Männerbacken. Katinka Uhlenbrock
zu verstecken. Doch was moralisch Recht war, sollte auch moralisch Recht bleiben und nur weil ich ihn gebacken hatte, konnte ich ihn nicht nackt in die Öffentlichkeit zerren. Schade eigentlich.
»Welche Größe hast du?«
»Größe?«, fragte Damon unschuldig und klimperte dermaßen mit seinen langen Wimpern, dass ich versucht war, ihm sein Unwissen abzukaufen.
»Ach vergiss es!« Ich riss mich von seinem Anblick los und marschierte Richtung Ausgang. »Bin in ein paar Minuten wieder da.«
Leise öffnete ich die Tür, schlich hindurch und schloss sie hinter mir wieder leise, um meiner Nachbarin keinen Grund zu geben, ihre Tür ebenfalls zu öffnen und mich in ein Gespräch zu verwickeln. Vorzugsweise darüber, wie laut ich gewesen war.
Ich seufzte; in den paar Minuten würde ich zwar nichts für die Ewigkeit kaufen können, aber es würde reichen, ihn soweit einzukleiden, um anschließend mit Damon vernünftig shoppen gehen zu können.
Zehn Minuten und einen Woolworthbesuch später war ich stolze Besitzerin einer schwarzen Männertrainingshose mit elastischem Bund, einem schwarzen T-Shirt in XL, schwarzen Socken und schwarzen Slippern in Größe 43. Mit schwarz machte man generell nie etwas falsch. Mit Größen leider schon. Gott sei Dank war das Elastikbändchen regulierbar, und Größe L … nun ja … Damon hätte auch in einem Kartoffelsack toll ausgesehen, nur dass dieser Kartoffelsack eben schwarz war und deutlich mehr Geld gekostet hatte.
»Und jetzt gehen wir einkaufen!«, befahl ich nicht nur aus diesem Grund. Wenn er schon angezogen war, dann doch bitte hübsch angezogen. Hübsch genug, um mit ihm anzugeben.
Ich verkniff mir ein Kichern, weil ich daran dachte, dass sich normalerweise nur Kerle Betthäschen hielten. Und jetzt hatte ich meinen eigenen nacktgebackenen Bett-boy. Prima!
»Hör auf so blöde zu grinsen«, muffelte Damon und sah an sich herab, als könne er einen Grund für meine gute Laune finden.
»Sorry, ich musste nur gerade daran denken, dass du jetzt so etwas wie mein Lustknabe bist.« Ich konnte spüren, wie mein Grinsen noch breiter wurde, war aber außerstande etwas daran zu ändern.
Damon runzelte die Stirn und beäugte mich misstrauisch. »Ist das gut oder schlecht?«
»Für dich oder für mich?«, hakte ich nach.
»Hey?!«, protestierte er gespielt empört und warf ein Kissen nach mir. »Wenn du frech wirst, zeig ich dir gleich, was ein Lustknabe mit dir macht!«
»Das, was du meinst, ist aber ein Lustmolch!«, kicherte ich und wich einem zweiten Kissen aus. Leider traf mich das dritte direkt und mit dem vierten stand Damon bereits vor mir, um mich an die Wand zu drücken und seinen Mund auf meinen zu pressen, als hinge sein Leben von meinem Kuss ab. Und wer weiß? Vielleicht stimmte es sogar.
Meinen Widerstand aufgebend schlang ich meine Arme um ihn und zog ihn näher, versuchte gleichzeitig zu zerfließen und mit ihm zu verschmelzen – bis ich ihm das Kissen unauffällig entwunden hatte und gleichzeitig zur Seite sprang und ihn mit meinem weichen Schlagmaterial traf.
»Oh!«, japste er. »Wie unfair!«
»Betrachte es als Vorspiel!«, schlug ich vor, hechtete aber sicherheitshalber ums Bett Richtung Ausgang.
Leider war ich die einzige Person in diesem Raum, die Rücksicht auf das Mobiliar nahm, denn Damon sprang auf das Bett und war mit drei Schritten auf der anderen Seite und schnitt mir den Weg ab.
»Mach ich doch glatt!«, behauptete er und deutete auf das Bett, als sei ich ein braves, folgsames Hündchen.
»Wenn du etwas Vernünftiges zum Anziehen willst, müssen wir jetzt Schluss machen!«
»Ich will aber nicht«, nörgelte Damon und sein Blick ließ mich genau wissen, was er stattdessen lieber machen wollte. Sein Verlangen ließ mich erröten und schickte Hitze durch mein gesamtes System. Schlagartig war mir heiß und ich fühlte mich, als könne ich gleichzeitig verglühen als auch gen Himmel schweben.
