Target on our backs - Im Fadenkreuz. J.M. Darhower

Target on our backs - Im Fadenkreuz - J.M. Darhower


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nur ein paar Minuten, bis unser Essen fertig ist. Giuseppe hat also doch beschlossen, ihn zu bedienen. Sobald das Essen vor mir auf dem Tisch steht, haue ich sofort rein, doch Naz zögert. Er starrt auf sein Sandwich, pflückt es auseinander und inspiziert die Bestandteile mit zusammengekniffenen Augen.

      „Um Himmels willen, Ignazio“, schreit Giuseppe und kommt aus der Küche gerannt. „Iss das verdammte Ding einfach!“

      Eine Sekunde vergeht. Dann noch eine. Und noch eine.

      Ich glaube nicht, dass er es essen wird, aber dann … tut er genau das. Er nimmt es, beißt ein bisschen ab und kaut sorgfältig. Heilige Scheiße.

      Ich will keine große Sache daraus machen, dass er im Feinkostladen seines Vaters isst. Bis vor Kurzem hätte er dieses Essen nicht angerührt. Ich will keinen Staub aufwirbeln, indem ich darauf hinweise, dass Giuseppe mehr als einmal gedroht hat, ihn hinauszuwerfen. Ich will nicht triumphieren, kann es aber nicht verhindern. Ich spüre, dass ich zufrieden lächle. Er ist anders. Es ist wirklich so. Es drängt mich ‚habe ich es dir nicht gesagt‘ zu sagen.

      „Siehst du“, sage ich fast aufgedreht, während ich Naz beim Essen beobachte „ich wusste, dass ihr beiden …“

      Ich habe nicht die Chance, meine selbstgefällige Bemerkung zu beenden. Die Worte ersterben auf meiner Zunge, als ein lauter Knall durch den Feinkostladen dröhnt. Und dann noch einer und noch einer.

      Bevor ich reagieren kann, ist Naz auf den Füßen, schnappt den Tisch vor uns und dreht ihn herum. Dann schubst er mich auf den Schachbrettboden dahinter. Ich falle zu Boden. Hart. Ich zucke entsetzt zusammen, spähe um den Tisch herum und beobachte geschockt, wie die Scheibe, die die Hausfront einnimmt, durch einschlagende Kugeln zerbirst.

      Kugeln. Verdammte Kugeln. Jemand schießt auf das Geschäft.

      Alle lassen sich zu Boden fallen und robben instinktiv weg. Alle bis auf Naz – und seinen Vater. Beide Männer stehen nur da und starren, während das getönte Glas zwischen den Metallstreben springt und splittert, aber nicht nach innen bricht.

      Kugelsicher.

      Ein paar Sekunden. Länger dauert es nicht. Ein Dutzend Gewehrschüsse in schneller Folge, dann rast draußen ein Auto mit quietschenden Reifen und in aufsteigendem Gummiqualm weg. Durch die zerstörte Scheibe kann ich kaum etwas sehen, aber ich erkenne, dass das Auto schwarz ist, eine schattenhafte Masse Metall, die davonrast, bevor es erwischt werden kann.

      Mein Herz hämmert, meine Brust schmerzt von der Kraft seiner Schläge. Keuchend versuche ich, zu Atem zu kommen, doch das ist schwierig. So verdammt schwierig. Nach den Gewehrschüssen senkt sich Totenstille über den Feinkostladen. Wir sind alle wie betäubt. Schließlich dreht Naz den Kopf und sieht zu mir herunter. Ich kauere immer noch auf dem Boden, und er streckt mir die Hand entgegen.

      „Ist alles in Ordnung?“, fragt er, obwohl er nicht wirklich beunruhigt zu sein scheint. Ich weiß nicht, ob dieser Mann gegenüber solchen Dingen einfach abgestumpft ist, oder ob er vielleicht wusste, dass uns nichts passieren konnte.

      „Ich, äh …“ Meine Stimme zittert, mein Körper bebt. Ich lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. „Ja, ich glaube schon.“

      Er mustert mich von Kopf bis Fuß, wobei er weiterhin meine Hand hält. Dann wendet er seine Aufmerksamkeit dem Fenster zu. Die Leute um uns herum stehen wieder auf, einige fliehen vor Angst. Und Giuseppe steht einfach nur schweigend da und starrt vor sich hin.

      Er hat einen Schock. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Irgendjemand hat gerade auf den Feinkostladen geschossen. Etwas sagt mir, dass dieser Jemand dafür einem Vitale schwer büßen muss. Im Moment bin ich mir nur nicht sicher, welcher der beiden Männer es sein wird.

