Das heitere Lexikon der Österreicher. Georg Markus
Mohr, mit dem er immer wieder im Streit um finanzielle Belange stand. Schon am dritten Drehtag eines Films kam es zum Krach, in dessen Verlauf der Regisseur den Produktionschef des Studios verwies: »Raus Mohr, ich will Sie bis Endä von Dräharbeitän nicht mähr sehän!«
Herr Mohr ließ sich nicht mehr blicken und wagte sich erst wieder, als der Film fertig war, in die Nähe des Meisters. »Herr von Cziffra«, sagte Mohr, »ich wollte mich von Ihnen verabschieden.«
»Also, Wiedersähn, Härr Mohr!«
»Herr von Cziffra, ich weiß nicht, wie ich’s Ihnen sagen soll, aber es ist ein kleines Wunder passiert. Ich schleppe seit Jahren ein Magenleiden mit mir herum.«
»Na, und Härr Mohr?«
»Ich war diese Woche bei meinem Arzt, und hab mich durchuntersuchen lassen, und stellen Sie sich vor: Ich bin vollkommen gesund! Der Magen ist in Ordnung, meine Schmerzen sind wie weggeblasen! Und das nach diesem Film, Herr von Cziffra, bei dem es so viel Streit gab!«
»Also, mein liebär Mohr, hören Sie zu«, erwiderte Cziffra. »Ich glaube, wenn Sie noch ein, zwei Filme mit mir drehän, wächst Ihnen där Arm auch noch nach!«
Cziffra war selten gut aufgelegt, er saß oft mit einem mieselsüchtigen Gesicht im Regiesessel. Einmal kam ein Assistent vorbei und fragte: »Sag, Géza, warum bist du immer so schlecht aufgelegt?«
»Das ist komisch, die Leute glauben immer, ich bin schlecht aufgelegt, dabei denke ich nur nach.«
»Worüber denkst du nach?«
»Warum ich so schlecht aufgelegt bin.«
THEODOR DANEGGER
Schauspieler
* 31. 8. 1891 Lienz/Osttirol † 11. 10. 1959 Wien. Kam schon als Kind an das Wiener Burgtheater, spielte auch am Volkstheater, an der Neuen Wiener Bühne, in Frankfurt und München. Ab 1939 für den Film tätig, wurde er 1943 während der Dreharbeiten zu »Der weiße Traum« verhaftet, wobei die mit ihm gedrehten Szenen aus dem Film entfernt wurden. Stand ab 1946 wieder vor der Kamera.
Die Mitglieder des Burgtheaters schienen in früheren Zeiten auf Programmzetteln ohne Vornamen auf. Da stand einfach »Frau Schratt«, »Herr Kainz« oder »Herr Mayer«. Und Schauspieler, die in Kinderrollen auftraten, wurden schlicht als »Klein-Müller« vorgestellt. Auch Theodor Danegger trat schon als Kind an der »Burg« auf und wurde, der Tradition entsprechend, am Theaterzettel »Klein-Danegger« genannt. Bis eines Tages der Inspizient ins Büro des Burgtheaterdirektors Paul Schlenther stürmte, um diesem aufgeregt zu melden, er hätte soeben Klein-Danegger hinter der Bühne in eindeutiger Pose mit einer hübschen Statistin überrascht.
Den Direktor konnte das freilich nicht erschüttern. Er sagte nur: »Dann müssen wir halt in Zukunft statt ›Klein-Danegger‹ ›Herr Danegger‹ ins Programmheft drucken.«
Als Danegger in seinen späten Jahren am Burgtheater mit Textproblemen zu kämpfen hatte, »wohnte« er zuweilen in unmittelbarer Nähe des Souffleurkastens, auf den er eines Abends, gleich nach Beginn der Vorstellung, zustürmte. Die Souffleuse flüsterte ihm seine Auftrittsworte zu: »Hoffentlich haben Euer Ehren gut geruht …«
Darauf der Schauspieler: »Keine Details – welches Stück?«
VILMA DEGISCHER
Schauspielerin
17. 11. 1911 Wien † 3. 5. 1992 Baden bei Wien. Erste Engagements nach der Ausbildung am Wiener Reinhardtseminar an den Reinhardt-Bühnen in Berlin, Wien und bei den Salzburger Festspielen. Verheiratet mit Hermann Thimig, ab 1939 bis zu ihrem Tod Mitglied des Theaters in der Josefstadt, deren Grande Dame sie in den letzten Jahren war. Zahlreiche Film- und Fernsehrollen.