»Ich will auch nicht«, gab ich zu und hoffte, dass ich nicht so rot war, wie sich meine Wangen anfühlten.
»Aber die Vernunft …«, meinte Damon missbilligend. Es gelang ihm, eine Schnute zu ziehen, ohne dabei doof auszusehen. Für einen erwachsenen Mann war das eine reife Leistung. Vor allem, weil er mir vor Augen hielt, dass ich manchmal zu vernünftig war. Von der permanenten Dauergeilheit und der spontanen Adoption gebackener und belebter Märchenprinzen einmal abgesehen.
»Genau, die Vernunft!«, gab ich zu und zählte in Gedanken bis zehn, um der Versuchung des schlecht gekleideten Traummannes nicht nachzugeben. Damon benötigte Kleidung. Kleidung bekam man in einem Geschäft und Geschäfte hatten heute nur noch neunzig Minuten lang auf. So einfach war das.
Ich verdiente einen Nobelpreis.
Einen eigenen, der eigens nach mir benannt wurde.
Dafür, dass ich tatsächlich nicht über Damon hergefallen war – und auch nicht zugelassen hatte, dass er über mich herfiel. Ganz schön blöde eigentlich. Ganz schön gut hingegen war, dass ich es abermals geschafft hatte, aus meiner Wohnung und nach draußen zu gelangen, ohne im Treppenhaus eines der eigentlich unvermeidlichen Treffen mit meiner notorisch neugierigen Nachbarin Hexe Mayer zu haben. Was sie wohl zu mir und Damon gesagt hätte? Oder besser: über uns (also anschließend, wenn wir es nicht hören konnten).
Ich sah auf die Uhr und zog meinen grummelnden Begleiter hinter mir her in den Laden. Ein Herrenausstatter, den ich nur vom Vorbeigehen kannte. Mein Ex war immer ohne mich einkaufen gegangen. Wahrscheinlich hatte er seine doofe neue Tussi auch genau da kennengelernt, dachte ich, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Schließlich war ich diejenige mit dem Traummann an der Seite. Dem selbstgebackenen Traumprinzen. Mit dem Halbbarkeitsdatum von sieben Tagen. Also heute noch sechs. Und genau so lange würde ich genießen und Damon vorzeigen. Und zwar jedem, der ihn sehen oder eben auch nicht sehen wollte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich eine Stimme, die so klang als wolle sie hinzufügen: Ihnen ist ohnehin nicht zu helfen.
Ich drehte mich um und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie fehl ich mich am Platze fühlte. In einem Herrenfachgeschäft.
»Will ich hoffen«, entgegnete ich mit einer Betonung, die trotz meines Lächelns eine Spitze enthielt. Also den Friedensnobelpreis konnte ich mir so schon mal von der Backe putzen.
Die große Brünette, mit der Figur, um die sie jedes Model beneiden würde – selbst Giselle Bündchen – musterte mich von oben bis unten. Ich runzelte die Stirn, da ihre Gedanken offensichtlich waren. Sie glaubte, ich hätte mich verlaufen.
Irritiert drehte ich mich um, doch da war kein Damon.
»Ich könnte schwören, mein Freund wäre direkt hinter mir gewesen«, meinte ich. War Damon nicht nur ein Traumprinz, sondern auch unsichtbar? Wie in einem Hollywoodfilm? Mittlerweile wollte ich selbst das nicht mehr ausschließen. Schließlich war ich mit kitschigen Filmen groß geworden und wenn ich an das eine glauben konnte, dann auch an das andere.
Ja, dachte mein Verstand, aber du glaubst es ja gar nicht, oder?
»Ich habe niemanden gesehen?!« Die Frau trat einen Schritt näher an mich heran, vielleicht weil sie dachte, dass sie mich mit Gewalt würde entfernen müssen. Dann erst sah ich, dass sie gar nicht mehr mich ansah, sondern etwas hinter mir. Jemanden.
»Grundgütiger!«, murmelte sie und ich drehte mich wider besseren Wissens um. Gerade als Damon den Laden betrat.
»Okay«, meinte ich, und drehte mich wieder zu der Modelmaus, die mich immer noch nicht beachtete. »Wir brauchen zwei Hosen,«
»Eine«, korrigierte Damon.
»Drei Hemden,« fuhr ich ungerührt fort.
»Eines«, korrigierte Damon auch dieses Mal.
»Ein Paar