Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt
Er erzählte nun dem aufhorchenden Bruder, was der ja noch nicht wußte. Sprach von dem Brief, der Bitte um Geld, von der Überweisung, die Christine ihm zukommen ließ, von seinem plötzlichen Auftauchen und so weiter.
»Es ist mir gewiß nicht leichtgefallen, meine Rolle durchzuhalten«, fuhr er in seiner Erzählung fort. »Denn es war einfach rührend, wie mein Christinchen sich um den Vagabunden bemühte.
Und dann heute Gun, die sich ohne jeden Vorbehalt zum Onkel bekannte. Auf die Tochter kannst du doch stolz sein, Egon.
Sie ist nicht nur wunderschön, sie hat auch ein warmes, mitfühlendes Herz, was bei so reichen, verwöhnten Mädchen schon etwas bedeutet.
Tja, und nun wollt ihr sicher wissen, wie ich zu meinem Geld gekommen bin. Dazu verhalf mir weniger mein Verdienst, sondern mein Dusel. Ich heiße ja nicht umsonst Felix, was der Glückliche bedeutet.
Wenn ich daran denke, was für ein Windhund ich war, schlägt mir jedesmal die Schamröte ins Gesicht. Und ich habe meinen Leichtsinn noch nicht einmal durch Fronarbeit abbüßen müssen, wenngleich ich auch nicht gerade gefaulenzt habe. Nur die Sehnsucht nach meiner Frau, nach dir und nach Gun hat mir arg zugesetzt. Wie gern hätte ich an euch geschrieben, doch mein Wohltäter war dagegen. Ich sollte erst wieder mit euch in Verbindung treten, wenn etwas Ordentliches aus mir geworden war, darauf mußte ich ihm mein Ehrenwort geben.
Und nun zu meinem Wohltäter. Es war ein Deutschamerikaner, an den ich an einem Abend ein Vermögen verspielte, das ich nicht besaß. Und der fackelte auch nicht lange, was sowieso nicht seine Art war, sondern schleppte mich nach Amerika und steckte mich in seinen Betrieb, wo ich meine Schuld abarbeiten sollte. Als Strafe diktierte er mir zu, nicht von Frau, Bruder und Nichte Abschied zu nehmen, sondern sang- und klanglos zu verschwinden, bis aus mir ›leichtsinnigem Hund‹ ein brauchbarer Kerl geworden wäre. Und diese Strafe war bitter hart, aber heilsam.
Nun ist er tot, der prachtvolle Mensch, der tatsächlich aus mir leichtsinnigem Hund einen brauchbaren Kerl machte. Und da er weder Frau, Kind noch sonstige Verwandte besaß, setzte er mich zu seinem Erben ein. Das ist alles, was ich zu beichten hatte. Zufrieden, Christine?«
»Noch mehr, glücklich«, gestand sie unter Lachen und Weinen. Da nahm er sie in die Arme und küßte sie voll Zärtlichkeit. Doch dann wurde er gleich wieder sachlich.
»Ich besitze nun in Chile ein großes Versandhaus, das meine Anwesenheit dank meiner tüchtigen Mitarbeiter nicht ständig erfordert. So habe ich mich entschlossen, eine Hälfte des Monats dort zu sein, die andere hier, wo ich natürlich auch nicht müßig sein werde, was ich übrigens gar nicht mehr kann. Also, wenn du für mich Verwendung haben solltest, Bruderherz, so verfüge über mich.«
»Und wie ich die habe! Felix, Menschenskind, ich kann das alles noch gar nicht fassen. Wohnen kannst du natürlich bei uns, der Kasten ist ja groß genug, und dann brauchen wir wenigstens unser Tinchen nicht ganz herzugeben, das hier die Seele des Hauses ist.«
»Na schön, soll es so sein. Aber wenn ich nach drüben fliege, nehm’ ich sie mit. Ich habe sie drei Jahre lang so schmerzlich entbehren müssen, jetzt will ich mich keinen Tag mehr von ihr trennen.
Hab übrigens herzlichen Dank, Egon, daß du dich meiner Frau so lieb annahmst. Erst als ich mir mit Erlaubnis meines Wohltäters die Gewißheit verschafft hatte, wurde ich ruhiger.«
»Aha, daher kanntest du auch meine Adresse«, lachte Christine. »Schäm dich, du Gauner, mich auf so eine raffinierte Art angepumpt zu haben, von wegen langer Krankheit.«
»Und wie lieb du darauf reingefallen bist, mein Tinchen«, schmunzelte er. »Na, laß nur, wir werden uns das Leben schon schön einrichten. Alles sollst du haben, was dein Herz begehrt.«
Gudrun, die dem allen mit brennendem Interesse gefolgt war, hatte darüber ganz ihren Kummer vergessen.
