Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
er verkauft den Wald nicht«, meinte Manuel. »Will er ihn dir immer noch schenken, Bambi?«
»Mami hat gesagt, das geht nicht, und er soll auch nicht denken, dass ich lieb mit ihm bin, bloß weil er mir was schenken will. Die Hauptsache ist, dass er ihn nicht an die fremden Leute verkauft. Aber Kummer macht es ihm schon, dass sein Wild immer beschossen wird. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Ob der Mann eine Tarnkappe hat, dass ihn keiner sieht?«
»Papi sagt, das ist vielleicht einer, dem man es gar nicht zutraut, und der allen ins Gesicht schöntut.«
Bambi tippte sich an die Nase. Das tat sie immer, wenn sie nachdachte.
»Bösen Menschen sieht man an, wenn sie böse sind«, bemerkte sie. »Wenn Jonny ihn bloß mal suchen dürfte, der würde ihn bestimmt schnappen.«
»Und wenn er dann auch totgeschossen wird?«
»Das ist es ja eben, deswegen lassen wir ihn ja nicht los. Das will der Gruber-Bauer auch nicht.«
*
Felix Münster, Werner Auerbach und der Polizeiinspektor Helmers, die heute wegen des vermeintlichen Wilderers eine Besprechung hatten, waren zu einer ganz anderen Überlegung gekommen.
»Mir drängt sich einfach der Gedanke auf, dass dieser Mensch etwas anderes im Schilde führt«, äußerte Werner Auerbach nachdenklich. »Er knallt jetzt in der Gegend herum … Aber sicher ist das absurd. Meine fantasievolle Familie wird mich angesteckt haben.«
»Sprich es aus, Werner«, forderte Felix Münster ihn auf. »Ich habe auch eine Theorie. Vielleicht decken sich beide.«
»Er mag nur den Anschein erwecken wollen, ein Wilderer zu sein, und hat es eigentlich auf einen Menschen abgesehen«, rückte Werner Auerbach zögernd mit seiner Meinung heraus.
»Ein kaltblütiger Mörder, der nur darauf wartet, dass ihm der Richtige vor die Flinte läuft«, sagte Felix Münster sinnend.
»Der Gruber?«, fragte Polizeiinspektor Helmers entsetzt.
»Oder jemand anders«, warf Felix Münster ein. »Der Gruber-Bauer wohnt doch schon ein Leben lang hier, und nie ist in seinem Wald gewildert worden. Er hatte keine Freunde, aber auch keine Feinde.«
»Wer aber hat Feinde?«, bemerkte Werner Auerbach.
»Das ist die Frage. Vielleicht ich, vielleicht du, vielleicht Dr. Allard. Ich habe lange nachgedacht.« Felix Münster machte eine kleine Pause. »Angefangen hat es doch erst, seit Allard hier ist.«
»Dann dürfen wir Fräulein von Jostin aber auch nicht ausschließen«, stellte Helmers fest. »Ob es noch einen Erben gibt, der sich benachteiligt fühlt?«
»So weit wollen wir nun doch nicht denken«, entgegnete Felix Münster. »Aber es wird besser sein, wenn wir uns nicht allzu sehr auf einen Wilderer oder Streuner konzentrieren, sondern einfach auf Fremde, die erst in letzter Zeit hier aufgetaucht sind. Es ist zwar ein scheußlicher Gedanke und es passt nicht zu unserer friedlichen Gegend, aber wir können nicht Augen und Ohren verschließen vor der Tatsache, dass sich diese Knallerei immer wiederholt.«
»Und immer in ganz bestimmten Abständen«, erklärte Inspektor Helmers, »jedenfalls immer an den Wochenenden, wenn die Besichtigungstage für die Felsenburg sind und mehr Auswärtige hier herumschwirren. Und wenn wir Tierkadaver gefunden haben, dann immer in dem Waldstück, das an den Jostinschen Besitz grenzt.«
Werner Auerbach und Felix Münster hatten genug nachzudenken, als sie gemeinsam heimwärtsfuhren.
