Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt
den sie einige Wochen lang in ihren schreiend rot lackierten Krallen gehalten hatte – und der nun mit unverhohlenem Ekel auf sie schaute. Doch bevor er noch etwas sagen konnte, tat es der Onkel in einer Art, wie sie verächtlicher nicht sein konnte:
»Ach, Sie sind das – dann allerdings.«
»Herr, was erlauben Sie sich? Ich werde…«
»Sie werden gar nichts«, schnitt Reichwart ihr scharf das Wort ab. »Höchstens hier verschwinden und uns nicht länger die Luft verpesten. Also machen Sie, daß Sie schleunigst Land gewinnen, Sie Blutegel.«
»Nun ist aber Schluß«, setzte sich jetzt der Makler entrüstet für seine »Verbündete« ein.
»Ich werde Sie im Namen der Dame wegen Beleidigung verklagen!«
»Ach ne«, besah der Hüne sich eingehendst das dürre Männchen, dabei die Hände in die Hosentasche schiebend. »Dann müßte die… Dame… ja mit zur Polizei…, und ich glaube nicht, daß sie sich der Gefahr aussetzen würde, da es so manches gibt, was sie zu verbergen hat. Zum Beispiel… Erpressung…, zuletzt im Parkhotel, wo ich so mancherlei erlauschte. Hat es gezahlt, das gepeinigte Opfer?«
Das war nun eine Eröffnung, die sogar der gewiß nicht ängstlichen Leila auf die Nerven gehen mußte. Sie sprang auf, schnappte einige Male nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen – und rauschte dann in einer Art ab, die wohl Verachtung ausdrücken sollte, jedoch kläglich mißlang, weil der Abgang mehr einer feigen Flucht glich.
»Na also«, meinte Arnold gemütlich, nachdem die Tür hinter der Entwichenen zugeknallt war. Augenblickslang saß der Makler da wie einer, dem man unversehens eine Ohrfeige versetzt hatte, doch dann verschwand auch er flink wie ein Wiesel, und der Landschaftsrat lachte schallend auf.
»Donnerwetter, das ging aber forsch.«
»Das geht es bei meinem Onkel immer«, fiel Trutz amüsiert in das Lachen ein. »Doch nun möchte ich die Herren erst einmal bekannt machen.«
Nachdem es geschehen war, setzte man sich zusammen, und der Landschaftsrat wandte sich an Arnold, der so recht mit Behagen sein Pfeifchen stopfte wie einer, der soeben etwas Gutes vollbrachte.
»Jetzt bin ich aber doch begierig zu hören, Herr von Reichwart, wie es Ihnen möglich sein konnte, uns den Blutegel, gegen den mein Freund und ich uns mit Händen und Füßen wehren mußten, so mühelos vom Hals zu schaffen.«
»Glück muß der Mensch haben«, kam die Antwort schmunzelnd. »In dieser Sache das Glück des Zufalls. Es war mir hold, als ich auf meiner Reise nach Brechten in einem Hotel Rast machte und während des Abendessens ein interessantes Gespräch mit anhörte, das in meiner Nähe geführt wurde, und zwar in spanischer Sprache, die mir geläufig ist. Ein exotisch aussehender Herr sollte da für etwas bluten, wogegen er sich ziemlich laut sträubte, während sie wie eine Schlange zischte. Stillvergnügt sah und hörte ich dem allen zu, wogegen man von mir keine Notiz nahm. Erst als der Mann sie eine Erpresserin nannte, da konnte ich es nicht unterlassen, ihm beizupflichten.
Ich riet ihm, natürlich auf spanisch, den Blutegel doch der Polizei zu übergeben, worauf sie mich erst entgeistert anstarrten; denn da ich ja nicht wie ein Spanier aussehe, hatte man wahrscheinlich angenommen, daß ich keinen blassen Schimmer von dieser Sprache hätte. Na, mag dem sein, wie es wollte, jedenfalls verkrümelten sie sich in nervöser Hast, ein Zeichen, daß auch der dunkle Kavalier kein sauberes Chemisettchen gehabt haben kann. Ergo wird er wohl geblutet haben, wie sicherlich manch ein Opfer vor ihm.
