Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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wie in dieser Sekunde.

      Sie hatte Lisa wie ein eigenes Kind geliebt, und so würde es bleiben.

      *

      Sabine und Nicolas trafen sich an der Tür zu Michaels Krankenzimmer. Sie trocknete schnell die Tränen, die in ihren Augenwinkeln standen.

      »Stör sie jetzt nicht«, bat sie. »Sie hält Zwiesprache mit ihm. Er ist ganz ruhig geworden, als sie seine Hände streichelte. Wie viel Kraft sie hat!«

      Und du, dachte er. Sein Herz zog sich zusammen. Noch immer wusste sie nichts. Noch waren sie abgeschirmt von der Außenwelt.

      »Ich werde Schwester Meta ablösen«, fuhr Sabine nach einer kurzen Pause fort. »Frau Thewald hat das Essen gebracht. Du musst dich jetzt auch stärken, Nicolas.«

      »Hast du etwas gegessen?«, fragte er besorgt.

      »Ich bringe keinen Bissen herunter.

      Wer war das, Nicolas? Wer hat auf Michael geschossen?«

      Ahnte sie etwas? Warum fragte sie so eindringlich? Seine Kehle war trocken. Er wagte nicht, sie anzusehen.

      »Du weißt es«, sagte er schleppend. »Und ich weiß es auch. Ich ahne es schon lange. Früher war hier ja Frieden. Erst seit ich hier bin …«

      »Still, sprich nicht weiter!«, stieß sie hervor.

      »Quäl dich nicht, Sabine, er ist tot. Er hat sein Leben selbst beendet.« Sie unterdrückte einen Aufschrei.

      Ganz fest pressten sich ihre Lippen aufeinander.

      »Und was ändert das?«, fragte Sabine nach einem langen Schweigen, das wie eine Mauer zwischen ihnen stand. »Ich bringe dir kein Glück«, fuhr sie fort. »Es war nur ein Traum mit einem bitteren Erwachen.«

      *

      Er musste ihr auch jetzt wieder Zeit lassen. Mit Worten konnte man nichts erreichen. Wer wusste das besser als er. Nicolas hatte André eingeweiht. Erfahren würde er es ja doch, und es war besser, wenn er es aus seinem Mund erfuhr.

      »Scheußliche Geschichte«, sagte André. »Weiß es Sabine schon?«

      »Ja, würdest du ab und zu nach ihr sehen? Sie ist bei Peter.«

      »Braucht sie dich jetzt nicht mehr, Nicolas?«

      »Ich fürchte, sie ist weiter denn je von mir entfernt.«

      »Vielleicht fürchtet sie, dass der Schatten dieses Mannes zwischen euch steht«, meinte André bedächtig.

      »Ich befasse mich nicht mit Schatten, und ich möchte auch keinen in unser Leben einbeziehen. Er ist tot, und Michael wird leben. Allein das gilt. Es ist doch absurd, wenn Sabine Schuld bei sich sucht.«

      »Willst du ihr nicht helfen?«, fragte André verwundert.

      »Sie wird sich nicht helfen lassen wollen, also muss sie allein damit fertig werden. Wir werden morgen noch mehr Arbeit bekommen, André. Ich muss noch einige Dispositionen treffen. Wenn du mich brauchst, ich bin in meinem Arbeitszimmer.«

      Und dort blieb er bis Mitternacht.

      Dann ging er doch noch einmal zu dem kleinen Peter.

      Regungslos saß Sabine an seinem Bett und beobachtete ihn. Sie hob auch nicht den Kopf, als Nicolas eintrat.

      »Willst du dich nicht niederlegen?«, fragte er sanft.

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Es könnte etwas Unvorhergesehenes passieren«, sagte sie leise.

      »Es wird nichts passieren. Er wird schlafen.«

      »Man weiß doch nie, was die nächste Stunde bringt.«

      Aber die Nacht ging vorbei, ohne dass etwas geschah. Schwester Meta löste Sabine ab und Lotte Thewald Lisa. Sie waren beide so erschöpft, dass sie kein Wort mehr sprachen.