»Man weiß so wenig von Allard. Vielleicht hat er Feinde, die ihm nachspüren«, sagte Felix Münster gedankenvoll. »Womöglich glaubte er, sich hier verstecken zu können. An einen etwaigen weiteren Erben kann ich nicht glauben.«
»Es gibt auch keinen. Dr. Allard und Sabine von Jostin sind die Alleinerben. Michael von Jostin kommt nicht infrage. Nachgedacht haben wir auch schon darüber, warum Allard als gebürtiger Franzose sich hier niederlässt. Er hatte sich übrigens schon einen Namen gemacht als Neurologe.«
»Also Neurologe? Weißt du das bestimmt, Werner?«
»Ganz bestimmt. Inge hat sich mit ihm darüber unterhalten.«
»Dann ist es vielleicht ein Verrückter, der ihn verfolgt hat. Einer, den er mal in ein Irrenhaus gesteckt hat? Verfolgungswahn kann gefährliche Ausmaße annehmen.«
»Mach mich nicht schwach. Ich bin doch einer der größten Befürworter seines Projekts.«
»Das ja auch ein Kinderkrankenhaus wird und nicht eine Nervenklinik. Aber wenn ich aus Paris zurückkomme, werde ich mich doch einmal näher mit ihm beschäftigen.«
Wenn es dann nicht schon zu spät ist, dachte Werner Auerbach, aber das behielt er lieber für sich.
*
Ganz vergaß Felix Münster dieses Problem auch nicht; als er daheim erfuhr, dass Sabine die Kinder während Sandras Abwesenheit betreuen würde.
Er hatte gelernt, sich zu beherrschen, und unterhielt sich liebenswürdig mit Sabine. Aber unentwegt überlegte er, wie er das Gespräch auf Dr. Allard bringen könnte, ohne dass sie stutzig wurde. Ahnungslos half Sandra ihm dabei.
»Wir haben einen Namen für die Klinik gefunden«, erklärte sie unbekümmert. »Wie gefällt dir Sternsee-Klinik?«
»Sehr gut. Soll es eigentlich immer eine Kinderklinik bleiben?«
»Aber gewiss! Hegen Sie Zweifel, Felix?«, fragte Sabine.
»Ich dachte nur, dass Dr. Allard eigentlich kein Kinderarzt ist«, äußerte Felix beiläufig.
»Sie meinen, weil er früher Neurologe war?«, entgegnete Sabine arglos. »Ich kann mir vorstellen, dass er einige Erlebnisse hatte, die ihn einen anderen Weg suchen ließen. Wissenschaftlich wird er aber auch noch weiterhin an der Erforschung der Nervenkrankheiten arbeiten. Meiner Ansicht nach ist er zu empfindsam, um sich auf einem Gebiet zu spezialisieren, das so wenig nachhaltige Erfolge zeitigt.«
»Haben Sie schon darüber mit ihm gesprochen?«, fragte Felix interessiert.
Sandra warf ihm einen forschenden Blick zu und hielt unwillkürlich den Atem an. Sie kannte ihren Mann so gut, dass sie den Unterton vernahm und die gespannte Aufmerksamkeit bemerkte.
»Nur einmal ganz beiläufig«, antwortete Sabine. »Wir sprachen darüber, wie winzig der Schritt von der überdurchschnittlichen, aber nicht lebensnahen Intelligenz zum übersteigerten Geltungstrieb und dann zum Wahnsinn ist. Übrigens ist Nicolas ein Arzt, der auf allen Gebieten seine Erfahrungen gesammelt hat. Er hält nichts davon, dass man sich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert. Er ist der Ansicht, dass die Ärzte der Allgemeinmedizin noch immer die zuverlässigsten wären, wenn sie ernsthaft den Menschen als Ganzes betrachten und auch die Psyche nicht außer Acht lassen.«
Felix Münster musterte Sabine mit einem unergründlichen Blick.
»Das war ja schon fast ein Plädoyer für Dr. Allard«, sagte er.
»Nicolas ist ein wunderbarer Mensch«, erwiderte sie leise.
»Auch wunderbare Menschen werden manchmal nicht verstanden«, stellte Felix fest.
»Sie meinen Hasso von Sillberg?« An den hatte Felix augenblicklich nicht gedacht.
»Oh, ich denke, dass er keine Angriffe mehr auf Dr. Allard wagen wird«, entgegnete er. Oder doch?, fragte er sich, und nun kamen ihm plötzlich ganz andere Gedanken.
»Warum hast du Sabine so in Verwirrung gestürzt?«, fragte Sandra, als sie mit ihrem Mann allein war. »Sie hat etwas übrig für Nicolas Allard. Es ist peinlich, wenn Hasso von Sillberg ins Gespräch gebracht wird.«
»Sie hat ihn doch ins Gespräch gebracht«, bemerkte er.
»Ging dein Gespräch nicht auf ihn hinaus?«, fragte sie erstaunt.
»Nein, Sandra. An Sillberg habe ich gar nicht gedacht. Aber ich meine,