Kaiserliche Kindheit. Gabriele Praschl-Bichler

Kaiserliche Kindheit - Gabriele Praschl-Bichler


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mit den Cameraden. Nachher war ein Gouter (ein gemeinsames Essen mit den Studien- und Spielkameraden) und dann blieben wir bei der Mama.

      ›Maxi‹, der zweitälteste Bruder Erzherzog Carl Ludwigs, hieß – wie früher erwähnt – Ferdinand Maximilian, weshalb er den Namenstag mit seinem Onkel, Kaiser Ferdinand I., feierte.

      Die folgenden, wenig ereignisreichen Tage waren geprägt von Turn-, Reit-, Fecht- und Schwimmstunden, Kutschieren sowie von Promenaden mit den Eltern, der Großmutter und Erzherzog Ludwig. Abwechslung bot erst wieder Donnerstag, der 13. Juni, als man eine illustre Verwandte, ›Tante Louise von Parma‹, in ihrem Quartier in Wien besuchte. Sie entstammte der Generation der Eltern Erzherzog Carl Ludwigs und war in erster Ehe mit Kaiser Napoleon I. von Frankreich verheiratet. Aus dieser Verbindung war ihr einziger legitimer Sohn hervorgegangen: der jung verstorbene Napoleon II., der unter seinem späteren Titel eines Herzogs von Reichstadt besser in Erinnerung ist. Noch während der bestehenden Ehe mit dem im Exil lebenden Napoleon empfing Louise als frisch eingesetzte Herzogin von Parma zwei uneheliche Kinder von ihrem Liebhaber Adam Graf Neipperg, die trotz späterer Heirat niemals legitimiert wurden. Dieser Ehe folgten etliche Liebschaften mit Lehrern der Kinder, Opernsängern und Gefolgsleuten sowie eine letzte, dritte Ehe mit Carl Graf Bombelles.

      Zurück zu Carl Ludwig und seinen Brüdern. Ab 14. Juni dominierte wieder das Schönbrunner Alltagsleben, das sich in Exerzieren, Fechten, Turnen, Spielen im Freien und gemeinsamen Erlebnissen mit den Eltern und der Großmutter erschöpfte. Die geringe Abwechslung zielte darauf hin, die Kinder nicht von ihren Studien abzuhalten, da der Abschluß des Jahresunterrichts bevorstand. Die schriftlichen und mündlichen Prüfungen fanden zwischen 17. und 19. Juni statt. Ihr Ende wurde bei einem gemeinsamen Theaterbesuch mit den Eltern feierlich begangen.

      Am 20. Juni begannen Ferien vom theoretischen Unterricht, und das Freizeitprogramm nahm einen größeren Teil im Tagesablauf ein. Alle praktischen Übungen und Unterrichtsstunden wurden aber weitergeführt. Am 24. Juni fand sogar eine Prüfung im Schwimmunterricht statt, wobei Erzherzog Carl Ludwig eine Art von Freischwimmerabzeichen errang.

      Verschiedene knappe Eintragungen, die sich in nichts von den vorhergehenden unterscheiden, werden bis 4. Juli geführt, brechen dann aber bis 11. Oktober ganz ab. Die kaiserliche Familie hielt sich während dieser Zeit in Ischl (erst ab 1906 ›Bad‹ Ischl) auf, von wo die jungen Erzherzoge, Franz Joseph, Ferdinand Maximilian und Carl Ludwig, am 5. September eine mehrwöchige Bildungsreise antraten. Sie ging in Begleitung von vier Kammerherren Erzherzog Franz Carls, die bei seinen drei ältesten Söhnen als Erzieher tätig waren (den Grafen Coronini, Bombelles und Morzin sowie Baron Gorizzutti), von Salzburg über Berchtesgaden nach Innsbruck und ins Stubaital, von wo aus Bergtouren unternommen wurden. Dann setzte man die Reise in Richtung Bodensee fort, besuchte von dort aus das bayerisch-königliche Schloß Hohenschwangau und lenkte weiter gegen Süden nach Bozen und Brixen. Nach einigen Tagen des Aufenthalts ging es – über Lienz, die Radstädter Tauern und das obere Ennstal – zurück in Richtung Ischl, wo die Kinder schon auf der Strecke von der ungeduldig wartenden Mutter in Empfang genommen wurden. Allerdings mußten sie – um einer möglichen Anstekkungsgefahr zu entgehen – sofort nach Wien weiterreisen, da ihr jüngster Bruder, der zweijährige Ludwig Victor, in Ischl an Masern erkrankt war.

      Ende September, Anfang Oktober scheinen die Kinder in Begleitung ihrer Erzieher wieder in Schönbrunn gewesen zu sein. Um diese Zeit muß der regelmäßige Unterricht eingesetzt haben. Die Eintragungen ins Tagebuch wurden ab 11. Oktober wieder aufgenommen. Carl Ludwig scheint im Zuge des neuen Unterrichtsplans dazu angehalten worden zu sein, pro Tag eine ganze Seite mit Tageserlebnissen zu füllen. Diese Übung wurde allerdings nur bis zum 26. November durchgehalten, ab dann überwiegen wieder knappe, zwei- bis vierzeilige Berichte im Stil der früheren Artikel.

