Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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Busnachs dem großen Publikum abschwächende Zugeständnisse machte. »Thérèse Raquin« und »Bouton de rose«, die er ohne fremde Mitwirkung ausführen ließ, wurden ausgezischt; »L'Assommoir« hingegen, »Le ventre de Paris« und »Nana« behaupteten sich lange auf dem Theaterzettel, während »Germinal«, bei dem Z., wie er hatte verkündigen lassen, das meiste tat, nach 17 Vorstellungen einging und »Renée« (Bearbeitung der »Curée«), für die er ganz allein verantwortlich war, nicht einmal einen Achtungserfolg erzielte. Als Z. sein Hauptwerk, die Geschichte der »Rougon-Macquart«, vollendet hatte, unternahm er die Städtetrilogie: »Lourdes«, »Rome«, »Paris« (1894 bis 1898), worin ein schwärmerischer junger Priester zum Sozialisten und Freidenker wird. 1898 griff Z. durch den Artikel »J'accuse« in der »Aurore« mit Wucht in die Dreyfusaffäre ein. Er wurde deshalb als Verleumder des Kriegsgerichts, das den wahren Verräter Esterhazy freigesprochen, von den Pariser Geschwornen verurteilt, appellierte und wurde in Versailles nochmals verurteilt, entzog sich aber durch die Flucht nach England der Haft. Er kehrte 1899 nach dem Revisionsbeschluß des Kassationshofes nach Paris zurück, lebte meist auf seinem Landgut in Médan und starb in Paris im Schlafe durch Kohlenoxydvergiftung, da der Ofen seines Schlafzimmers beschädigt war. Seine Leiche wurde 4. Juni 1908 im Panthéon beigesetzt und ein großes Denkmal wird in Paris 1909 enthüllt werden. Infolge der Dreyfusaffäre nahm auch Zolas Dichtung einen politisch lehrhaften, meist optimistischen Charakter an. Er kündigte »Les quatre Evangiles« an, vollendete aber nur drei: »Fécondité« (1899), »Travail« (1901), »Vérité« (1902). »Justice« blieb Projekt. Die Artikel zur Dreyfusaffäre vereinigte der Band »La Véritéen marche« (1899). Nachdem der Komponist A. Bruneau aus »Le Rêve« eine erfolgreiche Oper (1891) gemacht, schrieb Z. eigens für ihn die Opernbücher »Messidor« (1897), »L'Ouragan« (1901) und »L'Enfant-Roi« (1905 ausgeführt), die geringern Erfolg hatten. Drei Bände »Correspondance« erschienen 1907–08. Zu dem Sammelwerk »Les Soirées de Médan« (1882), das die Namen von Céard, Hennique, Huysmans, Alexis und Maupassant vereinigte, steuerte Z. die Novelle »L'attaque du moulin« bei, aus der Bruneau ebenfalls eine Oper (1892) machte. Zolas Bildnis s. Tafel »Medaillen VI«, Fig. 6. Vgl. P. Alexis, Émile Z., notes d'un ami (Par. 1882); J. ten Brink, Emil Z. und seine Werke (deutsch, Braunschw. 1887); die Schmähschrift von Ant. Laporte, Z. contre Z. (Par. 1896); Toulouse, Emile Z., enquête medico-psychologique (das. 1896); »Les personnages des Rougon-Macquart«, mit Vorrede von Ramond (1901); Vizetelly, Emile Z., novelist and reformer (Lond. 1904; deutsch, Berl. 1905); Brulat, Histoire populaire d'Émile Z (Par. 1907); Massis, Comment Émile Z. composait ses romans (das. 1906); M. G. Conrad, Émile Z. (Berl. 1906); Grand-Carteret, Z.en image (Par. 1908).

      Die Eroberung von Plassans

      Erstes Kapitel.

      Desirée klatschte in die Hände. Sie war ein Mädchen von vierzehn Jahren, aber für ihr Alter kräftig entwickelt. Sie lachte wie ein Kind von fünf Jahren.

      Mutter! Mutter! rief sie. Schau doch meine schöne Puppe!

      Sie hatte von ihrer Mutter einen Flicken bekommen, aus dem sie sich seit einer Viertelstunde abmühte, eine Puppe zu formen, indem sie ihn an einem Ende mit einem Zwirnfaden umwand. Martha sah von ihrem Strumpfe, den sie eben sorgfältig ausbesserte, lächelnd zu dem Mädchen hinüber:

      Aber das ist ja nur ein Püppchen und keine Puppe, sagte sie. Du weißt doch, eine Puppe muß einen Rock haben wie eine Dame.

