Das heitere Lexikon der Österreicher. Georg Markus
in »Egmont«. Künstlerischer Durchbruch als Johanna von Orléans, später Mütter- und Greisinnenrollen. Verheiratet mit dem Burgtheaterdirektor Max Paulsen.
Otto Tressler und Hedwig Bleibtreu spielten in Arthur Millers Hexenjagd ein sehr betagtes Ehepaar. Beide bemühten sich, auf Stöcke gestützt, möglichst alt und gebrechlich zu wirken. Bis sie der Regisseur Josef Gielen während einer Probe unterbrach und zu ihnen sagte: »Was spielen Sie denn auf alt? Das ist völlig überflüssig. Sie sind es ja wirklich!«
Die Bleibtreu gehörte dem Ensemble des Burgtheaters 65 Jahre lang an. Als man sie aus Anlass der Wiedereröffnung des Burgtheaters nach dem Krieg interviewte, erzählte sie aus ihrem Bühnenleben: »Meine erste Rolle war die Maria Stuart, und in der war ich gar nicht gut. Dann habe ich die Medea gespielt, da war ich auch schlecht. Meine dritte Rolle war die Iphigenie, und da war ich überhaupt miserabel.«
»Ja, wie sind Sie denn dann die berühmte Bleibtreu geworden?«, fragte der Reporter.
»Mein Gott«, sagte die große Schauspielerin, »die Leute gewöhnen sich halt an einen.«
OSCAR BLUMENTHAL
Schriftsteller
* 13. 3. 1852 Berlin † 24. 4. 1917 ebd. Als junger Theaterkritiker wegen seiner Schärfe auch »der blutige Oscar« genannt, gab er 1887 den Journalismus auf und gründete in Berlin das Lessing-Theater, das er bis 1897 leitete. Nach einem Urlaub im Salzkammergut schrieb er 1896 mit Gustav Kadelburg das romantische Lustspiel »Im Weißen Rössl«, das später von Ralph Benatzky vertont wurde.
Ein mittelmäßig begabter Schauspieler hatte die Aufgabe, auf der Bühne einen Koffer zu packen. Oscar Blumenthal beobachtete die Szene während einer Probe und kommentierte sie mit den Worten: »So packend habe ich den Mann noch nie gesehen!«
ALFRED BÖHM
Schauspieler
* 23. 3. 1920 Wien † 22. 9. 1995 Wieselburg/Niederösterreich. Kam nach Engagements in Innsbruck und Linz ans Theater in der Josefstadt, trat aber auch am Wiener Volkstheater und im Kabarett Simpl auf. Sein Schwerpunkt lag bei Film und Fernsehen, wo er durch Serien wie »Die Familie Leitner«, »Der Leihopa« und als Ober Alfred im »Seniorenclub« populär wurde.
Der für seinen trockenen Humor bekannte Alfred Böhm spielte in jüngeren Jahren in Franz Antels Film Kleiner Schwindel am Wolfgangsee einen Oberkellner. In einer Szene, beim Fünf-Uhr-Tee, sollte Böhm einem Gast einen Brief überreichen. Als er sich diskret zwischen den Tanzpaaren durchschlängelte, brach Antel ab: »Haalt! Stopp! Böhm, was machen Sie denn da? Sie können doch nicht mitten durch die Leut rennen. Waren Sie denn noch nie bei einem Fünf-Uhr-Tee?«
»Oh ja, schon«, erwiderte Alfred Böhm. »Aber noch nie als Ober!«
KARL BÖHM
Dirigent
* 28. 8. 1894 Graz † 14. 8. 1981 Salzburg. Nach absolviertem Jus- und Musikstudium Kapellmeister am Grazer Stadttheater, danach Dirigent an den Opernhäusern München, Darmstadt, Hamburg, Dresden. Dirigierte bei den Salzburger Festspielen, Generalmusikdirektor und Direktor der Wiener Staatsoper. Gastierte an allen großen Opern und Konzertsälen der Welt.
Als Böhm während eines Japan-Gastspiels zu einem offiziellen Essen geladen war, zeigte er sich – aus Höflichkeit den Gastgebern gegenüber – einverstanden, mit Stäbchen zu essen. Nachdem er sich eine Zeit lang erfolglos mit dem für ihn ungewohnten Besteck um Nahrungsaufnahme bemüht hatte, raunte er einem neben ihm sitzenden Philharmoniker zu: »Also, mit an Staberl kann i mir mei Geld ganz gut verdienen. Aber mit zwaa müssert i glatt verhungern.«
Böhm war Generalmusikdirektor, hatte sich aber auch die Titel Professor und Doktor juris erworben. Und er war stolz auf jeden einzelnen. Bei einer Probe von Mozarts Idomeneo unterbrach ihn ein junger Philharmoniker immer wieder mit eher langweiligen Fragen. Als dieser zum vierten oder fünften Mal »Herr Böhm, wie meinen Sie das?« wissen wollte, machte ihm der Dirigent den Vorschlag: »Wissen S’ was, sagen S’ gleich Karl zu mir!«
Als während der Aufführung einer Mozart-Symphonie im Konzertsaal ein Kurzschluss auftrat, spielten die Musiker trotz vollkommener Finsternis bravourös weiter, wodurch sie wohl eine Panik verhindern konnten.
