen vorwärtszuzerren. Natürlich hätte er auch versuchen können, sich rückwärts fortzubewegen, dann wäre er aber immer in Gefahr gewesen, mit dem Kopf gegen irgend etwas zu stoßen, das ihn gefährlich verletzen konnte. Mit den Füßen voran, die Hacken in den Boden gestemmt und mit dem Körper unter großen Anstrengungen sich vorwärtsbewegend, schob er sich Inch für Inch von dem Wagen weg.

      Da stieß er plötzlich mit den Füßen gegen etwas Weiches. Er drehte sich auf die Seite, schob sich weiter vorwärts, bis er mit den Händen den Gegenstand ertasten konnte.

      Es war ein mit Korn gefüllter Sack.

      Weitere Säcke standen daneben.

      Und plötzlich entdeckte der Marshal mit seinen Händen eine Lücke in den Säcken, in die er sich hineinschieben konnte.

      Als er glaubte, tief genug zwischen den Säcken zu sein, um nicht gleich vom Tor aus gesehen zu werden, begann er mit den Versuchen, die Binde vom Gesicht zu schieben. Das war eine fast aussichtslose Mühe, denn die Banditen hatten ihm mehrere Tücher um das Gesicht gebunden und sie so geschickt verknotet, daß es ohne Hilfe der Hände einfach unmöglich zu sein schien, sich ihrer zu entledigen. Dennoch war es das wichtigste für ihn, die Augen freizubekommen. Jetzt wurde ihm mit bedrückender Deutlichkeit klar, daß es nichts Wichtigeres gab, als sehen zu können! Er richtete sich mit sehr viel Mühe halb auf und versuchte die Tücher von seinem Kopf zu streifen. Das aber war besonders schwer, da ihm der Schädel von dem Hieb entsetzlich schmerzte.

      Aber er mußte die Binden von den Augen bekommen, denn es war fatal und gefährlich zugleich, blind in einem unbekannten Scheunenbau herumzukriechen. Er befand sich ja ständig in Gefahr, in irgendein Werkzeug zu rennen, beispielsweise in eine Forke oder eine Hacke oder, was noch bedeutend schlimmer war, in die Messer einer Häckselmühle.

      Die Stirn schob er an einen der Säcke, drückte den Kopf immer wieder hoch und sank schweißgebadet vor Anstrengung und Schmerz zurück. Aber er gab nicht auf. Und endlich, nach einer ganzen Ewigkeit, rutschte die vorderste Binde über die Nase zum Mund.

      Jetzt konnte er durch das zweite Tuch schon etwas erkennen. Links oben in der Scheune mußte eine Fensterluke sein, die Licht in den Raum fallen ließ.

      Wyatt schob die Stirn immer wieder gegen den Getreidesack und versuchte auch dieses Tuch von seinem Gesicht herunterzubekommen. Aber das gelang ihm nicht.

      Rasender Schmerz lähmte seine weiteren Anstrengungen. Er legte sich zurück auf den Boden und sog tief die Luft in die Lungen ein.

      Der Marshal gab sich keinen Illusionen hin. Die Situation, in der er sich da befand, war höllisch. Er mußte auf dem schnellsten Wege, koste es was es wolle, hier herauskommen.

      Es zeigte sich aber, daß der Wille allein nicht ausreichte. Der von Schmerz fast gelähmte Körper versagte dem eisenharten Mann den Dienst. Das Klopfen in der Hirnschale wurde von Minute zu Minute stärker und wuchs sich zum dröhnenden Gehämmer einer Kesselschmiede aus.

      Wyatt versuchte ruhig zu atmen. Von den Indianern hatte er gelernt, daß der Atem alles bestimmt. Allmählich kehrte die Ruhe in ihn zurück, und das Hämmern des Schmerzes ließ etwas nach. Er richtete sich wieder auf, stemmte die Stirn jetzt hart gegen den Getreidesack, und mit einem harten Ruck gelang es ihm, die Binde bis zur Nasenspitze zu schieben. Ein weiterer harter Ruck beförderte sie bis zum Kinn hinunter. – Die Hautabschürfungen, die er sich dabei geholt hatte, scherten ihn nicht. Er konnte wieder sehen! Nur das war wichtig.

