Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
hattest du schon, als du ihn mitnahmst, aber du gehörst doch nicht zu denen, die etwas nur anfangen und nicht zu Ende führen, Isabel.«
»Du kennst Lorna Wilding noch nicht.«
»Schüchtert sie sogar dich ein, Isabel?« fragte er anzüglich. »Dann muß ich sie aber kennenlernen.«
»Wenn ich nicht mit ihr fertig werde, schicke ich sie zu dir.«
»Heute aber nicht. Ich habe keine Minute mehr übrig und morgen bin ich Gott sei Dank über alle Berge.«
»Feigling«, sagte sie.
»Nein, Isabel. Dr. Neubert liegt im Sterben und mein guter Franz Glimmer hat eine schwere Operation vor sich.«
»Und du leidest mit, Daniel«, sagte Isabel leise.
»Ja, da leide ich mit. Ich kann es nicht ändern.« Seine Stimme klang rauh und wieder einmal dachte Isabel, was er doch für ein seltsamer, unergründlicher Mensch sei.
»Dann will ich nicht klein erscheinen«, sagte sie. »Ich übernehme Mrs. Wilding. Meinst du, daß David durchhält?«
»Gut wäre es natürlich, wenn man seine Gladys auftreiben könnte, aber weiß man denn, ob dies nicht auch nur eine Vorstellung ist?«
»Wieso Vorstellung?«
»Er denkt an das Mädchen, das seine erste Liebe war, aber er hat sich seither sehr verändert. Vielleicht hat Gladys auch längst einen andern. Frauen haben doch so wenig Geduld.«
»Wirfst du alle in einen Topf, Daniel?«
»Nein, es gibt Ausnahmen, aber das sind keine Lieben, sondern Freunde, so wie du.«
Und damit habe ich mich abzufinden, dachte Isabel resigniert. Dabei hatte sie ihn noch nie so sehr gemocht wie an diesem Tag. Vielleicht war es auch Liebe, von ihrer Seite. Sie wollte sich in solche Gedanken nicht hineinvertiefen. Vielleicht war Daniel ein Mann, der gar nicht nur einen Menschen lieben konnte, weil er mit so vielen fühlte, weil er die Hilflosen, Kranken und zum Sterben Verdammten liebte.
Jedenfalls hatte sie zum ersten Mal richtig begriffen, daß er zum Arzt geboren war, daß er seinen Beruf nicht als Broterwerb betrachtete sondern als eine Aufgabe, für die ihn eine höhere Macht auserwählt hatte.
»Ich mag dich sehr, Daniel«, sagte sie leise. »Du bist ein Mensch«, und die Betonung legte sie auf das letzte Wort.
»Ich mag dich auch sehr, Isabel«, sagte Daniel. »Jetzt lerne ich dich erst richtig kennen.«
*
Daniel fuhr zuerst ins Kreiskrankenhaus zu Dr. Neubert.
»Es geht zu Ende«, sagte der Chefarzt. »Die Lähmung wäre zu beheben gewesen, aber das Herz will nicht mehr. Es ist müde.«
»Es hat zuviel gelitten«, sagte Daniel.
Der Chefarzt sah ihn verwundert an.
»Er stand Ihnen nahe, Herr Kollege?« fragte er.
Daniel störte es, daß er schon in der Vergangenheitsform sprach, obgleich noch Leben in Dr. Neubert war.
»Er steht mir nahe«, berichtigte er. Er setzte sich an das Bett und ergriff die Hand des Greises. Jetzt mußte man ihn so nennen, obgleich er nie greisenhaft gewesen war. Aber halb war er schon von dieser Welt entfernt. Doch seine Augenlider hoben sich, und er sah Daniel an.
»Dr. Neubert, erkennen Sie mich?« fragte Daniel.
Der Kranke neigte leicht den Kopf.
»Daniel, mein Junge«, sagte er recht deutlich. Daniel spürte den schweren Atem des Chefarztes in seinem Nacken. Es störte ihn.
»Ich lasse Sie allein«, sagte der nun jedoch.
