Man trifft sich stets zweimal (Teil 1). Mila Roth
eine Anordnung Ihres Chefs, also keine Widerrede. Ich will Sie vor morgen früh nicht wieder hier sehen.«
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Bonn, Kaiserstraße
Institut für Europäische Meinungsforschung
Büro der Chefsekretärin des Abteilungsleiters
Mittwoch, 2. Mai, 8:45 Uhr
»Dieses hier noch und dieses ... und dieses.« Gerlinde Bernstein, die Chefsekretärin und zugleich Ehefrau des Abteilungsleiters, legte vor Janna mehrere Bögen Papier ab, die dicht mit Klauseln und Paragrafen bedruckt waren. Zunächst hatte Janna noch versucht, die Vertragsunterlagen alle durchzulesen, es dann jedoch aufgegeben, weil ihr der Kopf zu schwirren begann.
Sie lachte unterdrückt. »Und ich dachte, die ganzen Unterlagen zum Arbeitsvertrag wären schon kompliziert. Hiermit hatte ich nicht gerechnet.«
»Es ist nicht ganz einfach«, gab Gerlinde Bernstein lächelnd zu. »Schon als ich damals hier anfing, gab es unzählige Verschwiegenheitsklauseln, aber inzwischen ist daraus ein Wust an Bürokratie geworden. Leider dürfen wir Sie nicht davor verschonen. Der Staat sowie das Institut müssen sich absichern, umgekehrt ist es aber ebenso zu Ihrer Sicherheit, wenn Sie sämtliche Dokumente unterzeichnen. Auch aus versicherungsrechtlicher Sicht ist das unerlässlich. Sie werden zukünftig mit einer Menge geheimem Material, geschriebenem, gesprochenem, vertontem oder auf Video aufgezeichnetem, in Berührung kommen. Sobald sie offiziell eingestellt sind, werden Sie darüber hinaus auch noch vereidigt und in nächster Zeit dürfte unsere Abteilung für interne Angelegenheiten Sie einer erneuten Personenuntersuchung unterziehen, bei der ein neues Dossier über Sie, Ihre Familie sowie Ihren Freundes- und Bekanntenkreis angelegt wird.«
»Schon wieder?« Janna unterzeichnete das letzte Dokument. »Wurde nicht erst ein erweitertes Dossier über mich erstellt? Markus hat mal so etwas erwähnt.«
»Dann ist er eine Plaudertasche.« Gerlinde Bernstein lachte. »Aber er hat recht. Nachdem Sie eine Weile für uns tätig waren, wurden sie neuerlich überprüft. Jetzt hat die Interne allerdings den Check anberaumt, dem sich auch alle Agenten jährlich unterziehen müssen. Da wird wirklich tief gegraben, oftmals sogar mehrere Generationen zurück. Aber keine Sorge, nichts davon wird an die Öffentlichkeit gelangen. Eine amtsärztliche Untersuchung wird auch noch anstehen, um Ihre körperliche und auch psychische Fitness zu bestätigen, aber das dürfte für Sie wirklich nur ein Klacks sein. Sie sind jung und gesund, also alles nur Formsache.«
»Darf ich die Ergebnisse dieses Personenchecks denn mal sehen?« Janna schob die mehrseitigen Dokumente von sich. »Ich meine, es ist bestimmt interessant, was da so alles über mich zutage kommt.«
»Was Sie persönlich angeht, so werden Sie sicherlich Zugang erhalten, wenn Sie eine offizielle Anfrage stellen. Aber alle Daten über Ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannten werden aus datenschutzrechtlichen Gründen unter Verschluss gehalten. Lediglich die über Ihre beiden Kinder werden Sie wohl ebenfalls einsehen dürfen, da Sie das Sorgerecht besitzen und die beiden noch lange nicht volljährig sind.«
Verblüfft hob Janna den Kopf. »Meine beiden Kinder werden auch überprüft? Was könnte man denn über Neunjährige in Erfahrung bringen?«
Gerlinde Bernstein lächelte ihr zu. »Nicht viel, davon können Sie ausgehen. Es sei denn, eins der beiden Kinder wäre hochbegabt und auf einer speziellen Förderschule oder anderweitig untergebracht, um bestimmte überdurchschnittliche Fähigkeiten auszubilden.«
Janna runzelte die Stirn. »Die einzige überdurchschnittliche Fähigkeit, die die beiden derzeit besitzen, ist die, sich zu streiten und mir damit auf den Wecker zu fallen.«
»Das ist wohl nichts Ungewöhnliches in dem Alter, oder? Ich habe zwar selbst keine Kinder, durfte aber die meiner Schwester immer zur Genüge miterleben.«
»Nein, vermutlich ist das nicht ungewöhnlich, da haben Sie recht, Frau Bernstein.« Janna lächelte ebenfalls. »Sie arbeiten schon lange für das Institut, nicht wahr?«
»Sagen Sie doch bitte Gerlinde zu mir, wie alle anderen auch. Dann spricht es sich viel leichter.«
»Okay. Dann sagen Sie bitte auch Janna zu mir.«
Die beiden Frauen schüttelten einander die Hand, dann nahm Gerlinde den Faden wieder auf: »Ich bin schon seit über zwanzig Jahren für das Institut tätig. Angefangen habe ich ähnlich wie Sie als zivile Mitarbeiterin, und hineingeraten bin ich auch nur durch Zufall. Ich hatte gerade mein Psychologiestudium abgeschlossen und eine Stellung in der JVA Köln angetreten, als dieser seltsame Straftäter dort eingeliefert wurde.« Sie schmunzelte bei der Erinnerung, woraufhin Janna neugierig die Augenbrauen hob.
