Target on our backs - Im Fadenkreuz. J.M. Darhower

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      „Sie … Sie haben ihn tatsächlich geheiratet.“ Seine Stimme passt zu seiner Miene. „Wann ist das passiert?“

      „Vor ein paar Wochen“, sage ich und ziehe meine Hand weg, weil ich es nicht mag, dass er mich berührt. Und ich bin mir ganz sicher, dass es Naz auch nicht gefallen würde. Es würde ihm nicht einmal passen, dass dieser Typ mit mir redet.

      „Also gut, Mrs. Vitale“, sagt er, steht auf und ragt wieder mit seiner gewohnten kühlen Miene über mir auf. „Ich möchte Ihnen ein paar schnelle Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

      „Sie hat etwas dagegen“, mischt sich jemand ein und drängt sich in den kleinen Abstand zwischen uns. Giuseppe. Er ist einige Zentimeter größer als der Detective. „Wenn Sie Fragen haben, stellen Sie sie mir. Sie weiß nichts. Sie war nur zum Essen hier. Eine unbeteiligte Dritte.“

      Jameson kneift bei dieser Einmischung die Augen zusammen. „Wenn das so ist, verstehe ich nicht, warum sie mir das nicht einfach sagt.“

      „Sie ist schon traumatisiert genug, weil irgendein Schwachkopf auf sie geschossen hat, während sie aß“, sagt Giuseppe und zeigt hinter sich auf den umgeworfenen Tisch und das Essen, das auf dem Boden verstreut liegt. „Das Letzte, was sie braucht, ist ein aufdringlicher, nichtsnutziger Detective, der ihr deswegen im Nacken sitzt, als ob sie etwas falsch gemacht hätte.“

      Ich würde weiterhin keinen der beiden Männer als Arschloch bezeichnen, aber ich sehe, woher Naz seine Heftigkeit hat. Whoa. Selbst der Detective stockt einen Moment und denkt über seinen nächsten Zug nach. Bevor Jameson noch etwas sagen kann, ruft ihn jemand draußen vor dem Feinkostladen, und er entschuldigt sich und geht hinaus.

      Giuseppe sieht ihm nach, schüttelt den Kopf und wendet sich dann an mich. „Ist alles in Ordnung?“

      Ich nicke. „Vielen Dank.“

      „Ach, das war doch nichts. Wenn Ignazio auf jemanden sauer wird, weil er gequatscht hat, bin es jetzt ich.“

      Ich stehe wieder auf und bin dankbar, dass meine Beine nicht mehr zittern. „Ich weiß nicht, warum dieser Kerl überhaupt hier ist. Er ist Detective im Morddezernat. Es ist doch niemand gestorben, oder?“

      Oh Gott, es ist niemand tot, oder etwa doch? Den Leuten im Feinkostladen ist dank der Sicherheitsfenster nichts passiert, aber vielleicht ist Passanten draußen etwas geschehen.

      „Nein, es geht allen gut“, sagt Giuseppe und vertreibt damit meine Sorge. „Sie sind vielleicht erschüttert, aber es wurde kein Blut vergossen.“ Er unterbricht sich und sieht sich um. „Zumindest nicht hier drinnen.“

      „Warum ist der Detective dann da?“

      „Was glaubst du wohl?“ Giuseppe sieht mich an und hebt die Brauen. Seine Stimme klingt ungläubig, also sollte ich die Antwort auf diese Frage kennen. Und so ist es auch. In der Sekunde, in der sich unsere Blicke treffen, macht es Klick. Er ist wegen Naz hier. Deswegen ist er an jeglichem Ort. Es ist ihm egal, ob es in seinen Zuständigkeitsbereich fällt oder nicht. Der Mann befindet sich auf einem persönlichen Rachefeldzug gegen Naz.

      „Es ist nicht das erste Mal, dass sie hier rumschnüffeln, und es wird nicht das letzte Mal sein, solange Ignazio frei und unbehelligt herumläuft. Sie stellen mir Fragen, und ich beantworte sie wahrheitsgemäß.“

      „Und was ist die Wahrheit?“

      „Ich habe ihn nicht gesehen und beabsichtige das auch zukünftig nicht.“

      Plötzlich kommt mir etwas in den Sinn, was ich vorher nie in Erwägung gezogen habe. Giuseppe hält sich beständig von seinem Sohn fern und Naz glaubt, dass es daran liegt, dass der Mann ihn abgrundtief hasst. Ganz sicher gefällt ihm nicht, in was Naz verwickelt ist, aber vielleicht, wirklich nur vielleicht, hält ein Teil von Giuseppe Naz von sich fern, damit er sich auf Unwissenheit berufen kann. Damit er nicht dafür eingesetzt werden kann, seinen Sohn in irgendeiner Form zu verletzen. Glaubhafte Bestreitbarkeit.

      Auf eine gewisse Art ist das selbstlos, denn er opfert jegliche Beziehung zu seinem Sohn, damit dieser sicher ist. Und auch wenn ich Giuseppe nicht so gut kenne, wie ich es gerne hätte, scheint mir das etwas zu sein, was er tun würde.

