Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman - Leni Behrendt


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eben, immer der Weisheit letzter Schluß. Laß es ja nicht darauf ankommen, daß ich dir den liebenden Ehemann beweise, damit würdest du dich nämlich in eine Gefahr begeben, in der du bestimmt umkämst.«

      »Hach, wie schauerlich! Wollen wir mal den Versuch wagen?«

      So hätte sie ihn nicht herausfordern dürfen – zumal noch mit dem Blick, der ihn ungemein reizte.

      Na warte! dachte er verbissen. Du sollst die längste Zeit mit mir gespielt haben.

      Ganz fest zog er sie an sich, und sein Gesicht war ihr so nahe, daß sie das ihre zurückbog. Seine Augen glitzerten wie bläuliches Eis, hinter dem eine helle Flamme zu lodern schien. Ganz langsam neigte sich der harte, stolze Mund vor, auf den sie einst scheue Küsse gedrückt, die nicht erwidert wurden.

      Und plötzlich war alles wieder da, das die schwere Nervenkrankheit ausgelöscht zu haben schien. Ihr demütiges Betteln um Liebe, seine verächtliche Gleichgültigkeit, die eine Stunde, in der sie sich ihm förmlich aufgedrängt hatte – und danach das bittere, bittere Ende. Alles stand wieder vor ihr mit grausamer Deutlichkeit. Selbst die Schmerzen glaubte sie zu spüren, die sie um diesen Mann litt – und die glühende Scham. All das hatte die schwere Krankheit barmherzig verschüttet, denn als sie davon genas, erschien ihr die kurze Ehe wie ein herzquälender Traum. Der Gatte war einfach aus ihrem Leben gestrichen, und als er dann wiederkam, galt er ihr als ein Fremder, zumal er sich so sehr verändert hatte. Langsam gewöhnte sie sich an seine Gegenwart, mochte ihn sogar ganz gern – aber weiter auch nichts.

      »Trutz, was fällt dir ein«, flüsterte sie entsetzt, als sein Mund dem ihren ganz nahe war. »Was sollen wohl die Menschen denken.«

      »Daß ich meine Frau küsse? Dafür werden sie gewiß schmunzelndes Verständnis haben.«

      »Trutz, laß mich los!«

      »Könnte dir so passen. Mich zuerst in dieser verflixten Art herausfordern und dann feige kneifen.«

      In dem Moment schwieg die Musik. Unwillkürlich lockerte der Männerarm den festen Griff, flink wie ein Wiesel schlüpfte Ragnilt darunter hervor und lief in kopfloser Flucht in den Park hinein, allein seine Beine waren länger. Flugs holte er sie ein, umfaßte sie so fest, daß sie sich nicht rühren konnte, verschloß ihr den Mund mit einem langen Kuß und gab sie dann frei.

      »Das war gemein«, stieß sie zornbebend hervor, doch er zuckte die Achsel.

      »Vielleicht. Aber ich muß dir endlich einmal beweisen, daß ich nicht mehr länger mit mir spielen lasse, du gefährliche Circe. Und solltest du es dennoch wieder wagen, dann werde ich nicht mehr wie ein einfältiger Fant alles über mich ergehen lassen, sondern werde mit gleichen Waffen zurückschlagen.«

      Damit ging er, doch Ragnilt schlug die Hände vors Gesicht und weinte wie ein Mensch, dem soeben Böses widerfuhr.

      Und diese heißen Tränen fielen auf das Herz, wie warmer Mairegen auf brachliegendes Land. Ganz sacht rieselte er und lind, damit behutsam die harte Kruste durchweichend, die sich in der Zeit der Dürre gebildet hatte, alles damit absperrend, was hochdrängen wollte, um im Sonnenschein grünen und blühen zu können.

      Langsam versiegten die Tränen, und Ragnilt schlich auf Umwegen ins Schloß, weil sie sich mit dem verweinten Gesicht unmöglich unter die Menschen wagen konnte. Erschöpft sank sie in ihrem Schlafzimmer auf den Diwan und unterdrückte energisch die Tränen, die wieder aufsteigen wollten. Durch die geöffnete Altantür wehte Tanzmusik, Lachen flatterte auf und frisch-fröhlicher Gesang.

      »Nur nicht aus Liebe weinen, es gibt auf Erden nicht nur den einen«, klang es deutlich bis zu dem jungen Menschenkind hin, das heute aus seiner Gleichgültigkeit aufgerüttelt worden war. Denn was da so bang klopfte, war das Herz, das doch so lange gleichmäßig geschlagen hatte – auch in der Nähe des Gatten.

      Nur nicht aus Liebe weinen.

      Nun, das tat Ragnilt ja auch nicht – heute nicht mehr. Was jetzt ihre Tränen fließen ließ, war ohnmächtiger Zorn, daß sie sich gegen die Überrumpelung nicht hatte wehren können.