»Es wird wieder aufwärts gehen, Dr. Neubert«, sagte Daniel. »Sie haben mich erkannt.«
»Es geht zu Ende. Ich will noch etwas sagen, Daniel.« Mühsam kamen die Worte über die blassen Lippen. »Dein Vater war mein Freund und ein wunderbarer Mann. Werde so wie er, mein Junge. Alles, was ich besaß, soll dir gehören, damit du sein Lebenswerk vollenden kannst. Ich habe es so bestimmt. Hab Dank, daß du noch immer für mich Zeit hattest. Es waren schöne Stunden. Werde glücklich, mein Junge. Glücklicher als dein Vater und ich.«
Dann schlossen sich die Lippen, und die Lider senkten sich. Kraftlos war die Hand, die Daniel hielt. Stumm saß er da. Er hatte den alten Herrn gern gehabt, aber er hatte nicht geahnt, daß Dr. Neubert ihm so tiefe väterliche Zuneigung entgegengebracht hatte.
Frohen Herzens würde er morgen nun nicht zur Insel der Hoffnung fahren können. Er fragte sich, warum gerade an diesem Vortag soviel auf ihn eingestürmt war.
Abermals traf ihn dann ein verwunderter Blick aus den kühlen Augen des Chefarztes, als er erklärte, daß er sich um Dr. Neuberts Beerdigung kümmern werde.
»Er hat keine Angehörigen mehr«, sagte er geistesabwesend.
Der Rest des Tages wurde eine einzige Hetze. Fahrt zur Universitätsklinik, um die Unterlagen von Franz Glimmer Professor Manzold zu bringen, dann mußte er zu dem Beerdigungsinstitut. Die Zeit rannte nur so davon. Zu Frau Krüger, die Dr. Neuberts Haushalt versorgt hatte, mußte er er noch fahren. Auch dort gab es Tränen.
Es war zehn Uhr, als er endlich heimkam. Aus seiner Wohnung tönte ihm leises Klavierspiel entgegen.
Die »Pathetique« von Beethoven, Töne voller Melancholie, und doch fühlte Daniel sich dadurch wie erlöst. Für einen Freund, den er an diesem Tage verloren hatte, gab ihm das Schicksal einen andern. David Delorme war geblieben. Mit einem Blick voller Dankbarkeit wurde er von ihm begrüßt, während er weiterspielte.
»Isabel wird mich morgen zu Ihrer Insel der Hoffnung bringen«, sagte David dann. »Sie hatten einen anstrengenden Tag, Dr. Norden.«
»Sagen Sie ruhig Daniel.« Er reichte ihm die Hand. »Und nun werden wir zu Bett gehen.«
Er wollte jetzt gar nicht mehr wissen, was Isabel erreicht oder nicht erreicht hatte. David wußte auch noch nichts. Lenchen hatte das Gästezimmer schon hergerichtet.
Sie wollte morgen nicht mitfahren, das war schon längst abgemacht. Einer müsse hierbleiben, hatte sie gesagt. Später einmal würde sie sich alles ansehen.
Sie hatte den Tod Dr. Friedrich Nordens noch nicht verwunden. Sie schmerzte es, daß er die Verwirklichung seines Wunschtraumes nicht mehr erleben konnte.
Aber das Leben geht weiter, dachte Daniel. Es ist unausbleiblich, daß wir manchen zu Grabe tragen müssen, der uns nahesteht, bis wir einmal selbst an der Reihe sind.
*
Isabel hatte sich vorerst nicht mit Lorna Wilding in Verbindung gesetzt. Schließlich war David ein erwachsener, mündiger Mann, der über sich selbst bestimmen konnte.
Doch kaum hatte sie ihre Wohnung betreten, läutete das Telefon. Ihr höchster Chef verlangte erregt sie zu sprechen. Isabel konnte sich denken, daß Lorna Wilding bereits Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte.
»Kommen Sie in meine Privatwohnung, Isabel«, verlangte Johannes Peltzer. Dieser Ton duldete keinen Widerspruch. Sie kannte ihn zur Genüge.
Nun gehörte sie gewiß nicht zu jenen, die einer scharfen Auseinandersetzung ängstlich aus dem Wege zu gehen gedachten, aber im Interesse von David war es ihr doch ein wenig ungemütlich.
Johannes Peltzer bewohnte einen supermodernen Bungalow. Isabel mochte das Haus nicht. Ihm fehlte all die Wärme, die sie in Daniels Heim gefunden hatte.
Johannes Peltzer, ein hagerer, hochgewachsener Mann, der Prototyp des Intellektuellen, machte den Eindruck eines gereizten Tigers.
»Was ist Ihnen da nur eingefallen,
Isabel?« fauchte er sie an. »Mrs. Wilding ist hier. Meine Frau versucht sie zu beruhigen. Was glauben Sie, was uns diese Geschichte für Schwierigkeiten bereiten wird.«
»Will