      Völlig anders, als er sich die Scheune gedacht hatte, lag sie jetzt vor ihm.

      Sie war sehr groß, und die Leiter, die zur Tenne hinaufführte, mündete in ein großes offenes Quadrat, aus dem Stroh und Heu herunterhingen. Vorn rechts vor den Säcken sah er den alten Planwagen, das Marterinstrument, auf dem er von Tombstone hierher befördert worden war. Nie würde er die Fahrt in diesem scheußlichen Karren vergessen.

      Links oben in der Scheune war ein glasloses Fenster, durch das der grellblaue Himmel hereinsah.

      Wyatt blickte sich um und entdeckte hinter den Säcken eine Häckselmaschine. Rechts hinter ihr lagen große Strohballen, und das war das Versteck, das er zunächst brauchte. Er zerrte sich aus den Säcken heraus, schob sich zu den Ballen hinüber, die höher waren als die Säcke und ihm fürs erste mehr Sicherheit boten.

      Sein Blick hing an der Häckselmaschine.

      Die Messer! Die Messer! Sofort schob er sich wieder zurück und brachte die Hände vorsichtig in halbaufgerichteter Position gegen eines des großen Strohschneidemesser.

      Allmächtiger! Es gab nach, und das große Rad begann sich zu drehen.

      Wyatt zuckte zurück. Er richtete sich etwas weiter auf, wobei ihm die Fußfesselung mörderisch zu schaffen machte. Wieder brachte er die Hände vorsichtig an eine der Schneiden.

      Ganz behutsam bewegte er die Hände auf und ab, dabei mit den vorgestreckten, tastenden Fingern die Seiten der Klinge fühlend, um sich nicht an den Pulsadern eine lebensgefährliche Verletzung zuzufügen.

      Millimeter um Millimeter drang der rasiermesserscharfe Stahl in die Stricke.

      In diesem Augenblick, als er seiner Befreiung schon so nahe war, wurde vorn das Scheunentor geöffnet.

      Wyatt zuckte zusammen und lauschte.

      Er hörte die Schritte eines Mannes, der sich offenbar der Rückseite des Wagens näherte.

      In weniger als zehn Sekunden würden sie seine Flucht entdeckt haben!

      Wyatt schob die Arme mit den Stricken härter auf die Klinge und verspürte plötzlich einen ziehenden scharfen Stich im rechten Unterarm.

      Er war bei einer Abwärtsbewegung mit dem Arm an das Messer geraten, das ihm eine Wunde gerissen hatte. Sicher wäre ihm das nicht passiert, wenn er nicht in so panischer Hast hätte handeln müssen.

      Weiter schob er die Handgelenke über das Messer, und plötzlich sprang einer der Stricke auseinander.

      Wyatt riß an der Fesselung, sie gab auch etwas nach, wollte sich aber nicht lösen.

      Da hatte der Mann vorn den Wagen erreicht und blieb stehen.

      Es war der Alte.

      Er sah sich um, wischte sich übers Gesicht und ging wieder zur Tür zurück.

      Er hatte sich noch einmal hierhergestohlen, um in sein Gesicht zu sehen! In das Gesicht des Toten. Der Mann, der da auf dem Wagen lag, war schließlich nicht irgendwer, es war der berühmte Marshal Earp!

      Der Alte wandte sich plötzlich entschlossen um, ging auf den Wagen zu und riß die Plane auseinander.

      Entgeistert starrte er auf die leere Ladefläche.

      Wie gelähmt stand er da und brauchte eine volle Minute, um zu begreifen, was geschehen war.

      Der Tote war geflüchtet!

      Der Alte hatte seinen Mund weit offenstehen. Seine Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen.

      Plötzlich schob er den Unterkiefer vor und schrie gellend:

      »Saaam!«

      Jetzt


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