Wasserschloss zu vererben. Usch Hollmann

Wasserschloss zu vererben - Usch Hollmann


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schließt die Augen.

      „Lieber Gott, lass nicht Baron von Gliesen der Vater der beiden Kinder sein. Er hat Wallburg damals ein paar Wochen nach Claudias Abreise verlassen und soll irgendwo in Australien in einem tiermedizinischen Institut eine gute Stelle bekommen haben. Ob der …?“

      Die Stimme der Fürstin, obwohl ganz nahe, dringt plötzlich zu ihr wie durch einen dicken Nebel.

      „Dahlmann, ist dir nicht gut? Du bist ganz blass geworden.“

      Sie antwortet nicht. Versucht stattdessen verzweifelt, den Gedanken, der sich ihres Gehirns bemächtigt hat, zu ignorieren – vergeblich.

      Baron von Gliesen. Wenn nun er derjenige ist, dem Claudia an jenem Tag begegnet war?

      Sie erinnert sich dieses sehr persönlichen und privaten Gespräches, in dem Claudia freimütig gestanden hatte, dass sie und Michael zu Lauenstein – nun ja, sie waren ja immerhin miteinander verlobt und hatten durchaus schon – aber er habe sich ja immer ‚geschützt‘ und leider hätte sie bei ihm nie das Gefühl von ‚Schmetterlingen im Bauch‘ gespürt. Ja, sie erinnerte sich besonders an diesen für sie, Dahlmann, neuen Ausdruck. Aber Claudia habe ohne ihn erst kürzlich eine neue Erfahrung gemacht und wisse nun, wie es ist, wenn man nahe daran sei, den Verstand zu verlieren. Immerhin sei sie eine der letzten Jungfrauen in ihrer Klasse gewesen und …

      Dahlmann gerät in einen Gewissenskonflikt. Darf sie jetzt, nach so vielen Jahren und in der unerwartet veränderten Situation, ihr Versprechen brechen? Käme das nicht einem Verrat gleich?

      Die Fürstin ist aufgestanden und beugt sich voller Besorgnis über ihre Haushälterin.

      „Dahlmann, was ist mit dir?“

      Und eindringlich wiederholt sie ihre Frage. „Hast du eine Vermutung? Warum sagst du nichts? Willst du jemand schützen? Vergiss nicht, dass es zwei Kinder gibt, die Claudia mir schriftlich anvertraut hat. Ich sehe es dir an, dass du jemand im Verdacht hast.“

      Dahlmann hebt hilflos die Schultern und sieht die Fürstin unsicher an.

      „Mir fällt nur Baron von Gliesen ein, aber …“

      Die Fürstin ist verblüfft. Baron von Gliesen, der junge Veterinär, den Fürst Raimund eingestellt hatte, damit sich jemand um die Pferde kümmerte.

      „Dahlmann, du könntest recht haben. Avra war damals trächtig … sollten Claudia und er …? Aber sie war doch mit Michael zu Lauenstein verlobt, und sie hat ihn geliebt … Nein, Dahlmann, denk weiter nach, such weitere Spuren.“

      „Ich fürchte, dass er der Einzige ist, der infrage kommt.“

      Die Fürstin, sichtlich beunruhigt, geht im Raum auf und ab, bleibt jedoch plötzlich vor dem Arbeitstisch ihres Mannes stehen. Hat nicht Raimund in einer der Schubladen seine Adressbücher und ähnliche Unterlagen aufbewahrt? Sie hatte sich bislang nicht dazu entschließen können, die Papiere zu sichten und eventuell zu entsorgen. Vielleicht …

      „Dahlmann, wir müssen versuchen, den Aufenthalt und die Adresse dieses Mannes herauszufinden. Lass uns über eine Strategie nachdenken, unter welchem Vorwand wir Kontakt mit ihm aufnehmen könnten. Wenn wir keine Telefonnummer finden, sollten wir Harald bitten, ihn zu suchen. Es muss doch mit Hilfe irgendwelcher moderner Medien möglich sein, ihn ausfindig zu machen. Vielleicht lebt er ja gar nicht mehr, obwohl – wie alt mag er heute sein? Dahlmann, ich fühle mich wie elektrisiert, hören wir auf zu weinen, mit unseren Tränen machen wir diese Tragödie nur noch schlimmer. Agnes, komm, hilf mir. Wir müssen endlich tätig werden.“

      Mit einem Ruck öffnet sie die oberste Schublade, findet das gesuchte Adressbuch und beginnt mit hastigen Fingern zu blättern.

      Die Haushälterin wagt einen Einwand.

      „Aber sollten Sie nicht als erstes Michaels Mutter von diesem Brief in Kenntnis setzen? Denn wenn wir diese Kinder finden … die ja wohl keine Kinder mehr sind … Fürstin, dann hätten Sie plötzlich zwei Enkel, die das Blut derer von Wallburg in sich tragen, denen Sie möglicherweise eines fernen Tages Ihren Besitz vererben könnten. Ihr Bruder Edwin allerdings …“ Sie hebt fragend die Schultern.

      Die Fürstin lacht spöttisch. „Edwin würde diese Kunde allerdings wohl weniger begeistert zur Kenntnis nehmen. Aber das kümmert mich im Moment nicht einmal ansatzweise!“

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