       1844 October

       Freitag

      11. Heute Mittags exercirten wir im Boulingrin, und nach dem Exerciren rissen wir im sogenannten Sturm die Bäume aus. In einem von den Strahlen des Sturms kommt die neue kleine Schweiz vom Maxi hin. Heute speiste Wittek da. Nachmittags gingen wir gegen Lainz und dann nach Hetzendorf, es regnete. Wir soupirten bei uns und gingen dann zum Papa, der heute seine Andacht (katholisch: das Verrichten von bestimmten Gebeten in einer Kirche oder Kapelle) verrichtete.

      Der ›sogenannte Sturm‹ war vermutlich eine militärische Übung. Daß dabei ›Bäume ausgerissen‹ wurden, bedeutet wohl, daß man Platz schaffen wollte, um ›im Fall eines feindlichen Angriffs‹ gute Sicht zu haben. Andererseits wurde das freigewordene Terrain später für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Denn mit der ›neuen kleinen Schweiz von Maxi‹ ist eine Meierei, eine Milchwirtschaft, gemeint. An solchen ›Besitzungen‹ durften die jungen Erzherzoge ihr wirtschaftliches Geschick erproben. Mit den Erträgen daraus wurde das Taschengeld aufgebessert. Jeder besaß eine kleine Anzahl nutzbringender Tiere. Wie man der Eintragung des vorangegangenen 15. Mai entnehmen kann, hatte sogar der zweijährige Ludwig Victor an seinem Geburtstag ein lebendes Lamm zum Geschenk erhalten.

      Schloß Hetzendorf und sein Areal, das sich wie Lainz in der Nähe von Schloß Schönbrunn befindet, war seit den Tagen Kaiserin Maria Theresias ebenfalls in habsburgischem Familienbesitz. Um die Zeit der Tagebucheintragung war es von einer unverheiratet gebliebenen Schwester von Carl Ludwigs Vater, Erzherzogin Maria Anna, bewohnt.

       Samstag

      12. Heute Mittags waren wir beim Franzi beim Aufnehmen (Wortsinn nicht ganz zu klären, vermutlich Geländemessungen, vgl. auch mit den Eintragungen vom 14. und 15. Oktober), wir hätten aber eigentlich reiten sollen, aber die Perponative(? – wahrscheinlich Gerüste, auf die aufgebaut wurde) zum Feuerwerk (für den nächsten Tag) sind dort aufgestellt. Nachmittags schoß der Franzi in der Fasanerie Scheiben, wir spielten dort, und unterhielten uns sehr gut. Abends waren wir beim Papa, wo auch der Onkel Ludwig war.

       Sonntag

      13. Heute Mittags fuhren wir nach Baden (etwa 20 Kilometer im Süden von Wien; das Ziel war die Weilburg, der Sommersitz der Familie Erzherzog Carls), speisten beim Onkel Carl und sahen die Hildegarde und den Albert. Dann spielten wir im Garten und fuhren um ¾ 5 Uhr fort. Wir kamen hier um ¼ 7 Uhr an, und dann war hier großes Feuerwerk, was sehr schön war. Abends waren wir beim Papa, wo der Onkel Ludwig auch war. Beim Feuerwerk waren eine Menge Menschen. Heute ist der Todestag des Großpapa von Baiern (König Maximilians I., des Vaters von Erzherzogin Sophie).

       Montag

      14. Mittags ritten wir. Der Graf Ledochowski war auf der Reitschule, und aß dann auch bei uns. Der Wittek ist auch da. Nachmittags gingen wir in die Fasanerie, wo der Franzi aufnahm, und wir spielten dort. Dann kam auch der Graf Ledochowski hin. Abends ging der Papa in’s Theater, und die Großmama ließ uns kommen. Die Amie und die Gräfin Praschma waren da.

      Bei Graf Timotheus Ledochowski handelt es sich um einen polnischen Aristokraten, der etwa ab den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in österreichischen Diensten war: zunächst als Oberstleutnant im 12. Husarenregiment, später als Dienstkämmerer bei Erzherzog Franz Carl, wo er dem Hofstaat von dessen ältesten Söhnen, Franz Joseph und Ferdinand Maximilian, zugeteilt war.

      Am 6. Oktober waren die Eltern aus Ischl zurückgekehrt. Jedoch scheint Erzherzogin Sophie Schönbrunn mit ihrem kleinen Sohn Ludwig Victor am 7. oder 8. wieder verlassen zu haben (vermutlich wegen eines Familienfestes bei ihren Verwandten in Bayern). Ihre Abreise wird im Tagebuch zwar nicht erwähnt, ihr Fehlen ist jedoch durch die verstärkte Erwähnung des Vaters, der Großmutter und des Großonkels (Erzherzog Ludwig) zu bemerken. Die Bestätigung ihrer Abwesenheit findet sich erst in der Eintragung vom 17. Oktober, da Carl Ludwigs Bruder Franz Joseph einen Brief von ihr erhielt.

       Dienstag

      15. Heute Mittags turnten wir im Boulingrin mit Franzerl. Die Amie speiste bei uns. Nachmittags gingen wir in die Fasanerie, wo der Franzi aufnahm. Abends gingen wir zum Papa, wo auch der Onkel Ludwig war. Heute ist Theresia (Der Namenstag der Therese Bombelles und der Mutter von Grafen Morzin.


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