      Mit diesen Worten nahm sie aus der Lade ihres Nähtischchens einen Fleck Kattun und gab ihn Desirée; dann beugte sie sich wieder über ihre Arbeit. Beide saßen in einer Ecke der schmalen Terrasse; die Tochter auf einem Schemel zu den Füßen der Mutter. Die Sonne ging an diesem schönen Septemberabende eben unter und übergoß sie mit ihrem ruhig warmen Lichte, während der Garten, der sich vor ihnen ausbreitete, schon im Halbdunkel lag und allmählich in Schlaf sank; kein Laut war in diesem einsamen Winkel der Stadt vernehmbar.

      Schweigend arbeiteten die beiden einige Minuten weiter: Desirée gab sich unendliche Mühe, für ihre Puppe einen Rock zusammenzubringen, während Martha zeitweilig von ihrer Arbeit aufsah und mit einer gewissen Traurigkeit auf das Mädchen blickte. Als sie bemerkte, wie sich das Kind nutzlos abmühte, sagte sie:

      Gib her! Ich werde die Arme machen.

      Sie nahm die Puppe in die Hand. In diesem Augenblicke kamen zwei Jünglinge von siebzehn und achtzehn Jahren die Treppe herunter und begrüßten Martha.

      Sei nicht böse, Mutter, sagte Octave lächelnd, ich habe Serge mit zur Musik genommen... Was für eine Menge Leute auf der Promenade Sauvaire waren!

      Ich glaubte, ihr müßtet noch in der Schule bleiben, erwiderte die Mutter; sonst würde ich mich geängstigt haben.

      Aber Desirée dachte jetzt nicht mehr an ihre Puppe; sie warf sich Serge um den Hals und rief:

      Denke dir, der blaue Vogel, den du mir geschenkt hast, ist mir entflohen.

      Sie war nahe daran, bei diesen Worten zu weinen, und ihre Mutter, die geglaubt hatte, daß sie an diesen Verlust nicht mehr denke, zeigte ihr vergebens die Puppe, um sie zu beruhigen; das Mädchen nahm den Bruder bei dem Arme und zog ihn in den Garten fort mit den Worten:

      Komm, ich will es dir zeigen.

      Serge, der stets gefällig war, ging mit, wobei er sie zu trösten suchte. Desirée führte ihn zu einem kleinen Gewächshaus, vor dem auf der Erde ein kleiner Vogelkäfig stand. Hier zeigte sie ihm, wie der Vogel in dem Augenblicke entfloh, als sie die Türe des Bauers öffnete, um zwei Vögel, die raufen wollten, auseinanderzubringen.

      Nun, sagte Octave, der sich auf das Geländer der Terrasse gesetzt hatte, das ist doch ganz natürlich: sie greift immer in dem Käfig herum, schaut, wie sie gebaut sind, was sie in der Kehle haben, daß sie so singen; neulich trug sie die Vögel einen ganzen Nachmittag in der Tasche herum, damit sie warm bleiben.

      Octave! rief Martha vorwurfsvoll, laß doch das arme Kind in Ruh'!

      Desirée hatte nicht gehört; sie erzählte Serge lang und breit, auf welche Weise der Vogel entkommen war.

      Schau, so ist er herausgekommen; dann flog er dort hinüber und setzte sich auf den Apfelbaum des Herrn Rastoil; von dort flog er da hinüber auf den Pflaumenbaum, kam dann wieder zurück und schwirrte über meinen Kopf hinweg zu den großen Bäumen der Unterpräfektur hinüber, wo ich ihn aus den Augen verlor – für immer.

      Die Kleine weinte.

      Vielleicht kommt er doch noch zurück, meinte Serge.

      Glaubst du wirklich? ... Weißt du, ich möchte die anderen Vögel in eine Schachtel tun und den Käfig die ganze Nacht offen stehen lassen.

      Octave lachte. Martha aber rief das Mädchen zu sich und gab ihr die Puppe, die prächtig ausgefallen war: sie hatte einen steifen Rock, den Kopf bildete ein Stöpsel aus Stoff und die Arme waren an den Schultern festgenäht. Desirée freute sich ungemein darüber und setzte sich, ohne weiter an den Vogel zu denken, auf den Schemel, und herzte und küßte die Puppe in kindlicher Freude.

      Serge stand neben seinem Bruder; Martha beugte sich wieder über ihren Strumpf.

      Nun, fragte sie, wie hat die Musik gespielt?

      Ja, sie spielt jeden Donnerstag, erwiderte Octave. Du solltest doch auch einmal mitgehen; die ganze Stadt ist dort: die Fräulein Rastoil, Frau von Condamin, Herr Paloque, die Frau und Tochter des Bürgermeisters. Warum gehst du nicht auch hin?

      Martha sah auf und erwiderte leise:

      Ihr wißt doch, Kinder, daß


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