Target on our backs - Im Fadenkreuz. J.M. Darhower
Igitt, und die stinken.“
Ich verdrehe die Augen, gehe zur Hintertür des Hauses, öffne sie und lasse den Hund hinauslaufen. Der Garten ist nicht besonders groß, aber das scheint ihn nicht zu stören. Ich habe versucht, mit ihm in den Park zu fahren. Doch dazu ist es erforderlich, dass er ins Auto steigt und, wie schon gesagt, das macht ihn nicht besonders glücklich. Also bleibt nur der Garten.
„Ich bin sicher, du erkennst, welcher Kleiderschrank meiner ist“, sage ich. „Die Treppe hoch, die erste Tür auf der rechten Seite.“
Melody verschwindet, und ich fülle Killers Futternapf und sorge dafür, dass er alles hat, bevor ich ihr nach oben folge. Es sind weniger als zehn Minuten vergangen, aber die Hälfte meiner Sachen liegt schon im Schlafzimmer verstreut. Sie streift gerade ein kurzes schwarzes Kleid über, das ich noch nie getragen habe.
„Mein Gott, das ist fantastisch. Wer ist der Designer?“
Sie sieht mich an, als sollte ich die Antwort darauf wissen. „Dieser Typ, du weißt schon … der, der damals diese Sache gemacht hat. Der ist es.“
Sie lächelt mich an. „Du redest so einen Müll.“
Das tue ich.
„Es sieht umwerfend aus an dir“, sage ich. „Du solltest es tragen.“
Sie quietscht und rast wieder zum Schrank. „Hast du Schuhe, die dazu passen?“
Fünf Minuten später steht sie im Badezimmer, frisiert sich vor dem Spiegel und schnorrt mein bisschen Make-up. Ich überlasse sie ihrem Styling und gehe nach unten. Mann, ihr nur zuzusehen, wie sie sich vorbereitet, macht mich ganz nervös. Es ist ermüdend.
„Du bist früh zu Hause.“
Die unerwartete Stimme erschreckt mich. Ich fasse mir an die Brust, trete einen Schritt zurück und sehe zur Haustür. Naz steht im Eingangsbereich, die Hände in den Taschen, eine Zeitung unter dem rechten Arm. Wie schafft er es nach all der Zeit immer noch, sich an mich anzuschleichen?
„Himmel, Naz, ich habe dich nicht reinkommen hören.“
„Das habe ich mir gedacht“, antwortet er tonlos. „Du schienst ziemlich beschäftigt zu sein.“
„Ich habe nur … ich meine, wir … du weißt schon.“
Ich zeige die Treppe hoch. Ich weiß nicht, ob er damit etwas anfangen, ob er erraten kann, was ich meine. Aber ich bin plötzlich völlig entnervt, Wellen von Nervosität durchlaufen meinen Körper, als ich ihn ansehe. Er rührt sich nicht. Kein bisschen. Er steht da, als würde er Wache halten. Ich würde nicht sagen, dass er wütend aussieht, aber irgendetwas stimmt nicht.
„Ja“, sagt er. „Ich weiß.“
„Melody hat heute Abend ein Date“, erzähle ich ihm, als würde ihn das interessieren. Aber wenn er verärgert ist, weil sie hier ist, versteht er es vielleicht, wenn ich erkläre, warum. Ihm hat es noch nie behagt, wenn andere Menschen im Haus sind. „Sie brauchte etwas zum Anziehen und hatte nichts. Ich meine, sie hat Sachen, aber nichts … Geeignetes für das Date. Also sind wir hergekommen, um zu sehen, ob ich etwas habe. Und so war es. Sie trägt es jetzt, weil … na ja, weil sie nichts hatte.“
Während ich wie eine Idiotin brabbele, verändert sich seine Miene. Er hebt die Brauen. „Warum bist du so nervös?“
„Bin ich nicht.“
„Du lügst.“
Ich seufze. Das stimmt.