Nun können Sie sich wohl denken, meine Herren, wie entzückt ich war, die Erpresserin anzutreffen, die auch hier im trüben fischen wollte. Es war mir eine Wonne, sie in die Flucht zu schlagen. Und daß sie sich in unserer Ecke nicht mehr blicken läßt, darauf geh’ ich jede Wette ein. Und nun Sie diese widerliche Feilscherin losgeworden sind, wollen wir beide mal zum geschäftlichen Teil übergehen, Herr Arninger. Ich habe nämlich die Absicht, Ihr Gut in Augenschein zu nehmen, und falls es mir gefällt, es zu kaufen. Sind Sie damit einverstanden?«
»Ja – nein – aber das geht doch gar nicht«, sah Arninger Trutz hilflos an. »Ich habe doch bereits dem Herrn Baron das Recht eingeräumt…«
»Das er an mich abtritt«, half Arnold freundlich aus. »Was nur recht und billig ist, wenn einer drei Güter besitzt und der andere gar keins.«
»Sehr richtig«, bekräftigte der Landschaftsrat. »So wollen Sie hier seßhaft werden, Herr von Reichwart?«
»Ja, mit der Absicht, mich möglichst in der Nähe meiner Verwandten anzukaufen, kehrte ich in die alte Heimat zurück. Und daß gerade das Nachbargut zum Verkauf steht, ist ein kaum glaublicher Dusel, der sich mir da wieder einmal an die Fersen heftet.«
»Und für mich wäre es einer, wenn der Kauf zustande käme – und wenn meine Frau und ich…«
»Darüber sprechen wir später noch«, warf Arnold hastig ein, um keine falschen Hoffnungen zu erwecken. »Zuerst muß ich mir den Besitz ja einmal ansehen.«
»Mich entschuldigen Sie bitte«, winkte Arninger müde ab. »Ich muß zu meiner Frau gehen, um sie zu beruhigen. Es genügt vollkommen, wenn mein guter Freund Elzerau und der Herr Baron bei der Besichtigung dabei sind.«
Mühsam erhob er sich und ging schleppenden Schrittes davon. Als sich die Tür hinter ihm schloß, brummte Reichwart:
»Das kann man gar nicht mehr mit ansehen. Also gehen wir.«
*
Die Besichtigung dauerte immerhin einige Stunden, währenddessen das Ehepaar Arninger beisammensaß – Hand in Hand wie zwei verwaiste Kinder, die man dem elterlichen Nest entreißen wollte. Wie ein Häuflein Unglück wirkte die Frau mit ihrer gebeugten Gestalt, dem vergrämten Gesicht und den müdegeweinten Augen. Ein Anblick, der jeden Menschen erschüttern mußte, sofern er ein Herz im Leibe hatte.
Und das hatte Arnold von Reichwart wahrlich. Sein Herz zog sich vor Mitleid zusammen, als das vom Schicksal so schwergeprüfte Ehepaar eintrat. Und als die Frau ihn gar noch mit flehenden Augen ansah, da mußte der Hüne sich erst einmal räuspern, um überhaupt sprechen zu können.
»Also, mein lieber Herr Arninger, ich habe mich entschlossen, Ihr Holzhusen zu kaufen«, begann er absichtlich geschäftlich, um nur ja nicht sein Mitleid zu zeigen; denn auch das kann weh tun. »Da der Besitz abgeschätzt ist, werden wir wahrscheinlich bald einig werden – und ich glaube schon, daß Ihnen da ein ganz netter Batzen übrigbleibt.
Hmm…, ja…, und was Sie betrifft, verehrte gnädige Frau, so möchte ich Sie herzlich bitten, mit Ihrem Gatten hierzubleiben. Ich habe nämlich eine Tochter von fünfzehn Jahren, der es nur guttun kann, unter mütterlichen Schutz zu kommen. Und auch ich habe es gern, bemuttert zu werden.Das Haus übernehme ich mit gesamter Einrichtung, die ich ja nach und nach beliebig ergänzen kann. Sie bereiten sich Ihr eigenes trautes Nestchen, und essen tun wir aus einem Topf. Einverstanden? Aber, aber«, unterbrach er sich bestürzt, als Frau Arninger heiß aufweinte. »Liebe gnädige Frau – ich hab’ Ihnen doch nicht etwa weh getan?«
»Nein – o nein – im Gegenteil«, kam es schluchzend hervor. »Das sind Freudentränen – ja, das sind sie – trotz allem. Lieber Gott, ich danke dir, daß du unser Geschick einem so guten Menschen in die Hände legen willst.«
»Metachen, mein liebes, ist ja schon gut«, beschwichtigte der Gatte, dem selbst die hellen Tränen über die Wangen liefen, und auch den anderen drei Herrn wurden die Augen feucht. »Wir sind ja jetzt aus aller Not.«
»Hmmm«, brummte Arnold, der sich kein bißchen wohl in seiner Haut fühlte. »Ich mach’ den Vorschlag, die Verhandlung zu vertagen, damit Sie erst einmal zur Ruhe kommen. Noch heute überweise ich Ihnen eine größere Summe als Anzahlung, Herr Arninger, damit Sie die ärgsten Schreier von der Pelle bekommen. Falls das Geld nicht reichen sollte, lassen Sie es mich sofort wissen, dann sorge ich für Nachschub – einverstanden?«
»Und wie sehr, Herr von Reichwart. Ich danke Ihnen.«
Es kam zum raschen, aber herzlichen Abschied, und als die drei Herren