      „Du solltest hier verschwinden“, sagt Giuseppe, ohne mich anzusehen. Sein Blick ist durch die zerbrochene Scheibe seines Ladens nach draußen gerichtet. „Geh durch die Küche zur Hintertür raus, damit sie nicht versuchen, dich aufzuhalten.“

      Ich zögere, doch etwas an seinem Ton hält mich davon ab zu widersprechen. Ich glaube nicht, dass Giuseppe in solchen Situationen eher zum Diskutieren bereit ist als Naz. Die Polizisten sind so damit beschäftigt, entlang der Straße Beweismittel zu sammeln, dass sie sich nicht die Mühe machen, den Hintereingang des Feinkostladens zu überwachen. Ich schlüpfe unentdeckt in die Gasse und halte mir die immer noch schmerzende Brust, während ich schnell an den mit Graffiti beschmierten Müllcontainern vorbeilaufe, weg vom Tatort.

      An der nächsten Straßenecke steht ein Taxi. Ich winke dem Fahrer und bin froh, dass mir niemand anders zuvorkommt.

      „Nach Brooklyn, bitte“, sage ich dem Fahrer und rassle mit angespannter Stimme unsere Adresse herunter. Ich mache es mir bequem, lege den Sicherheitsgurt an und halte den Kopf gesenkt, denn ich habe Angst davor, nach draußen zu blicken, weil es sich fast anfühlt, als würde ich vor der Polizei flüchten. Bitte verfolgt mich nicht. Der Fahrer ist jung, vielleicht Mitte zwanzig. Er lächelt mich im Rückspiegel mit aufblitzenden Zähnen an, als er sich in den Verkehr einfädelt.

      Wenn Naz mir eins in unserer gemeinsamen Zeit beigebracht hat, dann auf meine Umgebung zu achten, zu beobachten und zu lernen. Man schnappt mehr auf, als man bewusst lernt. Das hat er mir einige Male gesagt. Mein Blick wandert instinktiv zu dem Führerschein des Fahrers, der an das Armaturenbrett geheftet ist. Abele Abate. Ein unglückseliger Name.

      Naz gefällt es nicht, wenn ich Taxi fahre. Er traut anderen nicht zu, dass sie Schaden von mir abhalten. Aber in dieser Situation bin ich der Meinung, dass er nicht das Recht hat, sich zu beklagen.

      Während der Fahrt gehen meine Gedanken auf Wanderschaft. Ich frage mich, wohin er verschwunden ist und was er gerade macht. Ein Teil von mir hat Angst davor, es zu erfahren.

      Bei dem Verkehr dauert es fast eine Stunde, bis ich zu Hause bin, und die Fahrt kostet sechzig Dollar. Oh Mann. Ich gebe dem Fahrer hundert Dollar und sage ihm, dass der Rest für ihn ist. Das scheint ihn zu überraschen, denn er lächelt mich noch mal an und dankt mir leise. Er hat während der ganzen Fahrt nicht versucht, mit mir zu sprechen. Das weiß ich zu würdigen.

      Das Haus ist so still, dass es fast unheimlich ist. Mir gefällt es nicht mehr sonderlich, hier zu sein, besonders nicht allein. In dem Haus werde ich von Erinnerungen verfolgt, von denen einige nicht gut sind … Erinnerungen daran, wie wir uns gestritten haben, wie ich Betäubungsmittel in Naz‘ Essen gemischt habe … Erinnerungen an die Zeit, als er es in Erwägung zog, mir das Leben zu nehmen und ich erkannte, dass ein Monster in ihm schlummert. Wir beide wären in verschiedenen Nächten beinahe im Eingangsbereich gestorben, und obwohl alles vor langer Zeit gereinigt wurde, meine ich manchmal noch Blutspuren zu sehen.

      Wir reden über einen Umzug … wir reden ständig darüber … aber aus irgendeinem Grund haben wir den Absprung noch nicht geschafft. Wir sind zu sehr im Alltagsleben gefangen, um eine Entscheidung zu treffen. Zu sehr damit beschäftigt, uns an neue Realitäten zu gewöhnen. Er ist so offen, wie es jemand wie er nur sein kann. Ich bin jetzt seine Frau.

      Verrückt.

      Ich schließe die Haustür auf, gehe hinein und schließe hinter mir wieder ab. Killer, mein Hund, schläft im Wohnzimmer. Als ich hereinkomme, sieht er erschrocken hoch und kommt dann schwanzwedelnd auf mich zu und will spielen. Ich kraule ihm den Kopf, kratze ihn hinter den Ohren, bin aber zu erschöpft, um heute noch mehr zu machen.

      Seufzend streife ich die Schuhe von den Füßen und gehe mit dem Hund auf den Fersen Richtung Arbeitszimmer. Vielleicht mache ich ein Schläfchen auf der Couch, wenn ich es schaffe, abzuschalten und einzuschlafen. Gott weiß,


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