Verborgener Ruhm. Dietmar Grieser
Jacob Stainer
Ein Sponsor von Format Der Bauunternehmer Antonio Gabrielli
Ein verbesserungsbedürftiges Weihnachtsgeschenk Der Spielzeugfabrikant Johann Korbuly
Honorar: ein Vaterunser Der Armenarzt Dr. Ladislaus Batthyány
Von Mund zu Mund Der Mediziner Dr. Peter Safar
»Vom Gehänge flott ins Tal zu gleiten …« Die Skipioniere Max Kleinoscheg und Toni Schruf
Vorwort
Verborgener Ruhm« – das ist wie alles relativ. Der eine ist, was unsere heimlichen Genies betrifft, mehr bewandert, der andere weniger. Auch über deren Nationalität im strengen Sinne läßt sich da und dort streiten; sie sind dann jedenfalls, ob Zuzügler oder bloß Auftragnehmer, durch ihr Wirken zu Österreichern geworden.
In einigen Fällen wird der geneigte Leser wohl auch in inhaltlicher Hinsicht ein Auge zudrücken müssen: Die China-Auswanderin Gertrud Wagner und die Alban-Berg-Tochter Albine Scheuchl sind nur im Sinne ihrer beispiellosen Überlebenskunst unter die »Genies« zu reihen, der Naturapostel Florian Berndl und der Restaurator Victor Jasper müssen sich mit der Gattungsbezeichnung »Sonderling« begnügen, und der selbsternannte »Goldfüllfederkönig« Ernst Winkler ist überhaupt eine anrüchige Person.
Noch etwas ist, bevor Sie sich den in diesem Buch versammelten Porträts zuwenden, klarzustellen: Es geht bei diesem Unternehmen nicht um einen Akt vaterländischen Auftrumpfens – etwa in dem Sinne: Seht her, was für tolle Burschen wir doch sind! Übertriebener Patriotismus ist auch meine Sache nicht, obwohl ich als bekennender Wahlösterreicher diesbezüglich mehr Spielraum habe als der Alteingesessene.
Worum also geht es in diesem Buch? Um Vervollständigung. Muß der Kanon der berühmten Österreicher, deren Namen wir auf Anhieb aufzählen können, immer auf Mozart, Nestroy, Klimt und Freud beschränkt bleiben? Nicht nur, um als Kandidat beim »Millionenspiel« bestehen zu können, sollten wir bei der Frage nach Leben und Werk von Franz Xaver Süßmayr, Friedrich Welwitsch oder Ladislaus Batthyány nicht gleich ins Schlingern geraten.
Ob wir es Nachhilfeunterricht in Staatsbürgerkunde nennen wollen oder schlicht einen Beitrag zur Allgemeinbildung: Schauen wir uns im imaginären Ruhmeshain jener heute Vergessenen um, die zu ihrer Zeit so Bedeutendes geleistet haben, daß dies in vielen Fällen bis in unsere Tage nachwirkt.
Ein paar Beispiele, bunt gemischt: Wer ist es, der die Postkarte erfunden hat, das Metronom, das Piktogramm, die Mund-zu-Mund-Beatmung, das Shopping Center, die Frankfurter Würstel, den einst in keinem Kinderzimmer fehlenden Spielzeugbaukasten »Matador«? Wer hat die »Venus von Willendorf« entdeckt, wer hat die »österreichische Stradivari« gebaut, wer hat den Text zu Haydns »Gott erhalte« verfaßt, wer hat den Meinl-Mohren kreiert, wer die berühmte Reblaus-Karikatur aus dem Staatsvertragsjahr 1955? Was hat es mit der legendären »Geierwally« für eine Bewandtnis, mit der Mahatma-Gandhi-Gefährtin Mira-behn? Wer verbirgt sich hinter Beethovens »Elise«, wer hinter der ägyptischen Vizekönigin Djavidan Hanum, wer hinter dem sonderbaren Pseudonym Sir Galahad? Wieso hat Wien anno 1945 einen Bürgermeister gehabt, der nur sieben Tage amtiert hat? Wer hat den ersten österreichischen Spielfilm gedreht, wer hat Jahre vor Ferdinand Porsche die Konstruktionspläne für den Volkswagen entwickelt, welcher Unternehmer hat sich, lange bevor der Begriff in Umlauf gekommen ist, als »Sponsor« einen Namen gemacht, auf wessen kriminologische »Vorarbeit« geht der Welterfolg des »Kommissar Rex« zurück?