      „Du“, grollt Giuseppe. Seine Stimme ist so voller Wut wie ich sie seit dem Tag, an dem Naz mich zum ersten Mal hierher brachte, nicht mehr gehört habe. Es ist der Klang von schwelendem Zorn, von Wut und Abscheu. Er dreht den Kopf und sieht seinen Sohn an. Naz wendet sich mit gelassener Miene seinem Vater zu. „Raus hier! Raus, und komm niemals wieder!“

      Ich bin zu entsetzt, um etwas anderes zu tun, als dazustehen und zuzusehen. Naz wirkt kein bisschen überrascht. Er sieht seinen Vater ein paar Sekunden an, dreht sich dann zu mir und zieht mich in seine Arme. Er schlingt die Arme um mich, und ich erwidere die Umarmung ganz fest.

      „Das nächste Mal“, flüstert er, „bestimme ich, wo wir essen gehen.“

      Danach lässt er mich los und ist verschwunden. Es passiert von einem Augenblick zum anderen. Die Türglocke bimmelt, und Naz ist nicht mehr neben mir, bevor ich begreifen kann, was vor sich geht. Ich runzele die Stirn und stürze, immer noch am ganzen Körper zitternd, zur Tür. Es überrascht mich, dass meine Beine mich tragen. Ich ziehe die Tür auf, renne auf den Bürgersteig hinaus und rufe seinen Namen. „Naz? Naz!

      Ich drehe mich suchend im Kreis, doch er ist nicht da. So schnell. Er verschwand aus dem Feinkostladen und hat mich zurückgelassen. Er hat mich einfach … zurückgelassen. Wie ich schon sagte, er ist anders. Der alte Naz hätte das niemals getan.

      In der Ferne heulen Sirenen. Sie kommen näher, während ich dastehe und mein Blick zur Hausfront des Feinkostladens schweift. Glassplitter liegen auf dem Bürgersteig verstreut, ebenso ein paar Kugeln, die von Querschlägern stammen. Das Glas hat verhindert, dass sie nach innen gelangten, doch es ist dabei zerbrochen. Es ist ein Chaos.

      Menschen rennen die Straße auf und ab, schreien sich etwas zu, die ganze Nachbarschaft ist in heller Aufregung.

      Schüsse aus einem Auto am helllichten Tag.

      Das ist eins der Dinge, vor denen meine Mutter mich gewarnt hat, Horrorgeschichten von Monstern, die sich in diesen Straßen herumtreiben. Naz hat mir immer gesagt, dass ich niemals Angst haben solle, dass es nichts gebe, vor dem ich mich fürchten müsse, aber jetzt habe ich Angst.

      Was zur Hölle ist gerade passiert?

      Als die Polizei eintrifft, gehe ich in den Feinkostladen zurück. Giuseppe tut endlich etwas, hilft Menschen wieder auf die Beine und versucht, seine verbliebenen Kunden zu beruhigen. Seine Stimme ist ruhig und besänftigend. Alle Anzeichen von Wut sind zusammen mit seinem Sohn verschwunden.

      Ich lehne mich an die Wand neben der Tür, lasse mich zu Boden gleiten und schlinge die Arme um die Knie, während die Polizei auf der Bildfläche erscheint. Ich bin wie betäubt, höre alles, verstehe jedoch nichts. Die ganze Welt ist verschwommen, bis jemand mich ruft.

      „Miss Reed?“

      Ich blicke auf und sehe ein vertrautes Gesicht auf mich herabstarren. Er steht so dicht bei mir, dass sein Schatten über mich fällt und mich in einen düsteren Kokon einhüllt. Es ist unheilvoll. Detective Jameson.

      Das letzte Mal, als ich den Mann gesehen habe, war ich angeschossen worden. Er kam ins Krankenhaus, wo ich mich erholte und wollte die Geschichte aus meiner Sicht hören. Es war, als würde er erwarten, dass ich Naz‘ Aussage widerspreche und ihm sage, dass Naz irgendetwas falsch gemacht habe. Aber das konnte ich nicht. Auch wenn Naz mich vielleicht mehr als einmal in Gefahr gebracht hatte, an dem Tag rettete er mir das Leben. Das sagte auch der Arzt. Der Detective ging mit den Worten, dass seine Tür mir immer offenstände, wenn ich es mir anders überlegen würde. Aber ich zog nicht ein einziges Mal in Erwägung, mich gegen den Mann zu wenden, den ich liebe.

      Denn trotz allem was passiert ist, liebe ich ihn wirklich. Ich liebe ihn mehr, als ich es je für möglich gehalten hätte.

      Ich räuspere mich und bin überrascht, dass meine Stimme funktioniert. „Vitale.“

      Jameson runzelt die Stirn und geht vor mir in die Hocke, als ob meine Worte mehr Sinn ergäben, wenn er mit mir auf einer Höhe ist. „Was?“

      Ich strecke die linke Hand aus und zeige ihm den Ring an meinem Finger. „Ich bin nicht mehr Miss Reed.“

      Ich sehe an seinem Gesicht, dass der Groschen fällt. Sein kühles Auftreten ist wie weggewischt. Er greift nach meiner Hand und neigt sie etwas, um einen besseren Blick


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