Opfer ohne Gewissen. Lasse Blom
alle verachten mich nach wenigen Sekunden. Sie haben es auch getan, Herr Munk.“
„Sie haben recht“, sagte Munk etwas verlegen. „Und was machen Sie mit dieser Erkenntnis?“
Eva Jönsson schwieg einen Moment. Sie schien nach Worten zu suchen.
„Ist es so etwas wie ein Hobby?“, fragte Munk. „Trampel spielen. Andere spielen Schach. Wenn Sie Schach spielen würden, wären die Bauern Ihre Lieblingsfiguren, oder?“
Er lachte. Munk war nicht mehr verlegen. Er wollte sich jetzt messen. Es forderte ihn heraus, wenn ein anderer oder eine andere mit Humor oder Ironie spielten.
Eva Jönsson zögerte kurz, dann lachte sie auch.
„Ihr Witz war mittelgut“, sagte sie schließlich. „Aber jetzt mal ernsthaft. Es gibt nur einen Grund für meinen Auftritt bei Ihrer Begrüßung: Ich wollte Sie dafür sensibilisieren, dass man Menschen nicht mit Vorurteilen begegnen sollte. Halt – bevor Sie die Augen verdrehen, weil Sie es als Plattitüde betrachten! Es geht hier um Vorurteile gegenüber den Sami. Manche Schweden halten die Sami für rückständig, beschränkt, dumm. Zumindest im Unterbewusstsein. Machen Sie diesen Fehler nicht! Sie werden hier gar nichts erfahren, wenn die Sami spüren, dass Sie sie für minderwertig halten. Begegnen Sie ihnen unbedingt auf Augenhöhe, selbst wenn Sie ihre Tracht, ihr Aussehen, ihr Leben für eigenartig halten. Sami sind stolz.“
Eva Jönsson machte eine Pause.
„Und jetzt kommen Sie mit in die Küche“, sagte sie schließlich. „Es gibt Blaubeerkuchen.“
In der Küche saß ein älterer Herr mit grauem Bart. Herr Jönsson las Zeitung. Als die beiden Polizisten den Raum betraten, stand er auf und gab ihnen die Hand. Er schien keinen Trampel zu spielen.
„Mein Mann kann Ihnen die Geschichte des Sami-Marktes erzählen“, sagte Eva Jönsson, die zum Herd ging, um Wasser für den Tee aufzusetzen.
„Sie trinken doch Tee zum Blaubeerkuchen?“, fragte sie.
„Sehr gerne“, sagte Munk.
Leila nickte.
„Ich habe den Blaubeerkuchen gemacht“, sagte Herr Jönsson. „Es ist der erste, den ich in meinem Leben gebacken habe.“
„Ich stelle mich gerne als Vorkoster zur Verfügung“, sagte Munk, der einen Mordshunger hatte, und griff nach dem Kuchenmesser, um sich ein Stück abzuschneiden. Er hielt in der Bewegung inne, weil ihm Leila gegen das Schienbein getreten hatte.
„Ich meine, selbstverständlich sollten Sie den Kuchen als Erstes probieren, schließlich haben Sie ihn ja auch gemacht“, sagte Munk.
Jönsson schnitt wortlos ein großes Stück ab und legte es Munk auf den Teller. Munk wartete, bis auch Leila, Eva und Herr Jönsson versorgt waren. Dann begann er zu essen und hörte zu, was Herr Jönsson über den Sami-Markt erzählte.
„Der Markt ist schon über 400 Jahre alt“, sagte er. „Früher war dieser Ort ein Winter-Sammelplatz der Ureinwohner Nordeuropas. Später trafen sich die Sami in Jokkmokk, um Gericht abzuhalten, Handel zu treiben und Ehepartner zu finden. 1602 beschloss König Karl IX., im Norden offizielle Marktplätze anzulegen – er brauchte Steuereinnahmen, um seine Kriege zu finanzieren. Zunächst wurde in Jokkmokk eine Kapelle gebaut, dann kamen ein Pfarrhaus, Wohnhäuser und Marktbuden dazu. 1605 wurde der Sami-Markt erstmals abgehalten.“
Jönsson biss in seinen Blaubeerkuchen.
„Schmeckt wunderbar“, sagte Munk, der sein Stück schon gegessen hatte.
„Noch einen?“, fragte Jönsson.
„Warum nicht.“
Munk bediente sich mit einem vorfreudigen Grinsen.
„Der Sami-Markt“, fuhr Jönsson fort, „findet immer in der ersten Februarhälfte statt.“
„Wie viele Leute kommen da?“, fragte Munk. Offenbar wollte er zeigen, dass er hier war, um Fragen zu stellen und zu arbeiten – und nicht nur, um einen neuen Weltrekord im Blaubeerkuchen-Schnellessen aufzustellen.
„40.000“, sagte Jönsson. „Es kommen Händler aus ganz Lappland und manche sogar aus Stockholm.“
„Darf ich fragen, warum zwei Polizisten aus Stockholm zum Sami-Markt nach Lappland kommen?“, fragte Eva Jönsson. Sie hatte vier Tassen Tee auf den Tisch gestellt und sich dazugesetzt.
Leila und Munk sahen sich an.
„Sie dürfen fragen, aber eigentlich dürfen wir nicht antworten“, sagte Munk schließlich.
„Ich kann es mir denken“, sagte Eva Jönsson.
Wieder sahen sich Leila und Munk an. Diesmal waren sie verwundert.
„Es geht um Rune Katt, oder?“, sagte Eva Jönsson, „und um seine ehemalige Freundin, um Sanna Bak?“
„Kennen Sie sie?“, fragte Munk.
„Jokkmokk hat 3000 Einwohner, hier kennt jeder jeden. Und jeder kannte auch Rune Katt. Aber keiner mochte ihn. Er war ein Nationalist, er hat gegen Einwanderer gehetzt – man solle sie einfangen wie Hunde und außer Landes schaffen, sagte er. Und er hat Sanna Bak schlecht behandelt. Alle waren froh, als die Beziehung zu Ende war.“
„Was hat er ihr getan?“, fragte Leila.
Eva Jönsson wandte den Blick ab. Sie sah durchs Fenster hinaus in den Schnee.
„Ich weiß es nur vom Hörensagen“, sagte sie dann. „Fragen Sie sie selbst.“
Munk sah auf die Uhr.
„Wir treffen sie gleich zum Abendessen“, sagte er und stand auf. „Vielen Dank für den Kuchen, wir müssen leider los.“
„Darf ich Ihnen einen Kuchen mitgeben?“, fragte Eva Jönsson.
Leila schüttelte den Kopf.
„Sehr gern“, sagte Munk.
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