Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman - Leni Behrendt


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jagten, wie sie immer rascher dessen Bläue überzogen.

      Das gibt ein Gewitter – dachte sie angstvoll. Hoffentlich erreiche ich Gustchens Haus, bevor es losbricht. Sicherheitshalber werde ich das Verdeck am Wagen hochklappen.

      *

      Nachdem das geschehen war, ließ Ragnilt das Auto hurtig laufen. Als sie vor dem Haus abstoppte, gelang es ihr gerade noch, den Korb vom Sitz zu heben, den Wagen abzuschließen, und schon brach der Sturm los, der ja jedem Gewitter voranzubrausen pflegt. Auguste, die vom Fenster aus alles beobachtet hatte, eilte dem Gast im Flur entgegen.

      »Grüß Gott, Frau Baronin. Und gleich so mit dem Donnerwetter wirbeln Sie zu mir herein?«

      »Ja, das ging man gerade noch knapp«, kam es lachend zurück. »Aber dieses Gewitter kam tatsächlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Denn als ich zu Hause abfuhr, war der Himmel lachend blau.«

      »Und was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches, Frau Baronin?«

      »Keine Ehre, Fräulein Gustchen, sondern eine herzliche Erwiderung auf das Geschenk, das Sie meinem Jungen machten.«

      »Wird er die Strümpfchen wirklich tragen?«

      »Ganz gewiß, wenn auch erst im Winter.«

      »Das freut mich. Kommen Sie doch bitte weiter, Frau Baronin. Den Korb können Sie ruhig stehen lassen. Oder soll – der etwa für – mich sein?«

      »Erraten, Fräulein Gustchen. Es ist Geburtstagskuchen darin und ein guter Tropfen.«

      »So was nehme ich gern an«, erklärte Auguste ohne Ziererei, hob den Korb auf und trug ihn ins Zimmer, wo sie eifrig auszupacken begann.

      »Aber was sind das doch bloß für schöne Sachen«, sagte sie entzückt. »So was kennt unsereins kaum vom Hörensagen. Nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Baronin. Bevor sich das Gewitter ausgetobt hat, können Sie ja doch nicht fort. Setzen Sie sich bitte auf das Sofa. Zwar sitzt es sich im Sessel bequemer, aber da er am Fenster steht, ist das bei Gewitter zu gefährlich. Aber sonst ist er einfach großartig. Wenn ich da sitze und stricke, kann ich die Straße übersehen und weiß daher, wer kommt und geht. Man interessiert sich schließlich für alles, wo man hier doch geboren und alt geworden ist. Bis zu meinem Bruder ist es wirklich nur ein Katzensprung, aber ich geh’ selten hin, weil ich mich mit ihm nicht zubest verstehe und mit seiner Frau noch weniger. Sie sind nämlich sehr geizig, und als es um die Auszahlung meines Erbanteils ging – na, Schwamm drüber.

      Jetzt ist die Berta krank und wollte mich zur Pflege haben, aber ich ging nicht, nein, so edel bin ich denn doch nicht.«

      In der Art redete Gustchen weiter wie ein Wasserfall, während Ragnilt auf dem Sofa saß und das Zimmer in Augenschein nahm. Es war mit Sachen möbliert, die zum Teil noch von Augustes Eltern stammten. Gut erhalten waren sie und blitzsauber, soviel sich in dem Halbdunkel feststellen ließ, das im Raum herrschte, denn mittlerweile hatte der Himmel sich schwarzgrau überzogen. Wie schmutzige Watte bauschten sich die Wolken, durch die Blitz auf Blitz zuckte. Der Donner krachte Schlag auf Schlag, der Sturm johlte und pfiff, als wären tausend Teufel losgelassen – und immer noch fiel kein Tropfen.

      »Großer Gott, draußen ist ja Himmel und Erde zusammen«, jammerte Gustlchen, sich zitternd vor Angst dicht neben Rag­nilt setzend. »Wir müssen beten, Frau Baronin, wir müssen beten: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt…«

      Weiter kam sie nicht, da ihr das Wort im Mund förmlich erstarrte. Denn es gab einen Krach, der die Fenster klirren ließ. Augenblickslang wurde es im Zimmer so hell, daß es schmerzend in die Augen stach – und danach herrschte eine Stille, als halte die Natur den Atem an.