Doch, nun sie die beiden glücklichen Menschen sah, tat ihr das Herz wieder bitter weh. Dabei fiel ihr blitzartig ein, wie sie sich Abwechslung verschaffen konnte, die sie kaum zur Besinnung kommen ließ.
»Onkel Felix, nimmst du mich auch manchmal mit?« fragte sie zögernd.
»Natürlich, du Süße, das bedarf doch keiner Frage. Sollst mal sehen, wie ich überall mit meiner Tochter prahlen werde.«
»Die glaubt dir doch kein Mensch«, lachte sie ihn aus. »Nicht einmal den Onkel.«
»Sondern?«
»Darauf muß ich dir die Antwort schuldig bleiben, weil ich es mit Tinchen nicht verderben möchte.«
*
So begann denn für Gudrun Wiederbach ein Leben, das sie wirklich kaum zur Besinnung kommen ließ. Abends sank sie todmüde ins Bett, schlief so fest, daß Christine sie am Morgen wachrütteln mußte, und dann ging es wieder in einen neuen Wirbel hinein.
Es war ein sehr großes Unternehmen, das Felix Wiederbach sein eigen nannte und das er vorzüglich leitete. Sein Haus konnte man mit Palast bezeichnen, wo alles unter der Regie eines erstklassigen Butlers wie auf gutgeölten Rädern lief.
Nachdem zwei Wochen vergangen waren, erklärte Felix am Frühstückstisch vergnügt:
»Meine lieben Weibsen, da ich meinen geschäftlichen Kram prächtig in Ordnung habe, können wir mal für ein Weilchen in die Ferne schweifen. Äußert also eure Wünsche, die mir Befehl sein werden. Wie wär’s mal so’n bißchen mit dem afrikanischen Busch?«
»Das kriegst du fertig«, lachte Christine, die ihr Glück so verjüngt hatte, daß man ihr nicht mehr als Ende Zwanzig gab. Felix wurde um seine charmante Frau beneidet – und die bezaubernde Gun? Nun, die hatte bereits zwei Heiratsanträge abgelehnt.
»Weißt du, Felix«, den Onkel ließ sie einfach weg, weil das zu dem jugendlichen Vierziger so gar nicht paßte, »ich möchte Wunder sehen.«
»Sollst du, mein Kind, sollst du – dein blaues Wunder sogar. Allerdings müßt ihr mir dann die Führung überlassen.«
Damit war man einverstanden, und hinaus ging’s in eine neue bunte Welt.
Und die andern, die Gudrun in der Heimat zurückließ? Für die war sie wie vom Erdboden verschwunden.
So lagen die Dinge, als Karola mit dem Gatten nach vierwöchiger Hochzeitsreise zu Hause eintraf. Und was sie da von Hanna erfuhr, überraschte sie natürlich sehr.
»Und gemeldet hat Gun sich überhaupt nicht?« fragte sie nach dem ausführlichen Bericht der Schwägerin betroffen.
»Bei mir jedenfalls nicht.«
»Und bei Hörgisholms?«
»Weiß ich nicht, da ich sie immer nur kurz sprechen konnte. Sie haben so viel zu tun, daß sie kaum wissen, wo ihnen der Kopf steht. Der Hörgishof wird nämlich renoviert, es wimmelt dort nur so von Handwerkern.«
»Und wo haben sie plötzlich das Geld dazu her?«
»Keine Ahnung.«
»Hat Gun sich auch bei ihrem Vater nicht gemeldet?«
»Auch da bin ich überfragt. Habe Egon nach deiner Hochzeit überhaupt noch nicht gesprochen, da er ständig auf Reisen ist.«
»Und Stella?«
»Die hätschelt irgendwo ihre armen Nerven, die ja soooo überanstrengt sind.«
»Seit wann strengt Stella sich denn an?«
»Bei den Vorbereitungen zu deiner Hochzeit.«
»Na, dazu hat sie weiß Gott nichts getan, das lastete doch alles auf Christines Schultern. Wer steht jetzt dem Hause vor?«
»Eine seriöse Dame.«
»Und Enno?«
»Den verlassenen kleinen Kerl habe ich mir ins Haus geholt. Er wird zur Schule gefahren, wieder abgeholt und freut sich im übrigen seines Lebens.«
»Das war lieb von dir,