      *

      Erst am übernächsten Tag erwachte Michael aus der Bewusstlosigkeit.

      Wie heiß hatte Lisa diesen Moment ersehnt. Ihre Augen hingen an seinem Gesicht, und sie beobachtete, wie sich die Lider millimeterweise hoben.

      »Lisanne«, flüsterte er, als sie sich über ihn beugte.

      »Michael«, hauchte sie.

      Der Schein eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht.

      »Du, ich kann dich hören, Lisanne.

      Träume ich?«

      »Du darfst nicht so viel reden«, mahnte sie.

      Grübelnd blickte er sie an. Sie spürte, wie angestrengt er nachdachte.

      »Du sprichst mit mir«, sagte er ungläubig.

      »Ich werde sehr viel mit dir sprechen, wenn es dir besser geht. Pst!« Sie legte ihren Finger auf seine Lippen.

      Mit einem ungläubigen Lächeln schlief er wieder ein, und es blieb lange auf seinem Gesicht.

      Später, als Nicolas kam, lächelte auch Lisa.

      »Michael hat mit mir gesprochen«, flüsterte sie.

      Nicolas fühlte seinen Puls. »Er schläft jetzt ganz ruhig«, bemerkte er. »Ich muss mit dir sprechen.«

      »Sag nicht, dass ich mich ausruhen soll«, begehrte sie auf. »Ich bleibe bei ihm!«

      »Du kannst nachher wieder zu ihm gehen. Es gibt jetzt auch noch etwas anderes, was dich bewegen wird, Lisanne.«

      »Es gibt nichts, was mir wichtiger wäre als Michael.«

      »Auch nicht Jill?«

      »Was ist mit Jill?«, fragte sie erschrocken. »Ist sie krank?«

      »Sie spielt ganz friedlich, aber was ich mit dir zu reden habe, geht sie an. Lassen wir Michael schlafen. Du wirst dich bald mit ihm unterhalten können. Er hat eine Konstitution wie ein Bär.«

      Darauf hatte er gebaut, aber erst heute bekam er die Bestätigung dafür. Es erleichterte ihn. Lisa hatte er seine gewaltigen Sorgen nicht spüren lassen.

      Sie folgte ihm nur zögernd in sein Arbeitszimmer.

      »Ich habe Jill vernachlässigt«, sagte sie entschuldigend. »Aber sie wird es verstehen.«

      »Darum geht es nicht. Ich bekam heute einen Brief. Das heißt, es waren drei Briefe. Einer war an André gerichtet, einer an Michael und einer an mich. Aber sie haben nie den gleichen Inhalt, nur wollte der Absender ganz sichergehen, dass einer von uns diesen Brief auch erhält.«

      »Was hat das mit Jill zu tun?«, fragte sie verwundert.

      »Du erinnerst dich an jenen Morgen am Genfer See? André hat mir davon erzählt. Eine junge Frau rief den Namen Jennifer.«

      »Ja, ich erinnere mich.« Fragend sah sie ihn an.

      »Aller Wahrscheinlichkeit nach war es Jills Mutter«, erklärte er.

      »Aber ihre Mutter ist ums Leben gekommen«, rief Lisa. »Es war ein schreckliches Unglück, Nicolas. Es hat mich sehr bewegt und mich an etwas erinnert, was weit zurückliegt.«

      Seine Brauen schoben sich zusammen, und augenblicklich war ihm Lisa noch wichtiger als Jill.

      »Du meinst den Brand, als du noch ein kleines Mädchen warst«, bemerkte er gedankenverloren. »Hast du dich daran erinnert?«

      »Ja, es war ein Brand, und jemand holte mich aus dem Zimmer. Es war nicht Maman!« Sie hielt inne und lauschte diesem Wort nach. »Was habe ich eben gesagt?«, fragte sie.

      »Jemand holte dich aus dem Zimmer, und es war nicht Maman«, wiederholte er betont.

      »Maman? Wie komme ich auf Maman?«

      »Weil du sie so genannt hast, Lisanne.

      Du warst mit deiner Mutter in einem Hotel, in dem ein


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