      »Das hat eingeschlagen«, flüsterte Gustchen entsetzt. »Das hat bestimmt eingeschlagen – aber wo? Barmherziger Himmel, das wird ja draußen ganz rot! Und ich kann doch nicht auf, so zittern mir die Beine vor Schreck.«

      »Bleiben Sie nur sitzen«, sagte Ragnilt hastig. »Ich gehe an die Haustür und schau’ mich um.«

      »Es brennt, Fräulein Gustchen! Und zwar auf dem Gehöft, das hier ganz nahe liegt.«

      »Das ist bei meinem Bruder – o Gott, o Gott – das ist bei meinem Bruder!« Auguste wankte heran, an dem Türpfosten Halt suchend. »Ich sagte ja schon immer, er soll Blitzableiter anbringen lassen, aber dafür ist er zu geizig.«

      »Feuer!« gellte das Horn. »Feuer!«

      Schauerlich klang es, und Ragnilt, die sich ohnehin vor Gewitter fürchtete, zitterte jetzt genauso an allen Gliedern wie Gustchen. Doch als sie merkte, daß diese umzusinken drohte, riß sie sich zusammen.

      »Kommen Sie, Fräulein Gustchen, legen Sie sich aufs Sofa. Der Anblick ist wirklich beänstigend, und helfen können Sie ja doch nicht.«

      Es war ein schweres Stück Arbeit für die grazile Ragnilt, den massigen Körper aufs Sofa zu betten. Der Schweiß brach ihr dabei aus allen Poren.

      »Ach, Frau Baronin, was bin ich doch froh, daß Sie hier sind«, küßte Auguste dankbar die Hände, die sie so lieb betreuten.

      »Wenn ich jetzt allein wäre, ich käme um vor Angst. Wenn Sie so gut sein wollten und mir meine Herztropfen geben, sie stehen auf dem Tisch am Fenster. Zehn Tropfen bitte, zehn Tropfen auf Zucker. Der liegt in dem Napf.«

      Die Tropfen schienen tatsächlich Wunder zu wirken, denn schon fünf Minuten später wurde sie ruhiger.

      Und als draußen ein Auto mit dem Feuersignal vorüberraste, schnellte sie wie ein Gummiball hoch.

      »Das ist die Brechtener Spritze, ich erkenne sie an der Hupe. Na ja, was wird auch nicht. Wo es etwas zu helfen gibt, da sind die Brechtener immer an erster Stelle. Ich muß doch mal sehen…

      Aber nein, es geht nicht«, ließ sie sich wieder zurückfallen. »Was ist man doch bloß für ein Wrack, daß einen so was einfach umschmeißen kann. Zittern Sie auch so wie ich, Frau Baronin?«

      »Ungefähr so. Feuer ist aber auch wirklich grausig – und vor Gewitter fürchte ich mich sowieso.«

      »Ach Gott, Sie armes Dingelchen! Und da hab’ ich Ihnen so arg zu schaffen gemacht, anstatt Ihnen gut zuzureden. Aber der Mensch ist nun mal ein egoistisches Geschöpf.

      Hören Sie auch das fürchterliche Schreien? Das klingt ja wie in höchster Not. Nein, ich kann nicht länger hier liegen – und wenn ich da gleich bis vor die Haustür kriechen soll.«

      Damit wankte sie ab, und Ragnilt trug ihr fürsorglich einen Stuhl nach, auf den sie sich sofort fallen ließ.

      »Was sind Sie doch bloß für ein hilfsbereiter Mensch«, sagte Gustchen gerührt. »Als Baronin haben Sie das doch wahrlich nicht nötig.«

      Da mußte Ragnilt denn doch lachen.

      »Fräulein Gustchen, deshalb bin ich doch ein Mensch wie jeder andere. Es gibt in jedem Stand Gute und Böse, das ist nun mal der Lauf der Welt.

      Gott sei Dank, jetzt fängt es endlich an zu regnen.«

      »Der Regen hätte auch früher kommen können«, schalt Gust­chen aufgebracht. »Aber nein, erst läßt er das Feuer wie verrückt prasseln, bevor er sich bequemt. Jetzt ist er ja doch bloß für die Katz, wo die Spritzen arbeiten. Er macht bloß die armen Menschen, die draußen sein müssen, naß bis auf die Haut.«

      »Ich glaube, das Feuer ist im Abflauen«, zeigte Ragnilt hinüber, wo der Wasserstrahl der Spritzen zischend in die Flammen fuhr. »Es scheint sich auf ein Gebäude beschränkt zu haben.«

      »Es ist das Wohnhaus«, erklärte Auguste. »Nicht schade drum, es war wirklich schon recht alt. Aber hoffentlich hat der Knauser es genügend versichert.

      Aber wird der Regenguß auch Ihrem schönen Wagen nichts schaden, Frau Baronin? So was kostet doch immer einen Haufen Geld. Mein Himmel, was könnte ich dafür wohl Wolle kaufen.

      Doch schauen Sie mal, wer kommt denn da angewankt – das sieht ja fast so aus, als würde ein Verunglückter geführt.

      Barmherzigkeit,


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