»Seltsam?«
»Ja, sehr rau im Umgang mit den Mithäftlingen, aber ansonsten sehr kultiviert und höflich, vor allem mir gegenüber. Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde, dass es sich bei ihm um einen Undercover-Agenten handelte.«
Überrascht hob Janna den Kopf. »Er war ein Agent?«
»O ja.« Gerlinde gluckste. »Und was für ein guter noch dazu. Als er erkannte, dass ich ihn durchschaut hatte, blieb ihm nicht viel anderes übrig, als mich zu rekrutieren. Seitdem arbeiten wir zusammen.«
»Herr Bernstein?« Janna machte große Augen.
»Walter war damals oft auf gefährlichen Missionen im Außendienst. Wir verstanden uns so gut, dass er mich für eine Laufbahn im Institut vorschlug. Ich erhielt eine formelle Ausbildung und durfte danach als seine Partnerin arbeiten. Später, als er den Posten des Abteilungsleiters angeboten bekam, war es für mich selbstverständlich, auch hier an seiner Seite zu bleiben.«
»Sie sind ein gutes Team.«
»Das sind wir.« Gerlinde erhob sich von ihrem Stuhl, ging um den Schreibtisch herum und berührte Janna leicht an der Schulter. »Es freut mich sehr, dass Sie sich entschlossen haben, die Stellung bei uns anzunehmen. Sie sind intelligent und gewitzt, genau, was wir hier brauchen. Vor allen Dingen aber lassen Sie sich von Markus nichts gefallen. Wenn Sie in der Nähe sind, ist er viel umgänglicher. Er war es zu lange gewohnt, nur für sich selbst verantwortlich zu sein. Walter hätte ihm so oder so bald einen Partner zur Seite stellen müssen, denn so sehen es unsere Statuten nun einmal vor. Ich fürchte allerdings, das wäre nicht lange gut gegangen, denn Markus vertraut so leicht niemandem. Sie sind eine der wenigen Ausnahmen, und es wird ihm guttun, Sie regelmäßig um sich zu haben. Sie müssen sich aber im Klaren darüber sein, dass unsere Arbeit, speziell die der Außendienstagenten, alles andere als ein Zuckerschlecken ist.« Sie lehnte sich gegen die Tischkante.
Janna senkte den Blick etwas. »Ich weiß. Mit den Gefahren bin ich ja schon mehr als einmal in Berührung gekommen. Das ist meine größte Sorge ... Wenn mir etwas passiert, oder meine Familie irgendwie in Gefahr geraten würde ...«
»Sie sind in einer ganz anderen Situation als ich damals. Sie haben Kinder, für die Sie verantwortlich sind, und eine große Familie. Ich war immer mehr oder weniger auf mich gestellt. Zu meinen Eltern pflege ich eine eher oberflächliche Beziehung, wissen Sie. Kein Vergleich zu dem sozialen Netz, auf das Sie zurückgreifen können. Die Arbeit für den Geheimdienst birgt diverse Risiken, für Sie ebenso wie für Ihre Angehörigen und Freunde, das ist nicht abzustreiten. Aber Sie besitzen durch Ihre Familie auch Stabilität und emotionalen Halt, der Ihnen helfen wird, so manche Klippe zu umschiffen oder mit schwierigen Situationen fertigzuwerden. Ich hoffe, ehrlich gesagt, dass Markus davon ebenfalls profitieren wird.«
»Er darf aber doch gar keine Bekanntschaft mit meiner Familie machen.«
»Zumindest wäre es zum aktuellen Zeitpunkt ungünstig, da haben Sie recht. Aber ich denke, über den Kontakt mit Ihnen, Janna, profitiert er auch von einem gewissen sozialen Rückhalt, der ihm bisher leider sehr gefehlt hat.« Gerlinde hielt kurz inne. »Wenn man an Geheimagenten denkt, fällt einem meistens als Erstes James Bond ein, der einsame Wolf, der Einzelkämpfer. Das sind wir aber nicht oder sollten es nicht sein. In schwierigen