      War es wirklich nur Zorn allein? Ach, Ragnilt wußte es nicht. Sie wußte nur, daß jetzt ihre Selbstsicherheit dem Gatten gegenüber dahin war – weil der erzwungene Kuß in ihrem Herzen erneut die Saite klingen ließ, die einst so süß und zart geklungen wie eine Äolsharfe – und die eine rücksichtslose Hand so jäh zerriß.

      »Nur wer die Liebe kennt, wem sie mit heißer Glut das Herz verbrennt, dem lacht auf Erden schon das Paradies, lockend und süß«, sangen die jungen Stimmen jetzt unten im Park – und süß klang die Geige dazu.

      Danke für das Paradies!

      Ragnilt sprang erbittert auf. Ich habe darin nur die Schlange kennengelernt, die blutende Wunden in mein Herz biß. Langsam vernarbten sie und sollen nicht wieder aufgerissen werden, dagegen wehre ich mich mit aller Kraft!

      Auf dem Wege zum Ankleidezimmer verhielt sie jäh den Schritt; denn nebenan wurde die Tür geöffnet. Ragnilt löschte die kleine Lampe und sah bangklopfenden Herzens auf die breite Glastür, hinter der es jetzt hell wurde. Ob Trutz sie am Ende suchte, um sich zu entschuldigen?

      Der doch nicht, verwarf sie jedoch wieder die absurde Idee. Soweit läßt der Mann sich doch nicht herab, zumal er in seinem Recht ist, daran gibt es nun mal nichts zu drehen und zu deuteln. Denn der Ehemann darf seine Frau küssen, so oft und so viel er will – darf sogar die Küsse erzwingen.

      »Nur nicht aus Liebe weinen«, hörte sie ihn jetzt pfeifen. O nein, das tat ein Trutz Swindbrecht bestimmt nicht. Warum auch?

      »Es gibt auf Erden nicht nur die eine.«

      Regungslos verharrte sie, bis die Lampe erlosch und die Tür ging, da erst wagte sie, Licht zu machen. Ihr Herz klopfte immer noch bang und schwer, als sie im Ankleidezimmer die Augen kühlte, bis auch die letzte Tränenspur verwischt war. Dann noch das Haar gebürstet, bis es wie glänzende Seide den Kopf umbauschte – und sie war wieder fit, wie sie mit Selbstironie feststellte. Also auf nach unten, sich unter die fröhlichen Menschen gemischt und bei Spiel und Tanz die für sie so beschämende Episode vergessen.

      *

      Man schien die junge Hausherrin noch nicht vermißt zu haben, wie diese befriedigt zur Kenntnis nahm. Unauffällig sah sie sich nach Trutz um, den sie dann auf der Tanzfläche entdeckte, die man eigens für dieses Fest errichten ließ. An den Drähten, die von Baum zu Baum gezogen waren, schaukelten Lampions aus feuerfestem Material, Windlichter standen auf den Tischen. Buden waren aufgeschlagen, in denen alles das aufgebaut wurde, was Augen und Magen entzückte. Es gab sogar eine Bar, und die Hocker davor blieben genausowenig leer wie die Tanzfläche, auf der jetzt auch Trutz zu finden war. Mit der Nonchalance, die jedoch an diesem gewiß nicht alltäglichen Mann so anziehend wirkte, führte er seine Partnerin im wiegenden Walzertakt. Schmachtend schaute diese empor in das rassige Männerantlitz, um dessen Mund ein mokantes Lächeln lag.

      Gräßlich, dachte Ragnilt, während ihr heiße Glut ins Gesicht schoß. Genauso habe ich ihn einmal angehimmelt.

      »Schönste Frau – jetzt tanzen wir beide in den siebenten Himmel hinein«, stand plötzlich ein Mann vor ihr, der mehr getrunken hatte, als ihm dienlich war; denn er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Ein Dunst von Alkohol quoll Ragnilt entgegen, so daß sie angewidert den Kopf abwandte.

      Was mach ich bloß? überlegte sie fieberhaft. Lehne ich ab, kommt es bestimmt zum Skandal, Betrunkene darf man ja bekanntlich nicht reizen.

      Und siehe da, schon nahte der Retter. Ruhig trat Trutz auf den Berauschten zu und nahm seinen Arm.

      »Kommen Sie, mein Lieber, und trinken Sie gefälligst den versprochenen Schnaps mit mir.«

      »Aber nur, wenn die… schönste Frau der Welt… mittrinkt. Ich… liebe sie…«

      »Dann muß sie natürlich mit«, bekräftigte Trutz, dabei der Gattin einen warnenden Blick zuwerfend. Als sie danach an die Seite des Betrunkenen trat, ließ dieser sich zufrieden abführen, nur daß es nicht dorthin geschah,


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