AUF ZAUBER KOMM RAUS. Scott Meyer

AUF ZAUBER KOMM RAUS - Scott  Meyer


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anderen Abteilungen so mit den Bändern machen. Ich lade also eines nach dem anderen bei uns rein und auf einem der Bänder ist eine Datei, die scheinbar größer ist, als das, was auf dem Band Platz hat. Da bin ich neugierig geworden.«

      »Verständlich«, sagte Martin. »Wie viel Speicherplatz hatte so ein Band?«

      »Einhundertsiebzig Megabyte«, antwortete Roy stolz. »Warum lachst du?«

      Martin erwiderte: »Ach nichts. Erzähl weiter.«

      »Okay, ich lade also die Datei rein und druck mir die ersten paar tausend Zeichen aus. Sah nach einer Datenbank aus.«

      »Und irgendwann hast du dann begriffen, was du da vor dir hattest.«

      »Ja«, sagte Roy, »den Beweis dafür, dass die Welt, mit jedem und allem darin, nur ein computergesteuertes Programm ist.«

      »Und du hattest eine Datei, mit der du diesen Computer steuern konntest, der die Welt steuert.« Martin beugte sich vor, näher zu Roy. »Was hast du als Nächstes gemacht?«

      »Erst wollte ich mir zu einer Menge Geld verhelfen, aber ich dachte, so würden sie mich sofort erwischen.«

      Martin entschied, Roy niemals zu erzählen, wie man ihn erwischt hatte.

      Roy fuhr fort: »Ich beschloss, die Datenbank zu nutzen, um auf der Arbeit zu glänzen. Meine Prototypen leistungsfähiger zu machen. Die Zahl der Triebwerksentwürfe meines Teams erhöhen. Ich erzählte allen, das Geheimnis sei die Verwendung fortschrittlicher Computermodellierung.«

      »Clever. Hat's funktioniert?«

      »Eine Zeit lang schon. Es gab ein Projekt, das es mir echt angetan hatte. Das A-12. Ein Spionageflugzeug. Es sollte sehr hoch fliegen können und sehr schnell sein. Später haben sie einen Sitz eingebaut und es SR-71 getauft.«

      »Du hast am Blackbird mitgearbeitet?«, brach es unwillkürlich aus Martin heraus.

      Roy lächelt. »Wird es so genannt?«

      »Ja, irgendwann dann schon, könnte man sagen. Das hatte Mach 3 drauf, oder?«

      »Offiziell ja. Es ging notfalls auch ein bisschen schneller.«

      Martin ließ sich zurück ins Sofa fallen. »Wow. Das SR-71. Ich hatte ein Poster davon in meinem Zimmer. Ich habe mich immer gefragt, wie die so etwas in den Sechzigern bauen konnten.«

      Es folgte eine lange, unangenehme Pause, in der Martins Lächeln nur langsam schwand.

      Bis Roy die Stille durchbrach. »Jetzt weißt du's«, sagte er. »Die verdammten Russen wussten viel mehr über Titan als wir. Ich war der Meinung, dass die Beschaffung von Informationen zukünftige Kriege verhindern würde, also sorgte ich dafür, dass das Flugzeug funktionierte. Dann sorgte ich dafür, dass es besser wurde. Ich habe es wohl ein bisschen übertrieben.«

      »Haben sie dich deswegen erwischt?«, wollte Martin wissen.

      Roy verzog das Gesicht. »Ich kam in ein anderes Projekt und sie haben versucht, weitere SR-71 zu bauen. Es war streng geheim und da ich nicht mehr Teil des Teams war, hatte ich keine Ahnung, dass sie das vorhatten. Sie konnten die einzelnen Titanteile nicht miteinander verbinden. Irgendwann begann man, Fragen zu stellen.«

      »Und du hattest Visionen von langen, langen Gesprächen mit der CIA und da bist du abgehauen.«

      »Bingo. Ich hatte ein Buch gelesen, gerade erst erschienen. Die besten Jahre, um im mittelalterlichen England zu leben. Von einem Typen namens Cox. War ein Geschenk. Ist ja auch egal, ich schleich mich in den Kartenraum und hole mir Koordinaten für die Klippen von Dover, dann ein Abstecher in den Computerraum, Koordinaten eingeben, ein Datum wählen und schon war ich hier.«

      Martin ließ sich das kurz durch den Kopf gehen und fragte dann: »Wo ist dein Computer jetzt?«

      Roy kniff die Augen zusammen. »Ich besitze keinen Computer. Ich bin nur ein Kerl.«