Er kommt auf mich zu. „Was ist los?“
„Nichts.“
„Schon wieder eine Lüge.“
„Äh, okay“, sage ich und wedele mit der Hand. „Es ist nur … du bist so sehr du, und das wirft mich aus der Bahn.“
„Ich bin wie ich“, sagt er, „und das wirft dich aus der Bahn.“
„Ja! Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen.“
„Du hast nicht erwartet, mich …“
„Oh, und es geht los!“, unterbreche ich ihn. „Du machst es schon wieder.“
„Ich mache es.“
„Du wiederholst alles, was ich sage.“
Das lässt ihn für einen Moment stutzen. Ja, er weiß jetzt, wie nervig das ist.
„Ich versuche nur zu verstehen, was dich so nervös macht“, sagt er. „Abgesehen davon, dass ich wie ich bin, was immer das heißen mag.“
„Ich weiß es nicht.“ Dieses Mal ist es keine Lüge. „Du stehst einfach da, und das hat mich überrascht, denn erst warst du nicht hier und plötzlich hast du dagestanden.“
„Aha.“ Er kommt näher und seine Haltung entspannt sich etwas. „Ich war nur draußen, um das Auto abzustellen. Ich habe dich nicht so früh erwartet. Ich dachte, du hättest noch Kurse.“
„Hatte ich“, sage ich. „Oder besser gesagt habe ich. Ich habe sie geschwänzt.“
Nach Mathe hätte ich noch Englisch gehabt, aber braucht man das nicht ebenso wenig? Ich spreche es schon ziemlich gut. Oder vielleicht auch nicht? Wer weiß.
Er kommt noch näher und bleibt vor mir stehen. Er legt eine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf an. „Du schwänzt deine Kurse? Wie kriminell von dir, Knastvogel.“
Nachdem er mich kurz auf die Lippen geküsst hat, tritt er zurück, greift nach der Zeitung, gibt mir damit einen kleinen Klaps und geht Richtung Arbeitszimmer. Ich stehe eine Weile da, folge ihm dann, bleibe im Türrahmen stehen und beobachte, wie er sich an den Schreibtisch setzt und die Zeitung aufschlägt. Er überfliegt schnell die Seiten, hält irgendwo in der Mitte inne und starrt nur noch. Ich weiß nicht, ob er liest, aber etwas schlägt ihn eindeutig in den Bann. Neugier übermannt mich.
Ich gehe vorsichtig zu ihm hinüber und rechne halb damit, dass er die Zeitung zuklappt und beiseite legt. Das hätte jedenfalls der alte Naz getan. Der alte Naz hatte Geheimnisse. Der alte Naz hat mich manchmal ausgeschlossen. Stattdessen schiebt er einfach seinen Stuhl zurück, sodass etwas Platz zwischen ihm und dem Schreibtisch entsteht, und sieht hoch. Sein Blick richtet sich auf mich, und er öffnet die Arme und lädt mich in seinen Raum ein.
Ich weiß nicht, ob ich mich je an diese Offenheit gewöhnen werde. Ich hocke mich auf die Lehne seines Bürostuhls. Mein Blick richtet sich ohne Umschweife auf die Zeitung.
Feuer zerstört historisches West Village Gebäude
Der Brand forderte zwei Tote und sieben Verletzte
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe zu sehen, doch das bestimmt nicht. In dem Artikel steht nichts Genaueres, nur dass es gestern passierte und nach der Brandursache noch gesucht wird. Ich drehe den Kopf und sehe Naz an. Er starrt auf einen Punkt auf seinem Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand und hat denselben Gesichtsausdruck wie vorhin im Eingangsbereich. Nicht verärgert, nein, eher … besorgt.
„Das warst doch nicht du?“, frage ich leise. Okay, ich sollte keine Fragen stellen, aber ich kann nicht an mich halten. Das scheint ihm Sorgen zu machen.
„Nein.“
„Das habe ich auch nicht geglaubt, aber … du weißt schon.“
„Ich war nicht zu Hause, als es passierte.“ Das war, als er ging und mir sagte, dass ich nicht aufbleiben und auf ihn warten solle, weil er etwas zu erledigen habe. „Ich war zu dem Zeitpunkt anderswo.“
Ich wende mich wieder der Zeitung zu. Wenn er das sagt, glaube ich ihm. „Hast du die Leute gekannt?“
„Ja.“
„Waren sie Freunde von dir?“
Ein lautes, humorloses Lachen. „Ich würde nicht sagen, dass ich überhaupt irgendwelche Freunde habe, Karissa.“