Gedichte. August von Platen
ich soll? Wer löst mir je die Frage?
Was ich kann? Wer gönnt mir den Versuch?
Was ich muß? Vermag ich's ohne Klage?
So viel Arbeit um ein Leichentuch?
Kommt und lispelt Mut ins Herz mir, zarte
Liederstimmen, die ihr lange schlieft,
Daß ich, wie ein Träumer, nicht entarte,
In verlorne Neigungen vertieft.
VIII.
Mag der Wind im Segel beben
Steuernd nach dem Land der Pracht,
Wo der Freiheit stolzes Leben
Zwischen Palmen auferwacht.
Der erhitzte Wahn der Jugend,
Der das Glück sich fern verheißt,
Weiche deiner strengern Tugend,
Weiche deinem größern Geist!
Soll der letzte Stern erbleichen
An des deutschen Himmels Rand,
Oh, so decken unsre Leichen
Das verlorne Vaterland!
IX.
Wann des Gottes letzter, milder
Schimmer sich vom See verlor,
Steigen mir Gedächtnisbilder
Aus der Welle Nacht empor:
Malen mir des Kahnes Schwanken
Den gefurchten Pfad entlang,
Als die Morgenlüfte tranken
Zauberischen Liederklang.
Malen mir, von Berges Kuppe
Schweifend, den ergötzten Sinn,
Und die ländlichschöne Gruppe
Um den Herd der Sennerin.
Malen mir die Felsgehege,
Wo die Alpenrose hangt,
Welche nicht durch Menschenpflege
In des Tales Gärten prangt.
Nächtlich fühl ich jetzt ein Bangen,
Wann der See gehoben wallt;
Jene Tage sind vergangen,
Jene Stimmen sind verhallt.
Frostige Nebel steigen, welche
Berg und Kuppe trüb umziehn,
Und die roten Alpenkelche
Werden mit dem Sommer fliehn.
Bald, verjagt von Sturm und Flocken,
Zieht die Hirtin froh ins Tal,
Und es tönt der Hall der Glocken
Von der Höh zum letzten Mal.
X.
Willst du lauen Äther trinken
Auf dem hohen Götterpferde?
Wie Bellerophon zur Erde
Bebst du nicht zurück zu sinken?
Daß sich nicht dein Herz verblute,
Wisse deinen Trieb zu steuern:
Sei wie Flaccus auf dem teuern,
Einzigen Sabinergute!
Bist du nicht gewohnt vor Allen,
Als der Einsamkeit Geweihter,
Ohne Fußpfad und Begleiter
Durch den stillen Forst zu wallen?
Dir genüge, wenn die Föhren,
Die den Schutz der Wolken suchen,
Wenn die dickbelaubten Buchen
Deine sanften Lieder hören!
Wiesenblumen pflück und schweige,
Pflück und blicke nicht nach oben,
Denn für dich sind nicht gewoben
Jene dunkeln Lorbeerzweige!
XI.
Auf Gewässer, welche ruhen,
Weil gebändiget vom Eise,
Zieht die Jugend leichte Kreise,
Wandelnd auf den Flügelschuhen.
Doch ich wandle, Freund, alleine,
Freund, allein und nicht zum Ziele:
Der Gestalten sind so viele,
Leider aber nicht die deine.
Hefte den Kothurn der Wogen
An die leichten Hermesfüße,
Daß begegnend bald dich grüße,
Dem du dich so lang entzogen!
Welch ein Glück, dahin zu schwinden
Auf der Fläche, klar und eben,
Magisch sich vorüberschweben,
Fliehn sich und sich wiederfinden!
Aber ist es nicht vergebens?
Weilst du nicht, was kann es frommen?
Dies unstäte Gehn und Kommen
Ist das wahre Bild des Lebens.
XII.
Werden je sich feinde Töne
Fügen im verbundnen Klange?
Ich mit meinem düstern Drange,
Du in deiner Jugendschöne?
Heiter schlürfst du leichte Stunden,
Dem es nie vergebens tagte:
Ich ersehne das Versagte
Und beweine, was verschwunden.
Du, zu deines Mädchens Laren
Kommst du nächtlich oft gegangen,
Schmiegst dich an die zarten Wangen,
Wühlst in ihren seidnen Haaren:
Während ich, der im Gemüte
Auf den Wink der Gunst verzichtet,
Bücher vor mir aufgeschichtet,
Überm Rauch der Lampe brüte.
Freund, es war ein eitles Wähnen,
Daß sich unsre Geister fänden,
Unsre Blicke sich verständen,
Sich vermischten unsre Tränen:
Laß mich denn allein, versäume
Nicht