Weihnachtliches aus der Geschichtenküche. Charlie Hagist

Weihnachtliches aus der Geschichtenküche - Charlie Hagist


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      „Nun“, begann der Weihnachtsmann in ruhigem Ton, „eine von euch darf in diesem Jahr mit mir zu den Kindern gehen, um mit ihnen zu sprechen, ihre Gedichte und Geschichten zu hören und die Geschenke zu verteilen. Ich glaube schon, dass ihr alle drei dazu geeignet seid, aber zwei von euch kann ich leider nicht mitnehmen. Ich werde euch jetzt eine Frage stellen. Wer von euch sie richtig beantworten kann, der kommt in die nächste Auswahlrunde. Einverstanden?“

      Die drei Mädchen waren einverstanden und nickten eifrig.

      „Ihr kennt doch sicherlich alle die Bibelstelle Lukas 2, Absatz 1 bis 17?“

      Das Gesicht eines jungen Mädchens wurde ernst, während bei den beiden anderen Mädchen das Strahlen der Augen weiterhin den Weihnachtsmann begeisterte.

      „Weihnachtsmann, es tut mir leid, ich kenne diese Stelle nicht“, flüsterte das ernste Mädchen.

      „Dann kann ich dich leider nicht zu den Kindern mitnehmen, schade“, sagte der Weihnachtsmann zu ihm. Er drückte ihm zum Abschied die Hand und steckte ihm noch als Dank für seine Bereitschaft, helfend einzuspringen, einen kleinen Glitzerstern zu, dessen Leuchten nie aufhören würde, solange sie lebe, und an seinen Besuch beim Weihnachtsmann erinnern würde.

      Dann wandte er sich wieder den verbliebenen zwei Mädchen zu. Nachdem das erste Mädchen den ersten Teil der Geschichte erzählt hatte, setzte das zweite Mädchen die Geschichte fort. Alles war richtig. Es konnte den Text fast wörtlich, wie er in der Bibel steht, wiedergeben.

      Der Weihnachtsmann lehnte sich zufrieden zurück. Die Beantwortung seiner nächsten Frage sollte die Entscheidung ermöglichen, welches der Mädchen ihn als Engel in diesem Jahr begleiten durfte. Die Frage musste also wohl überlegt sein.

      „Weshalb brauche ich, weshalb brauchen die Menschen überhaupt einen Engel? Weshalb sollte mich eine von euch beiden begleiten?“

      „Ich glaube“, begann das erste Mädchen, „die Kinder wollen einfach einen Engel sehen. Besonders die Mädchen finden es toll, wenn eine Gestalt im weißen, langen Kleid vor ihnen steht. Und außerdem“, jetzt schaute es den Weihnachtsmann ernst an, „haben sie vor dir, lieber Weihnachtsmann, nicht so viel Angst, wenn ein Engel dabei ist. Sie denken, dass ich schon aufpassen werde, dass du nicht zu böse zu ihnen schaust und sie zu mehr Ordnung ermahnst.“

      „Du meinst also, dass ich zu den Kindern manchmal zu streng bin und dass ein Engel härtere Strafen und Anweisungen für das neue Jahr verhindern könnte?“

      „Ja, das ist die Aufgabe eines Engels. So sehe ich das jedenfalls“, antwortete das Mädchen.

      Der Weihnachtsmann sagte dazu nichts. Er wollte erst die Antwort des zweiten Mädchens hören. Er war sehr gespannt, wie es seine Frage beantworten würde.

      „Lieber Weihnachtsmann“, begann das zweite Mädchen, „ja, ein wenig hat sie recht. Die Kinder möchten gerne ein wenig Beistand haben. Sie denken, wenn ein Engel in der Nähe ist, also ganz dicht bei ihnen im Zimmer steht, dann kann es nicht so schlimm werden. Der Engel wird darauf achten, dass der Weihnachtsmann nicht zu hart bestraft. Und dass er schließlich auch den Geschenkesack auspackt. Das ist das eine.

      Das andere ist, dass jeder Mensch, ob Kind oder Erwachsener, ob groß oder klein, jemanden braucht, auf den er vertrauen kann. Alle brauchen jemanden, dem sie ihre Sorgen und Nöte mitteilen können, jemanden, der ihnen zuhört, der für sie da ist. Das sind Kinder, die vor einer Aufgabe im Kindergarten oder später in der Schule ängstlich sind und aus dieser Ängstlichkeit heraus ganz aufgeregt meinen, die gestellte Aufgabe nicht richtig lösen zu können. Da ist dann eine Kindergärtnerin oder in der Schule die Lehrerin oder der Lehrer der Engel, auf den sie vertrauen können, weil sie oder er beruhigend und vertrauensvoll mit dem Kind spricht und die Angst nimmt und Mut zur Antwort macht.

      Oder nimm einen Kranken, der im Bett liegt und starke Schmerzen hat. Wenn derjenige dann eine Schwester oder einen Arzt hat, die oder der zuhört und sich Zeit für ihn nimmt, dann empfindet es der Kranke als hilfreich, als wohltuend, als beruhigend. Da wird die Schwester oder der Arzt zum Engel.

