Auferstehung. Лев Толстой

Auferstehung - Лев Толстой


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ich werde in der Nacht zu dir kommen« flüsterte ihr Nechludoff zu. »Du wirst allein sein, nicht wahr?«

      »Was wollen Sie? Warum? Nein, nein! Das ist nicht recht,« sagte sie; doch nur ihre Lippen sprachen das; ihre ganze erregte, erschütterte Persönlichkeit redete anders.

      Matrena Pawlowna trat in das Zimmer. Sie brachte Handtücher für den Arzt. Sie warf Nechludoff einen vorwurfsvollen Blick zu und schalt Katuscha aus, die es vergessen hatte, die Servietten zu holen.

      Nechludoff ging schnell hinaus, doch er schämte sich nicht mehr. An Matrena Pawlownas Blick hatte er gesehen, daß sie ihn im Verdacht hatte und daß das, was er that, schlecht war; doch der bestialische Instinkt, der an die Stelle seiner alten Liebe für Katuscha getreten war, beherrschte ihn jetzt und herrschte allein in ihm. Er fühlte, daß er diesen Instinkt befriedigen mußte, und dachte nur noch an die Mittel dazu.

      Den ganzen Abend war er unruhig; bald ging er zu seinen Tanten, bald trat er in sein Zimmer oder auf die Freitreppe hinaus. Und er hatte nur den einen Gedanken, Katuscha wiederzusehen, Diese aber wich ihm aus, und Matrena Pawlowna verlor ihn nicht aus den Augen.

      So verging der ganze Abend, und die Nacht brach herein. Der Arzt ging zur Ruhe, und die Tanten traten in ihr Zimmer. Nechludoff wußte, daß Matrena Pawlowna in diesem Augenblick bei seinen Tanten war, denen sie beim Ausziehen half. Katuscha mußte also allein in der Küche sein.

      Wieder ging Nechludoff auf die Freitreppe hinaus, Die Nacht war dunkel, feucht, warm, und die ganze Luft erfüllte der weiße Nebel, den der schmelzende Schnee im Frühling hervorbringt. Vom Fluß her vernahm man, hundert Schritt vom Hause, ein seltsames Geräusch; das Eis brach.

      Nechludoff stieg die Freitreppe hinunter und ging, durch die Lachen des geschmolzenen Schnees watend, bis zum Küchenfenster. Das Herz klopfte ihm so stark, daß er es hörte.

      In der Küche brannte eine kleine zitternde Lampe. Katuscha saß allein am Tische und starrte nachdenklich vor sich hin. So blieb sie mehrere Minuten, erhob dann die Augen, lächelte und nickte, als wenn sie mit sich selbst spräche; darauf legte sie die Hände auf den Tisch und starrte wieder vor sich hin.

      Er betrachtete sie weiter und lauschte dabei unwillkürlich auf die Schläge seines Herzens und auf das seltsame Geräusch, das vom Flusse herkam. So blieb er vor dem Fenster stehen und beobachtete auf dem müden und sinnenden Gesicht Katuschas die Spuren der Arbeit, die sich in ihr vollzog; er hatte Mitleid mit ihr, doch seltsamerweise bestärkte ihn dieses Mitleid nur noch mehr in seinem Wunsche.

      Er klopfte aus Fenster, und wie von einem elektrischen Schlage getroffen erbebte sie am ganzen Körper und Schrecken malte sich aus ihren Zügen. Dann sprang sie auf, stürzte nach dem Fenster und drückte das Gesicht an die Scheiben. Der Ausdruck der Angst verschwand auch nicht, als sie Nechludoff erkannte. Sie sah ernster aus, als der junge Mann sie je gesehen hatte. Erst als er ihr zulächelte, lächelte auch sie; und sie that das nur aus Unterwürfigkeit, denn er sah wohl, daß in ihrer Seele keine Freude, sondern einzig und allein nur Furcht und Entsetzen lebte.

      Er machte ihr ein Zeichen, sie solle zu ihm auf den Hof kommen; doch sie schüttelte den Kopf und blieb am Fenster stehen. Wieder drückte er sein Gesicht an die Scheibe und wollte ihr zurufen, sie solle herauskommen; doch in demselben Augenblick wandte sie sich nach der Thür um. Jedenfalls hatte sie jemand gerufen.

      Nechludoff entfernte sich vom Fenster. Der Nebel war so dicht geworden, daß man fünf Schritt weit die Fenster nicht sehen konnte, sondern nur eine große, dunkle Masse, aus der das rote Licht einer Lampe strahlte. Plötzlich krähte ein Hahn; andere antworteten ihm auf dem Hofe; und wieder andere ließen im Dorfe ihr Gekrähe ertönen, das in einem und demselben lauten Lärm verschmolz. Rings umher war alles still; nur der Fluß setzte sein Werk fort.

