Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena Themsen
wie unser Freund Talamand in Paris, und wird daher genauso ausgehungert nach elfischer Gesellschaft sein. Er wird froh sein, wenn er uns helfen kann – spätestens, wenn ich mit ihm gesprochen habe.« Sie zwinkerte.
David zuckte mit den Achseln und strich sein Haar zurück. »Wie du meinst. Es kann nicht schaden, mit ihm zu reden, da gebe ich dir Recht. Ich glaube aber nicht, dass er uns weiterhelfen kann.«
»Oder will«, mahnte Grog. »Ich würde ihm niemals trauen.«
»Welchem Elfen kann man schon trauen?«, erwiderte Rian lachend. »Wir sind immer auf der Hut, Grog. Mach dir keine Sorgen.«
Rian rief die Nummer vom Plakat an. Eine Frau mit angenehm modulierter Stimme wollte sie zuerst abwimmeln. Rian ließ daraufhin ihren Elfenzauber wirken und bat darum, Herrn Albrecht auszurichten, dass »Rian und David Bonet ihn betreffs Earrach« zu sprechen wünschten, und diktierte ihr die Telefonnummer der Suite.
»Einfacher wäre es, wenn Sie mir Ihre Handynummer geben würden.«
»Äh, ja, nur leider ist mein Handy gestohlen worden«, improvisierte Rian.
Die Frau ließ sich E-a-r-r-a-c-h buchstabieren und versprach dann, die Nachricht weiterzugeben.
»Wir brauchen Handys!«, meinte Rian, nachdem sie der Frau gedankt und aufgelegt hatte. »Nadja hatte es schon erwähnt. Und da ich nun Autofahren kann, traue ich mir sowas auch zu. Kann ja nicht schwerer sein als so eine Computermaschine.«
Pirx stimmte zu. »Das scheint so etwas wie ein neuer Gott für die Menschen zu sein, mit großer Macht. Egal wo, immer starren sie drauf oder halten es wie einen Toast, in den sie beißen wollen.«
Keiner der vier war überrascht, als der Rückruf bereits nach einer halben Stunde kam. Sie hatten Recht gehabt mit ihrer Vermutung. Elfen im Exil würden sich die Gelegenheit, mit Elfen aus der Heimatwelt zu sprechen, nicht entgehen lassen. Herr Albrecht ließ wissen, dass er die Geschwister Bonet persönlich zum Abendessen abholen würde.
Rian bereitete sich besonders sorgfältig darauf vor. Es war ihr daran gelegen, Eindruck auf Alberich zu machen – nicht nur, weil sie seine Hilfe brauchten, sondern auch, weil das Foto auf dem Plakat sie sofort für ihn eingenommen hatte. Ihm stand der ganze Reichtum elfischen Charmes ins Gesicht geschrieben, eines Charmes, den sie seit einiger Zeit hatte missen müssen. Talamand war zwar unbestreitbar ein Elf, doch seine Ausstrahlung hatte durch den langen Aufenthalt unter den Sterblichen gelitten. Alberichs Foto wirkte anders.
Pünktlich um sieben Uhr kam der Anruf vom Empfang, dass ein Herr da wäre, der angab, mit ihnen verabredet zu sein. Rian und David waren übereingekommen, Pirx und Grog zu diesem Treffen nicht mitzunehmen. So hatten sie im Notfall Rückendeckung.
Als die Aufzugtür sich im Erdgeschoss öffnete, drehte sich ein schlanker Mann in dunkelgrünem Anzug und langem schwarzen Mantel über dem linken Arm zu ihnen um. Seine Augen blitzten auf, und er blies eine schwarze Locke aus dem Gesicht. Mit der freien Hand rückte er das silberne Medaillon indianischer Machart zurecht, das anstatt einer Krawatte an perlenbesetzten schwarzen Lederbändern um den Kragen seines blütenweißen Hemds hing.
Rian fand, dass er noch besser aussah als auf dem Bild. Allerdings war er kleiner, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Solange sie auf ihren hochhackigen Schuhen stand, würde er zu ihr aufsehen müssen. Ein Zwerg besonderer Art eben.
Der Mann kam auf sie zu, als sie aus dem Aufzug in die Eingangshalle traten.
»Rian und David Bonet, welche Freude«, sagte er lächelnd und streckte die Hand aus. »Ich bin Reginald Albrecht.«
Rian erwiderte sein Lächeln mit ihrem gewinnendsten Strahlen. »Freut mich ebenfalls, Herr Albrecht, dass Sie so schnell Zeit für uns gefunden haben.«
Sie gab ihm ihre Hand, doch anstatt sie zu drücken, hob er sie an und hauchte einen Kuss darüber. Sein Blick blieb an den Ringen hängen, die sie an jedem Finger trug.
