Kapitalismus und politische Moral in der Zwischenkriegszeit oder: Wer war Julius Barmat?. Martin H. Geyer
über die Amexima einen Kredit von 42000 GM. Der so Begünstigte glaubte, das Geld zurückzahlen zu müssen, und wollte es, so seine Aussage, später durch eine Hypothek abdecken, was aber nicht geschah. Die Ermittlungen zeigten, dass die Amexima den Kredit als »Konzernunkosten« verbuchte, was wiederum Höfle nicht gewusst haben will.141 Problematisch waren außerdem 500 US-Dollar, die Höfle sich »als Reisekosten« nach Marienbad schicken ließ, aber auch die Beträge über 700 und 500 Mark, die er von Julius Barmat für die Witwen und Waisen der Post und für die Partei erhielt. Das warf die Frage auf, ob er mittelbare Vorteile dadurch hatte, dass er über diese Gelder zu Partei- oder Wohltätigkeitszwecken verfügen konnte (eine ähnliche Spende ermöglichte 1919 die Gründung des Rosa de Winter Heims für bedürftige Kinder in Sachsen).142 Außerdem stand die Frage im Raum, wie die regen Finanztransaktionen zwischen dem Aufsichtsratsmitglied der Barmat’schen Merkurbank Lange-Hegermann und Höfle einzustufen waren; es handelte sich offenbar um Parteispenden, die allem Anschein nach im Zusammenhang mit der Kreditvergabe der Reichspost standen.143
All diese Geschichten tauchten seit 1925 zunächst im Zuge des Skandals, dann der Untersuchungen der verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und schließlich der Justizbehörden auf. Es ging um einige der merkwürdigsten und spektakulärsten Fälle der Kriegs-, Inflations- und Stabilisierungszeit (auch wenn sich bei näherem Hinsehen die Zahl der Fälle und der involvierten Personen schnell vervielfacht), die nun aber nicht nur der Anlass waren, diese früheren Geschichten aufzuarbeiten, sondern auch sehr umfassend Kapitalismus, Demokratie und wirtschaftliche Moral zu verhandeln. Kehrte man mit der erfolgreichen Währungsstabilisierung und dem Abbau der Kriegs- und Übergangswirtschaft zurück in die Bahnen eines »rationalen Kapitalismus«? So sahen das zweifellos viele Zeitgenossen, zumal in den Reihen der Wirtschaft. Der Abbau der Kriegswirtschaft hieß Abkehr von den krassesten Formen des »politischen Kapitalismus« im Weber’schen Sinne, auch wenn neue »korporatistische« Arrangements von Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik sowie die viel diskutierten »politischen Löhne« und »politischen Arbeitsbedingungen« des Sozialstaates diese Phänomene in ein neues Licht rückten.144 Oder waren die Exzesse vielleicht nur vordergründig ausgetrieben? Machten sich Formen von Misswirtschaft, Betrug und Korruption in allen Bereichen des öffentlichen Lebens wie der Wirtschaft breit, auch weil das neue demokratische System sie beförderte? Sechs Jahre später, nach einer kurzen Phase des wirtschaftlichen Booms, hatten viele den Eindruck, dass die Währungsstabilisierung weniger erfolgreich war, als es scheinen mochte, und dass es noch mehr als genug Grenzgänger des Kapitalismus gebe, die es in die Schranken zu weisen gelte.
* Schon vor der Währungsstabilisierung zirkulierten sogenannte werbeständige Zahlungsmittel, wobei oft leicht missverständlich von Goldmark (GM) gesprochen wurde. Die Reichsmark (RM) löste im August 1924 die Rentenmark ab, die mit der Einleitung der Währungsstabilisierung am 20. November 1923 eingeführt worden war; zeitgenössisch war es aber üblich, nicht von Renten-, sondern von Goldmark zu sprechen. Auch nach Einführung der Rentenmark gab es noch die buchmäßige Rechnung mit der (Inflations-)Papiermark im Verhältnis eine Rentenmark gleich eine Billion Papiermark.
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