AUF ZAUBER KOMM RAUS. Scott Meyer

AUF ZAUBER KOMM RAUS - Scott  Meyer


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Dafür gibt es Knechte.«

      Martin dämmerte langsam, was für Aspekte der atlantischen Gesellschaft Gwen gemeint hatte, auf die sie nicht stolz war.

      Während das Trio den Rand des Parks entlangging, fiel Martin und Phillip auf, dass jede Arbeit, die in der Öffentlichkeit ausgeführt wurde, von einem großgewachsenen, grüblerischen Mann verrichtet wurde. Die Wachmänner, die Gärtner, die Nahrungsverkäufer, die Träger, alle waren Männer, alle sehr attraktiv und alle sichtbar enttäuscht über das Auftauchen von Martin und Phillip. Außerdem trugen die meisten kein Hemd – nicht mal, und das war besonders verstörend, die Nahrungsverkäufer.

      Schließlich erreichten sie die Liftstation. Der Wachmann nannte es »die Seilbahn«, dabei gab es gar kein Seil, und nichts ähnelte einer Bahn. Es handelte sich einfach um eine offene Plattform, eingegrenzt von einem dünnen Geländer. Ein freier Pfad, den man als Bahn bezeichnen könnte, führte geradewegs die gekrümmte Wand hinauf, die die Stadt umschloss. Doch es gab keine Gleise, Kabel oder Zahnräder. Zuerst glaubte Martin, der Pfad sei in einem extrem dunklen Grünton gestrichen worden, dann erkannte er, dass er durchsichtig war, und dass er in den Ozean auf der anderen Seite der Schale schaute.

      Sie warteten, während noch ein paar Männer die Plattform bestiegen, und sich so weit weg wie möglich von den Zauberern und ihrem Aufpasser stellten. Dann begann die Plattform, sich geräuschlos die Seitenwand der Stadt hochzuarbeiten.

      Martin besah sich die Plattform, auf der er stand. Sie war milchigweiß und durchscheinend und hatte ein Gittermuster in die Oberfläche eingearbeitet. Für mehr Bodenhaftung, wie er vermutete.

      Martin stampfte mit dem Fuß auf, lauschte den Vibrationen und spürte ihnen nach.

      Er murmelte: »Auch Diamant?«

      »Vielleicht«, sagte Phillip. »Oder vielleicht gehärtetes Glas, Pyrex oder etwas Ähnliches. Ich habe schon einige verschiedene Materialien hier gesehen, aber alle scheinen kristallin zu sein.«

      »Macht Sinn. Es wäre leicht herzustellen mit ihrer Methode der Molekularkonstruktion, und die hergestellten Strukturen wären rein monolithisch.«

      »Ja«, sagte Phillip, der wusste, worauf Martin hinauswollte. »So kann sie das Shell-Programm, oder wie auch immer ihre Version davon heißt, dazu benutzen, die Teile herumzuschieben, ohne Angst haben zu müssen, dass sie ihre strukturelle Integrität verlieren.«

      »Das ist … das ist brillant«, sagte Martin.

      »Ja, das muss ich zugeben, das ist es«, stimmte Phillip zu.

      Martin und Phillip bemerkten, dass der Wachmann auf sie herabsah, sein Gesicht eine Fratze unverhohlener Verachtung. Martin wechselte das Thema.

      »Du sagst also«, sagte Martin in seinem beiläufigsten verfügbaren Tonfall, »Gwen hätte noch keinen Diener ausgewählt.«

      »Ja«, der Wachmann schaute weg, »das habe ich gesagt.«

      »Und sie ist die einzige Schamanin, die noch keinen hat?«

      »Ja.«

      »Verstehe. Hast du auch versucht, Gwens Diener zu werden?«

      »Wir alle haben versucht, ihr Diener zu werden. Wir versuchen noch immer, ihr Diener zu werden. Sie ist die begehrteste Frau von ganz Atlantis.«

      »Tja, das kann ich verstehen. Sie ist bezaubernd.«

      Der Wachmann lachte. »Wenn bezaubernd heißt, klein und seltsam zu sein und Kauderwelsch zu reden, so wie ihr beiden. Sie ist nur so begehrt, weil sie die einzige Schamanin ist, die noch keinen Diener hat. Nichts anderes. Irgendwann wird sie sich einen Diener aussuchen. Falls ich dieser Diener bin, wird meine schwerste Aufgabe in Zukunft sein, so zu tun, als ob ich ihre Gegenwart genieße.«

      Sie fuhren einen Augenblick lang in betretenem Schweigen weiter, während sich die Plattform an der riesigen Schale von Atlantis entlangbewegte. Wenn man darauf achtete, sah man deutlich, dass die Häuserwände aus einem kristallinen Material bestanden, von einheitlich milchigweißer Farbe. Palmen, Fußwege und kleine Flecken weichen Grases auf den Dächern durchbrachen das Durcheinander der Gebäude, die sich an die stetig anteigende Wand anschmiegten.