      Nechludoff ging vor dem Hause ein paarmal auf und ab und näherte sich dann wieder dem Küchenfenster. Beim Lampenschein sah er Katuscha wieder am Tische sitzen. Noch kaum war er näher getreten, als sie die Augen auf das Fenster richtete. Er klopfte, und sie verließ sofort die Küche; er hörte, wie sich die Thür knirschend öffnete und wieder schloß. Er lief nach der Freitreppe und umschlang sie sofort, ohne ein Wort zu sprechen, Sie schmiegte sich an ihn an, erhob den Kopf und bot ihre Lippen seinem Kusse dar. So blieben sie an der Ecke des Hauses an einer trockenen Stelle stehen; und Nechludoff fühlte, wie das Verlangen nach ihr immer stärker wurde. Plötzlich hörten sie wieder die Thür gehen, und Matrena Pawlownas zornige Stimme rief in die Nacht hinaus: »Katuscha!« Sie entriß sich seinen Armen und lief zur Küche. Er hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde; dann wurde wieder alles still, und das rote Licht der Lampe erlosch.

      Nechludoff näherte sich dem Fenster; doch er konnte nichts sehen. Er klopfte; niemand gab Antwort. Er ging ins Haus in sein Zimmer, legte sich aber nicht schlafen. Eine halbe Stunde später zog er seine Stiefel aus und ging nach Katuschas Schlafzimmer. Als er an Matrena Pawlownas Zimmer vorüberkam, hörte er, wie die alte Wirtschafterin ruhig schnarchte. Schon wollte er seinen Weg fortsetzen, als Matrena Pawlowna zu husten anfing und sich auf ihrem Bette umdrehte. So vergingen fünf Minuten. Als wieder alles schwieg und er wieder das Schnarchen der Alten vernahm, setzte Nechludoff leise seinen Weg fort. Endlich stand er vor Katuschas Thür. Kein Atemzug ließ sich hören; offenbar schlief sie nicht. Doch kaum hatte er »Katuscha« geflüstert, als sie zur Thür stürzte und ihn in zornigem Tone gehen hieß.

      »Wo denken Sie hin? Ihre Tanten werden wach werden!« sprachen ihre Lippen; doch ihr ganzes Wesen sprach: »Ich gehöre dir mit Leib und Seele!« und nur das allein hörte Nechludoff.

      »Ich bitte dich, öffne nur auf eine Minute!«

      Es trat eine Pause ein; dann hörte Nechludoff, wie eine Hand im Dunkel nach dem Riegel tastete. Die Thür öffnete sich, und Nechludoff trat ins Zimmer. – – –

      Als er sie verließ, ging er auf die Freitreppe hinaus und blieb dort stehen, um sich die Bedeutung des Vorgefallenen klar zu machen.

      Draußen war es heller geworden; der Nebel begann zu fallen, und hinter dem Nebel erschien der Halbmond.

      »Was ist das?« fragte sich Nechludoff. »Ist mir ein großes Glück oder ein großes Unglück widerfahren?«

      »Ah bah!« sagte er sich , »das ist immer so; und jeder thut es!«

      Dann ging er beruhigt in sein Zimmer, legte sich nieder und schlief sofort ein.

      Am nächsten Tage, dem Ostersonntag, holte ihn sein Freund Tschembock von seinen Tanten ab. Schön, glänzend und heiter entzückte er die alten Damen buchstäblich durch seine Beredtsamkeit, Höflichkeit, Freigebigkeit, und besonders durch die Zuneigung, die er für Nechludoff hegte. Seine Freigebigkeit gefiel ihnen zwar, doch sie fanden sie etwas übertrieben. Sie wunderten sich, als er einem blinden Bettler einen Rubel gab, den Dienern auf einen Schlag 15 Rubel schenkte und ohne Zögern ein Batisttaschentuch im Mindestwerte von 15 Rubel zerriß, um einer Magd den Fuß zu verbinden, den sie sich blutig gerissen hatte. Die würdigen Tanten hatten so etwas noch nie gesehen; sie wußten außerdem nicht, daß dieser Tschembock 200 000 Rubel Schulden hatte; da er fest entschlossen war, dieselben nie zu bezahlen, so kam es ihm auf 25 Rubel mehr oder weniger nicht an.

      Tschembock verbrachte übrigens nur einen Tag bei den Tanten und reiste schon am Abend mit Nechludoff ab. Sie konnten ihren Aufenthalt nicht länger ausdehnen, da die Frist fast schon abgelaufen war.

      Nechludoff dachte an diesem ersten Tage nur an die vorige Nacht. Zwei Gefühle kämpften in seiner Brust; einerseits gefiel er sich darin, den sinnlichen Genuß wieder wachzurufen und war stolz darauf, sein Ziel glücklich erreicht zu haben; andererseits hatte er die Empfindung, eine Dummheit begangen zu haben, die er wieder gut machen mußte, und zwar nicht in Katuschas Interesse,


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