Es sind allesamt Österreicher. Doch Österreicher, die kaum einer kennt. Lassen Sie sich überraschen!
Schließlich noch ein Wort zum Aufbau des Buches. Wie bei allen kulturgeschichtlichen Themen sind auch bei diesem die Männer in der Überzahl. Um dieses Ungleichgewicht zumindest optisch zurechtzurücken, stelle ich die von mir porträtierten Frauengestalten demonstrativ an den Anfang des Buches. Muß ich mich schon der Übermacht des sogenannten starken Geschlechtes beugen, will ich mich nicht auch noch dem Vorwurf aussetzen, gegenüber dem sogenannten schwachen ungalant zu sein.
Dietmar Grieser
Für Elise
Die Beethoven-Vertraute Therese von Malfatti
Für Elise« – wer kennt sie nicht, Beethovens Klavierminiatur in a-Moll? Nur aus übergroßem Respekt vor dem Meister scheuen wir davor zurück, das häßliche Wort »Gassenhauer« in den Mund zu nehmen. Freuen wir uns statt dessen, daß das 1810 entstandene »Albumblatt«, das die Musikfeinspitze geringschätzig der Gattung »Bagatelle« zurechnen, auch den blutigen Anfänger in die Lage versetzt, sich an Beethoven zu versuchen. In Heumanns »Kunterbunter Spielkiste beliebter klassischer Melodien in leichter bis leichtester Fassung« steht es neben dem »Wiegenlied« von Johannes Brahms und Robert Schumanns »Träumerei«. Was seinen festen Platz im Kinderzimmer hat, kommt für den Konzertprofi höchstens als Zugabe in Betracht, obwohl auch er, unterdrückt er nur seine Vorbehalte gegen alles allzu Populäre und Abgespielte, aus dem 3-Minuten-Opus manches an Virtuosität herausholen könnte. Immerhin – Brendel und Buchbinder, Kempff und Ashkenazy waren sich nicht zu gut dafür, »Für Elise« sogar auf Schallplatte und/oder CD einzuspielen.
Eine andere Frage, die sich freilich weder der AnfängerDreikäsehoch noch der Meisterpianist zu stellen pflegt, ist die Frage nach der Identität der Widmungsträgerin: Wer ist sie eigentlich, diese Elise? Hat es sie tatsächlich gegeben?
Ja, hat es. Nur hieß sie nicht Elise. Sondern Therese. Als man 1867, vierzig Jahre nach Beethovens Tod, daranging, das Stück zum Druck zu befördern und somit für die Öffentlichkeit freizugeben, ereignete sich ein folgenschwerer Fehler: Beim Entziffern der kaum leserlichen Handschrift des Meisters deutete man den Namenszug, der in Wahrheit »Therese« heißen sollte, leichtfertig als »Elise«, und dabei ist es – überhaupt, nachdem das Originalmanuskript in Verlust geraten war – geblieben. Dabei hätte man sich nur die Mühe zu machen brauchen, die Entstehungsgeschichte des vielgeliebten, vielgeschmähten Werkchens aufzuhellen.
Bald zehn Jahre ist es her, daß sich Beethovens Gehörschwäche zum erstenmal bemerkbar gemacht hat. Nun, Ende Oktober 1808, kommt auch noch hinzu, daß sich bei dem knapp Achtunddreißigjährigen eine gewisse Wien-Müdigkeit einstellt: Der König von Westfalen, Napoleons jüngster Bruder Jérôme Bonaparte, hat die Absicht geäußert, Beethoven als Kapellmeister an seinen Hof zu berufen. Ein Sendbote trifft in Wien ein, der ihn mit dem Offert eines Gehalts von 600 Golddukaten nach Kassel locken soll.
Die durchwegs habsburgtreuen Wiener Mäzene schrecken auf, als sie erfahren müssen, ihr Schützling habe ernstlich vor, auf das Angebot aus dem Norden einzugehen: Es muß also gehandelt werden – und zwar rasch. Tatsächlich gelingt es Erzherzog Rudolph sowie den Fürsten Lobkowitz und Kinsky, den Wankelmütigen von dem fatalen Schritt abzuhalten und weiterhin an seine Wahlheimat zu binden. Am 1. März 1809 wird der entsprechende Vertrag unterzeichnet: Er sieht – »auf Lebenslänge« – die Zahlung einer Jahresrente von 4000 Gulden vor; Beethoven spekuliert außerdem auf Stellung und Titel eines kaiserlichen Kapellmeisters.
Unter den Freunden,