      »Was ist mit dem Computer, der dich hergebracht hat?«

      Roys Augen blieben zusammengekniffen. »Der gehört Lockheed.«

      »Wie auch immer«, sagte Martin. »Wo ist er?«

      »Wo ich ihn gelassen habe, bei Skunk Works.«

      Es fiel Martin sichtlich schwer, das Gehörte zu verarbeiten. »Du hast ihn nicht mitgenommen? Roy? Mann, das ist eine Reise ohne Wiederkehr für dich.«

      »Wie gesagt, Junge, ich war ziemlich in Panik.«

      »Wie wolltest du dich ohne Computer hier als Zauberer ausgeben?«

      »Gar nicht«, sagte Roy kichernd. »Ich wollte mir hier mit meinem Ingenieurwissen meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich kam in die Bar, sie haben einen Blick auf mich geworfen und sind sofort davon ausgegangen, dass ich Zauberer bin.«

      »Hmmm«, stimmte Martin zu. »Das glaube ich sofort.«

      Martin verbrachte die nächste Stunde damit, Roy die Gesamtsituation darzulegen, ganz so wie Phillip es für ihn getan hatte. Er erklärte ihm, dass es in dieser Zeit in ganz Europa und anderswo Gemeinschaften von Zauberern gab, ebenso in anderen Epochen. Er erzählte ihm, dass alle Zauberer Leute wie er selbst waren. Sie waren in einer ihrer zahlreichen Gestalten über die Datei gestolpert, hatten sie benutzt, waren in Schwierigkeiten geraten und zurück in der Zeit gereist, um unterzutauchen.

      Eine Zeit lang rätselten sie zusammen über den Umstand, dass Roy die Datei als Einziger auf Magnetbändern gespeichert entdeckt hatte und nicht, wie jeder andere, auf dem Zentralrechner eines Firmennetzwerks. Letztendlich nahmen sie es dann aber hin als eine der vielen Ungereimtheiten, die im Zusammenhang mit der Datei, so wie im Zusammenhang mit dem Universum ja auch, immer wieder auftauchten.

      Martin erklärte weiter, dass alle Frauen, die die Datei gefunden hatten, nach Atlantis gingen, da zauberbegabte Frauen überall sonst wenig willkommen waren. Er wollte gerade das Phänomen der zeitlichen Verschmutzung erläutern und dass scheinbar keine ihrer Taten Auswirkungen auf die Zukunft hatte, als er von Roys Schnarchen unterbrochen wurde.

      Martin weckte Roy noch mal auf, damit er zum Schlafen aufs Sofa umziehen konnte. Während Roy ein Kissen in den Bezug stopfte, fragte er: »Wann treffe ich den, der das Sagen hat?«

      Der das Sagen hat, dachte Martin, das ist ein kleines bisschen heikel.

      Martin überlegte kurz, ob er Roy erzählen sollte, dass der derzeitige Vorsitzende noch nicht lange im Amt war und wie sein Vorgänger seinen Namen von Jimmy in Merlin geändert hatte, um anschließend den Versuch zu unternehmen, das ganze Land seinen Launen entsprechend umzukrempeln, einschließlich des Vorhabens, alle anderen Zauberer umzubringen.

      Nee, dachte Martin, das ist dann doch zu viel zu verdauen für den ersten Abend. Ich erkläre ihm das alles später, wenn wir über das Thema Verbannung sprechen.

      Er antwortete: »Keine Ahnung, wann du den Vorsitzenden triffst. Früher oder später wirst du ihm schon begegnen. Schwer zu sagen wann genau, er ist ziemlich beschäftigt.«

      Kapitel 4

      Man könnte meinen, dass Phillip gern Vorsitzender war, obwohl er einen vollen Terminkalender hatte. Phillip würde einem aber erklären, dass er gerade wegen des vollen Terminkalenders so gern Vorsitzender war. Vielen Leuten fiel es schwer, das zu verstehen, aber nur, weil diese Leute den Terminkalender noch nie gesehen hatten.

      Phillip wälzte sich aus dem Bett, das sich in seiner offiziellen Residenz befand, derselben Hütte, die er seit zehn Jahren bewohnte. Er streckte seinen Rücken durch und bereute zum tausendsten Mal, dass er die Fähigkeit, den Alterungsprozess anzuhalten, erst so spät erhalten hatte. Mit Mitte vierzig und einer, wie es für sein Alter zu erwarten war, gesteigerten Leibesfülle. Er zog irgendein Frühstück aus seinem Hut und aß verschlafen vor sich hin. Danach war er so gut wie wach und machte sich mit Stab, spitzem Hut und in hellblauer Robe auf den Weg zur Arbeit. An manchen Tagen hatte er Lust, großspurig vor aller


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