      Oder, lieber Weihnachtsmann, nimm irgendwelche Situationen, in denen du selbst nicht weiterwusstest, aber als dir dann der sogenannte rettende Einfall oder die rettende Person zur Lösung des Problems kam, hast du gesagt: Dich schickt der Himmel. Du bist mein rettender Engel. Stimmt’s?“

      Der Weihnachtsmann war zunächst sprachlos. Das junge Mädchen hatte die Aufgabe eines Engels richtig erkannt und mit guten Beispielen deutlich gemacht. „Das war gut, sehr gut. Du hast mit deinen wenigen Sätzen genau richtig gesagt, warum Engel so wichtig sind. Du hast recht mit deiner Feststellung, dass jeder Mensch jemanden braucht, auf den er sich jeder Zeit verlassen kann, jemanden, der jeder Zeit, wenn man ihn braucht, hilfreich zur Seite steht. Und weil die Kinder auf diesen hilfreichen Freund auch an Heiligabend vertrauen und an ihrer Seite Unterstützung haben wollen, deshalb ist es so wichtig, dass mich ein Engel gerade an diesem Abend begleitet. Und wenn, wie in diesem Jahr, die Engel streiken, dann, ja dann muss mich ein Ersatzengel begleiten. Und dieser Ersatzengel bist du. Ich freue mich, dass du mich begleiten wirst.“

      Der Weihnachtsmann verabschiedete noch das andere junge Mädchen und übergab auch ihm einen kleinen Glitzerstern als Andenken an seinen Besuch bei ihm.

      Dann ließ er das dritte junge Mädchen in ein weißes Gewand mit einem weißen Mantel einkleiden, holte noch ein wenig Goldstaub, den er über ihr blondes Haar rieseln ließ, und zeigte ihr auf einer großen Landkarte, wohin sie heute reisen würden.

      Nachdem er seinen Mantel zugeknöpft und die Kapuze übergestülpt hatte, griff er nach dem ersten Weihnachtssack und stapfte zu seinem Weihnachtsschlitten. Die Weihnachtswichtel hatten diesen inzwischen mit vielen, vielen prall gefüllten Geschenkesäcken beladen.

      Der Weihnachtsmann rief ein schallendes „Ho, ho, ho“ und die Rentiere zogen den Weihnachtsschlitten an.

      Weihnachtsmann und Weihnachtsengel sind auf dem Weg zu den Menschen. Bald werden sie auch bei euch sein.

      Anmerkung:

      Bei der abgefragten Bibelstelle Lukas 2, Absatz 1-17 handelt es sich um die Schilderung der Geburt Jesu. Dieser Teil ist allgemein auch als Weihnachtsgeschichte bekannt.

      *

      Hatschiii!

      Also, wie es einem ergeht, der so einen richtigen Schnupfen hat, das wisst ihr bestimmt. Aber wenn ein Weihnachtsmann am 24. Dezember Schnupfen hat, dann ist das für einen Weihnachtsmann doppelt schlimm.

      Im Gegensatz zu unserer Gegend, in der man im Dezember in manchen Jahren kurze Hosen oder Röcke anziehen könnte, herrscht zur Winterzeit in der Heimat des Weihnachtsmannes strenger Frost. Dicke Schneeflocken fallen dort vom Himmel. Der Weihnachtsmann zieht sich dann seinen dicken roten Mantel an, zieht sich seine Kapuze über den Kopf, legt sich den weißen Schal um den Hals und stapft in seinen schwarzen Stiefeln zu den Engeln, um die Geschenke einzusacken.

      Ich erinnere mich noch an den 20. Dezember. An diesem Tag wollte er von den Engelchen Claudia und Cornelia eine große Kiste abholen. Aber die war so groß und so schwer, dass er seinen Mantel ablegen musste. Er wollte sich beim Anheben nicht die Ärmel ausreißen. Und da es bitterkalt war, muss er sich in diesen wenigen Augenblicken erkältet haben. Kopfschmerzen, Heiserkeit und eine niesende und laufende Nase war die Folge. Er hoffte, dass er mit einem Dampfbad, Medikamenten, Apfelsinensaft und heißer Zitrone die Erkältung schnell zum Verschwinden bringen konnte. Jedoch braucht eine Erkältung auch beim Weihnachtsmann genau so lange wie bei dir oder bei mir.

      An Heiligabend ging es ihm nicht gut. Aber er wollte die Kinder nicht enttäuschen. Und so machte er sich mit seinem Schlitten auf den Weg. Auf eine für ihn dieses Mal beschwerliche Fahrt zu den Menschen. Immer wieder musste er zum Taschentuch greifen, um seine laufende Nase zu Schnäuzen.

      Er hatte fast alle Geschenke verteilt, als er den Karton mit dem Anhängekärtchen Für den kleinen Thomas in den Händen hielt.


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