      Zum ersten Mal sprach der Wachmann, ohne direkt etwas gefragt worden zu sein: »Gwen stammt von da, wo ihr auch herkommt. Sagt mir, gab es dort einen Mann, den Gwen attraktiv fand?«

      Martin beschloss, die Frage zu überhören.

      »Ja«, sagte Phillip, »ja, den gab es. Wieso fragst du?«

      Der Wachmann sah sich um, dann sagte er leise: »Wenn ihr mir beschreiben würdet wie der Mann war, den Gwen attraktiv fand, dann könnte ich mehr so sein wie er und so vielleicht Gwens Diener werden.«

      »Verstehe«, sagte Phillip, der fast kichern musste vor lauter Entzücken, »das ist eine interessante Idee.«

      »Dann werdet ihr mir helfen?«

      »Ja«, sagte Phillip, »aber bevor ich dir helfen kann, sollte ich wenigsten deinen Namen erfahren.«

      »Tut mir leid«, sagte der Wachmann. Er richtete sich auf und warf sich in die Brust, als ob er gleich das Bedeutsamste verkünden würde, das Phillip je zu hören bekommen hatte. »Mein Name«, sagte er mit tief vibrierender Stimme, »ist Ampyx.«

      Phillip erwiderte: »Es ist mir ein Vergnügen, Ampyx. Mein Name ist Phillip.« Martin schaute weiter auf die vorbeiziehende Stadt und schüttelte den Kopf.

      »Also, Phillip«, fragte Ampyx, »was kannst du mir über diesen Mann erzählen, den Gwen attraktiv fand?«

      »Ich muss dir gar nichts erzählen. Du hast ihn getroffen. Es ist mein Freund Martin.« Phillip legte einen Arm um Martins Schultern, mit der anderen Hand präsentierte er ihn, wie ein Werbebotschafter in einer Gameshow ein neues Automodell. Ampyx musterte Martin mit einer unverhohlenen Mischung aus Entsetzen und Abscheu. Martin warf Phillip einen wütenden Blick zu. Phillip strahlte zurück.

      Der Großteil des restlichen Wegs zu ihrem Quartier verlief schweigend. Ampyx achtete genau auf alles, was Martin machte. Martin versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihm das war. Phillip hatte Mühe, nicht laut loszulachen. Die Plattform erreichte eine Station, ungefähr auf zwei Dritteln der Höhe der Schale. Ampyx führte sie von der Plattform auf einen breiten, grasbewachsenen Fußweg. Sie kamen vorbei an Geschäften für Essen, Kleidung und Gebrauchsgüter, alle klein und geschmackvoll, alle betrieben von gut aussehenden Männern. Ampyx stellte Martin einige Fragen, aber Martin verkniff sich jegliche Antwort und überhaupt jegliche Äußerung. Die einzige Frage, die eine Reaktion hervorrief, war die nach Martins Beruf. Martin antwortete knapp, er sei Zauberer, was einen ausdruckslosen Blick hervorrief.

      »Du weißt schon, ein Zauberer«, sagte Martin. »Ich zaubere.«

      Martin hatte erwartet, dass dies Ampyx mindestens beeindrucken würde. Martin lag falsch.

      »Warum?«, fragte Ampyx.

      »Warum was? Warum ich zaubere?«

      »Ja, warum zauberst du?«, fragte Ampyx, als sei das die naheliegendste Frage der Welt.

      Martin sah zu Phillip, der mit den Schultern zuckte. Schließlich antwortete Martin: »Warum sollte ich nicht zaubern. Würdest du nicht zaubern, wenn du könntest?«

      »Niemals«, sagte Ampyx.

      »Ja, warum denn nicht?«

      Ampyx verzog sein Gesicht. »Zaubern … ist doch … Frauenarbeit.«

      Martin starrte ihn einfach nur an. Phillip meldete sich zu Wort: »Dir ist klar, dass die gesamte Stadt hier mit Magie erbaut wurde.«

      »Ja«, sagte Ampyx, »von einer Frau, was schon irgendwie eindrucksvoll ist. Ich will ja nicht respektlos gegenüber Frauen erscheinen. Irgendjemand muss das Zaubern erledigen, und sie sind einfach gut darin. Aber es ist keine angemessene Arbeit für einen echten Mann.«

      »Und was ist angemessen für einen echten Mann?«, fragte Phillip.

      »Schaut


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