Im Herbst des Jahres 1945 war selbst in der k. u. k. Hofzuckerbäckerei Demel das Angebot an Süßspeisen entsprechend dürftig. Als Vilma Degischer in diesen Tagen nach langer Zeit wieder die Konditorei am Wiener Kohlmarkt betrat, wurde sie von einer »Demelinerin« mit den Worten »Schön, dass uns nicht vergessen haben« begrüßt. Die Degischer gustierte sogleich: »Liebe Frau Grete, bringen Sie mir bitte eine Schale Gold und einen Indianer mit Schlag – nein, bitte lieber eine Orangencremetorte, halt, doch nicht, also – eine Schale Gold, Schlagobers extra und eine Triester Torte!«
Frau Grete hatte ruhig zugehört. Dann beugte sie sich diskret vor, sah Vilma Degischer an und fragte: »Leben am Mond?«
ERNST DEUTSCH
Schauspieler
* 16. 9. 1890 Prag † 22. 3. 1969 Berlin. Kam nach seinem Debüt an der Wiener Volksbühne über Dresden nach Berlin, wo er von Max Reinhardt entdeckt wurde. 1931/32 Burgtheater und Josefstadt. 1933 Emigration in die USA, wo er mehrere Filme drehte. Spielte nach seiner Rückkehr nach Europa die großen Charakterrollen (Nathan, Shylock, Professor Bernhardi) u. a. am Wiener Burgtheater.
Fritz Kortner und Ernst Deutsch, beide Juden, besuchten eine Theateraufführung, in der ein ebenfalls jüdischer Kollege die Hauptrolle spielte. Deutschs Urteil lautete: »Jude sein ist auch nicht abendfüllend.«
In einer Berliner Inszenierung des Kaufmanns von Venedig – hinterließ uns Friedrich Torberg – spielte Albert Bassermann den Shylock und Ernst Deutsch den »königlichen Kaufmann« Antonio (der Shylock wurde erst Jahrzehnte später zu einer seiner großen Altersrollen). Als nun bei der öffentlichen Generalprobe die als Anwalt verkleidete Porzia mit der Frage »Wer ist der Kaufmann hier, und wer der Jude?« die Gerichtsverhandlung im letzten Akt einleitete, wandte sich Deutsch, seine einmalige Extempore-Chance nützend, in keineswegs Shakespearescher Diktion zum Richtertisch: »Sie werden lachen, Herr Doge – ich bin der Kaufmann.«
LUDWIG DEVRIENT
Schauspieler
* 15. 12. 1784 Berlin † 30. 12. 1832 ebd. Ältester der legendären Schauspielerdynastie. Iffland erkannte sein Talent als Charakterschauspieler und ebnete seinen Weg zum Königlichen Schauspielhaus Berlin. Enge Freundschaft mit E.T.A. Hoffmann. Ab 1828 Gastspielauftritte am Wiener Hofburgtheater u. a. als Harpagon in »Der Geizige« und als Lionel in »Die Jungfrau von Orléans«.
Devrient kam angeheitert zur Aufführung von Schillers Räubern. Als er als Franz Moor auf der Bühne seinem Vater einen Brief vorlesen sollte, schwankte er dermaßen, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und hinfiel. Immerhin war Devrient so schlagfertig, seinen Monolog mit den Worten zu beenden: »Mein Vater, Ihr seht ja selber, wie sehr mich diese Nachricht zu Boden schmettert.«
Seine alkoholischen Exzesse ließen Devrient früh altern, was ihm auf der Bühne weniger anzumerken war als im privaten Umgang. Am Tag nach einer Premiere klingelte eine bezaubernde junge Frau an seiner Tür, um den von ihr verehrten Schauspieler mit einem Blumenstrauß zu überraschen. Devrient öffnete persönlich, worauf die Besucherin erbarmungslos fragte: »Kann ich bitte den Herrn Hofschauspieler sprechen?«
»Ich bedaure außerordentlich«, antwortete der Verkannte schlagfertig, »aber der junge Herr ist leider fortgegangen.«
FRANZ FREIHERR VON DINGELSTEDT
Hofopern- und Hofburgtheaterdirektor
* 30. 6. 1814 Halsdorf/Deutschland † 15. 5. 1881 Wien. Gymnasiallehrer, Dramaturg, Schriftsteller. Sein Gedichtzyklus »Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters« wurde wegen aufrührerischer Tendenz verboten. Erstmals als Korrespondent 1842 in Wien, dann Theater- und Operndirektor in Stuttgart. Ab 1867 Hofoperndirektor, ab 1870 Hofburgtheaterdirektor in Wien. 1876 vom Kaiser geadelt.
Bei seinem Antritt als Direktor des Hauses begrüßte