Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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nicht darüber nach, dass du ihr schaden könntest?«

      »Misch dich da bitte nicht ein, André! Ich will Lisa nicht schaden. Ich habe sie gern, vielleicht ist es auch mehr. Ich denke nicht, dass ich darüber Rechenschaft ablegen müsste. Aber wenn du es genau wissen willst, vielleicht werde ich sie heiraten.«

      »Eine Frau, die nicht sprechen kann, die dir niemals etwas sagen kann? Willst du dich zum Märtyrer machen, Michael?«

      »Ich mag es nicht, wenn du so redest. Mich interessiert nicht, ob sie sprechen kann. Ich verstehe sie auch so.«

      »Nach ein paar Stunden?«, fragte André gedehnt.

      »Nach ein paar Stunden. Ich bin zwar kein Arzt und auch kein Psychologe, aber ich verstehe sie eben, das muss dir genügen.«

      Mit brennenden Augen starrte Michael ihn an.

      »Ich bin doch nicht dein Feind, Michael. Ich bin dein Freund. Aber ich bin auch Nicolas’ Freund, und er fühlt sich verantwortlich für Lisa.«

      »Dann werde ich ihm die Verantwortung abnehmen.«

      »Nicolas liebt deine Schwester«, bemerkte André leise.

      Michael warf den Kopf in den Nacken. Ganz weit waren seine Augen, und ein ungläubiger Ausdruck war in ihnen.

      »Das kannst du sagen, nachdem Florence erst ein paar Wochen tot ist?«, entgegnete er heiser. »Florence, deine Schwester, die er geliebt hat?«

      »Hast du sie nicht auch geliebt?«

      Ein langes Schweigen war zwischen ihnen.

      »Ich wusste von Anfang an, dass sie unerreichbar für mich sein würde«, sagte Michael mit schwerer Zunge.

      »Vielleicht wusste Nicolas das auch. Für wen war sie erreichbar? Für niemanden, nicht einmal für ihren Bruder. Versteh mich doch! Fast kommt es mir so vor, als würden wir alle auf der Flucht sein vor uns selbst, weil wir hilflos zusehen mussten, wie sie starb. Wir flüchten uns zu jenen Menschen, die hilflos sind.«

      »Lisa ist nicht hilflos«, erklärte Michael. »Sie kann mir eher helfen als ich ihr.«

      »Brauchst du denn Hilfe, Michael?« Der andere schwieg ein paar Sekunden.

      »Es bleibt dabei«, sagte er dann. »Ich fahre Lisa heim.«

      *

      Manuel hatte Bambi viel zu erzählen gehabt. Dass seine Mami nun doch mit Papi nach Paris fahren würde und dass Sabine dann zu ihnen kommen wollte.

      »Sie will wirklich«, erklärte er, als Bambi ungläubig schaute. »Vier Tage.«

      Sie streckte sich, weil es sie kränkte, dass Manuel schon wieder gewachsen war und sie nicht. Und nun stellte er es auch noch fest. Er war sehr stolz.

      »Ich bin jetzt schon ein ganzes Stück größer als du«, sagte er.

      »Wachse ich eigentlich gar nicht mehr?«, meinte Bambi empört.

      »Nur nicht so schnell wie ich. Teta sagt, bei mir ist der Knoten gerissen, aber ich bin ja auch ein Junge, und außerdem gehe ich schon in die Schule.«

      »Jetzt werde ich auch bald sechs, und dann wachse ich auch.«

      »Du bist niedlich so«, beteuerte er. Für solche Komplimente hatte Bambi noch nichts übrig mit ihren fünf Jahren.

      »Alle wollen, dass ich klein bleibe«, beschwerte sie sich. »Kann Sabine eigentlich mit kleinen Kindern umgehen?«

      Bisher hatte sie immer »Fräulein von Jostin« gesagt, aber da Manuel sie schlicht Sabine nannte, nahm sie sich diese Freiheit auch.

      »Sie ist doch noch gar keine Mami.«

      »Aber sie kann’s ganz gut«, meinte Manuel. »Sie ist sehr nett. Du kannst zu uns kommen, wenn sie da ist, und sie besser kennenlernen.«

      »Kannst du es denn leiden, dass deine Mami auch wegfährt?«, erkundigte sich Bambi. »Ich möchte das gar nicht so gern.«

      »Papi will Mami immer dabei haben, sonst wird er grantig«, sagte Manuel. »Wenn wir mal verheiratet sind, Bambi, musst du auch immer mitkommen.«

      Bambi blickte ihn tiefsinnig an.