»Schöne Stücke«, bemerkte er. »Leider ist nichts an ihnen echt. Aber gegen die echte Schönheit dieser Trägerin würde ohnehin jeder Schmuck verblassen.« Er blitzte sie noch einmal aus dunklen Augen an, ehe er seine und ihre Hand wieder sinken ließ und die Berührung eine Spur langsamer löste als es sich gehörte. Rian spürte mit einem leichten Kribbeln, wie sich zugleich ihre Magiefäden wieder entwirrten. Beide hatten sie ihre Fäden ausgeworfen, und keiner hatte den anderen gefangen, doch die Berührung war elektrisierend gewesen.
Alberich wandte sich ihrem Bruder zu. »David Bonet. Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Seine Miene war dabei ernster geworden, und die Art, wie die beiden Männer sich die Hände gaben, erinnerte an Geschäftsleute, die eine wichtige Transaktion vorbereiteten. Erfreut stellte Rian fest, dass Davids Skepsis unter diesem Händedruck zu schrumpfen schien. Die Bekanntschaft mit Alberich versprach angenehm zu werden, und Rian war überzeugt, dass er sie bei ihrer Suche unterstützen würde.
Alberich sah von David wieder zu Rian. »Ich möchte Sie zu einem gemeinsamen Spaziergang an der Uferpromenade mit anschließendem Abendessen in einem meiner bevorzugten Restaurants einladen«, sagte er. »Wäre das mit Ihren Plänen zu vereinbaren?«
Rian lachte auf. »Wir sind Touristen«, antwortete sie. »Wir legen die Planung des Abends in Ihre Hände.«
Die Augen ihres Gegenübers wurden eine Spur schmäler, was nicht zu seinem feinen Lächeln passte, während er eine Verbeugung andeutete. »Ich werde versuchen, mich Ihres Vertrauens würdig zu erweisen.«
Alberich führte sie zu seinem dunkelblauen BMW und öffnete für Rian die Beifahrertür. Die Elfe nahm in dem hellen Ledersitz Platz, schnallte sich an, während Alberich die Tür schloss. David stieg hinter ihr ein. Während Alberich um das Fahrzeug herumging, strich Rian mit ihren Fingerspitzen über die glatten Oberflächen der Teakholzverkleidungen an Tür und Handschuhfach.
Alberich nahm auf dem Fahrersitz Platz, deaktivierte die elektronische Wegfahrsperre und betätigte die Zündung. Der Motor schnurrte sanft wie eine Katze. Der Elf stieß rückwärts aus der Parklücke und fädelte sich dann in den gemächlichen Abendverkehr ein. Nachdem sie in eine der Wormser Hauptverkehrsstraßen eingebogen waren, warf er einen kurzen Seitenblick auf Rian und lächelte erneut dieses funkelnde Lächeln, das seine Augen wie geschliffene Obsidiane erscheinen ließ.
»Dafydd und Rhiannon«, sagte er und wechselte in die Sprache der Elfen. »Wer hätte jemals gedacht, dass ich eines Tages die Kinder Fanmórs in meinem Auto sitzen haben würde.«
Rian sah ihn erstaunt an. »Du kennst uns?«
»Natürlich. Schon als meine Assistentin am Telefon den Namen Rian Bonet nannte, brauchte ich euren Hinweis auf Earrach nicht mehr, um zu wissen, wer da bei mir vorstellig wurde.«
»Echt? Aber … inwiefern verrät mich mein Name?«
Alberich griff zu Rian hinüber und öffnete das Handschuhfach. Wie zufällig streifte er dabei ihren Oberschenkel in einer Weise, die sie kurz den Atem anhalten ließ. Er warf ihr einen amüsierten Blick zu und deutete dann auf eine Zeitschrift, die im Licht der Handschuhfachbeleuchtung auf der offenen Klappe lag. Es war das Magazin, für das Nadja schrieb, und es war bei ihrem Artikel über die Prêt-à-porter umgeschlagen. Rechts unten in der Ecke prangte ein Bild, das Rian auf dem Laufsteg zeigte. Es war nicht groß, aber trotzdem groß genug, um sie wiedererkennen zu können.
»Ich lese Zeitschriften, und ich habe Verbindungen«, erklärte Alberich, während er seine Konzentration wieder dem Verkehr zuwandte. »Die Schönheit und die Ausstrahlung der Frau auf diesem Bild nahmen mich sofort gefangen, zumal sie unverkennbar elfischer Natur war. Ich war verständlicherweise erpicht darauf, sie näher kennenzulernen. Und wenn man den Willen dazu hat und die richtigen Leute kennt, ist es nicht allzu schwer, den Namen eines Models herauszufinden, das auf namhaften Modenschauen in Paris auftritt. – Damit, dass die gesuchte Dame von selbst hierher kommen würde, hatte ich allerdings nicht gerechnet.« Er lächelte.
Rian sah ihn skeptisch von der Seite an. »Auf diesem Bild eine Elfe zu erkennen ist eine Sache«, bemerkte sie. »Zu wissen,