Ausgerechnet nach dem Schlussakkord ging das Licht – wie von Zauberhand gelenkt – wieder an, worauf das Orchester vom Publikum mit stürmischem Beifall belohnt wurde.
»Ja, ja«, meinte Böhm, »i hab ja auch im Finstern weiterdirigiert.«
Bei internationalen Auftritten litt der bedingungslose Perfektionist Karl Böhm unter seinen mangelnden Englischkenntnissen. Als er von den New Yorker Philharmonikern bei einer Probe einfordern wollte, sie mögen eine bestimmte Stelle »prägnanter« spielen, kramte er sein bestes Schulenglisch hervor und rief in den Orchestergraben: »Be a little bit more pregnant!*«
Als er zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt wurde, hielt Böhm eine Dankesrede, in der er dem Ensemble zurief: »Liebt eure Oper wie bisher – aber intrigiert’s ein bisserl weniger!«
KARLHEINZ BÖHM
Schauspieler
* 16. 3. 1928 Darmstadt. Dem Sohn des Dirigenten Karl Böhm gelang 1955 der Durchbruch als Darsteller Kaiser Franz Josephs in den »Sissi«-Filmen. Drehte in Hollywood und unter Werner Fassbinder. 1981 gründete er in der Fernsehshow »Wetten, dass …?« die Hilfsorganisation »Menschen für Menschen«, mit der er für eine Verbesserung der Lage in Äthiopien kämpft.
Karlheinz Böhm drehte 1961 für die Walt Disney Productions die zweiteilige Fernsehserie Schicksalssymphonie, in der man ihn in der Rolle des Ludwig van Beethoven sehen konnte. Sein Vater, der Dirigent Karl Böhm, kam damals während einer Don-Giovanni- Probe an der Wiener Staatsoper auf diesen Film seines Sohnes zu sprechen. Ein Chorsänger wollte wissen, wie der junge Schauspieler mit der schwierigen Rolle des Musikgenies fertig würde.
»Sehr gut«, erwiderte Karl Böhm, »der Bub lebt sich so hinein in die Rolle, dass er sogar schon schlecht hört. Hoffentlich gibt sich das wieder!«
MAXI BÖHM
Schauspieler und Kabarettist
* 23. 8. 1916 Wien † 26. 12. 1982 ebd. Gründete 1945 nach Engagements in der böhmischen Provinz gemeinsam mit Peter Hey die Linzer Kleinkunstbühne »Eulenspiegel«. Sendereihen im Hörfunk (»Die Große Chance«), ab 1954 bei Karl Farkas im Kabarett Simpl, danach Volkstheater, ab 1976 bis zu seinem Tod Mitglied des Theaters in der Josefstadt.
Der Kabarettist erhielt 1972 einen Brief von Harry Kraut, dem New Yorker Manager des Dirigenten Leonard Bernstein. »Dear Mr. Böhm! Mr. Bernstein wurde darauf aufmerksam gemacht, dass Sie eine großartige Parodie auf ihn gespielt haben. Er freut sich sehr darüber und hofft, dass es davon ein Video gibt. Wäre dem so, könnte er es sehen?«
Als der Maestro Monate später in Wien war, kam es zum Treffen Böhm-Bernstein. Der Dirigent sah sich im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg das Band an, lachte Tränen, sagte dann aber einschränkend: »Mr. Böhm, ich springe doch nicht beim Dirigieren!«
Im Anschluss an die Vorführung wurde die Aufzeichnung eines Strawinsky-Konzerts gezeigt, das Bernstein in der Londoner Royal Albert Hall dirigiert hatte. Nach einiger Zeit wandte er sich dem immer noch neben ihm sitzenden Böhm zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Mr. Böhm, Sie haben Recht, ich springe wirklich!«
Nach seinem Abgang vom Kabarett wurde Maxi Böhm – jetzt freilich als Max – Mitglied des Theaters in der Josefstadt. Dies veranlasste Ossy Kolmann, dem früheren Simpl-Kollegen