      »Du willst mich auch heiraten?«, fragte sie ernsthaft mit gekraustem Näschen.

      »Wer denn noch?« Manuel war sichtlich betroffen.

      »’ne ganze Menge, der Jerry, und der Flori, aber wenn ich erst groß bin, dann heirate ich den Hannes.«

      »Hannes ist doch dein Bruder!«, ereiferte sich Manuel.

      »Wenn ich groß bin, ist er nicht mehr mein Bruder«, entgegnete Bambi energisch. »Aber das verstehst du nicht.«

      »Dein Bruder bleibt immer dein Bruder. Wenn du zur Schule gehst, lernst du das schon. Und Jerry ist ja noch kleiner als du.«

      Wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gab, dann nur deswegen, weil Bambi auch noch andere Freunde hatte und weil Manuel das nicht gern sah. Mit Mädchen konnte sie ruhig spielen, aber mit Jungen war er nicht so nachsichtig. Schließlich war er ihr bester Freund gewesen, und das wollte er auch bleiben.

      Bambi war nicht streitsüchtig. Wenngleich sie immer kampfeslustig gestimmt war, wenn man sie so nachdrücklich darauf hinwies, dass Hannes ihr Bruder wäre und sie ihn nicht heiraten könnte, wollte sie sich deswegen doch nicht mit Manuel in die Haare kriegen.

      »Hat Tante Marianne immer noch die Grippe?«, lenkte sie ab.

      »Mächtigen Schnupfen hat sie noch, deswegen will sie uns ja auch nicht anstecken.«

      »Sie muss mal Opis Tropfen nehmen«, sagte Bambi, »die helfen gleich, und vielleicht braucht Sabine dann gar nicht zu euch zu kommen.«

      »Sie kann aber gern kommen. Omi kann nicht dauernd hinter den Zwillingen herflitzen, und Teta auch nicht.«

      »Ich kann ja aufpassen«, schlug Bambi vor.

      Manuel warf ihr einen schrägen Blick zu.

      »Magst du Sabine nicht?«, fragte er.

      »Doch, ich mag sie schon, aber wenn nun der alte Baron von Rieding wütend wird, dass sie bei euch im Haus ist? Er hat doch auch keine Jostins leiden können.«

      »Er ist doch tot«, entgegnete Manuel. »Ihm kann’s gleich sein, und Mami hat Sabine gern. Sie verstehen sich prima.«

      »Und wenn nun der Geist umgeht und sie erschreckt?«, meinte Bambi skeptisch.

      »Welcher Geist denn?« Manuel war bei Weitem nicht mehr so ängstlich wie früher einmal.

      »Der von den Riedlings. Die Ritter hatten doch Geister«, überlegte Bambi. »Du, Manuel, glaubst du, dass das vielleicht auch ein Geist ist, der dauernd schießt?«

      »Geister schießen nicht«, belehrte er sie. »Vielleicht ist es ja doch der Gruber-Bauer.«

      »Bestimmt nicht«, ereiferte sich Bambi. »Der Gruber-Bauer ist nämlich gar kein böser Mann. Heute Morgen war er wieder bei uns und hat mich besucht. Und nun soll ich ihn auch mal besuchen.«

      »Kann ich da mitkommen?«

      »Da muss ich ihn erst fragen. Das erste Mal lieber nicht. Man muss alles ganz langsam machen. Nur nichts überstürzen«, sagt Mami. »Er kann aus seiner Haut ja nicht raus. Aber zu mir ist er jetzt ganz lieb, und er bringt mir auch immer was mit. Willst du mal sehen, was er mir heute mitgebracht hat?«

      Natürlich wollte Manuel das sehen.

      Es war ein Kaleidoskop, und wenn man es vors Auge hielt und drehte, formten sich bunte Bilder.

      »Das hat Viktoria gehört«, erzählte Bambi. »Wenn sie beim Gruber-Bauern war und ihn besucht hat, hat sie es immer angeschaut.«

      »Wer ist Viktoria?«, fragte Manuel.

      »Das war auch mal ein Kind, das er gernhatte,


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