Weihnachtliches aus der Geschichtenküche. Charlie Hagist
sich wollten der Weihnachtsmann und seine Helfer für jedes Geschenk, das mehr als ein Mal gewünscht wurde, ein Zettel-Häufchen bilden, also je eins für Spielzeug, Wolle, Einrichtungsgegenstände, Bücher, Schallplatten usw. Aber ihr glaubt ja nicht, auf welch ausgefallene und riesige Wünsche Große und Kleine kamen. Er merkte bald, dass es mit der seit 50 Jahren geübten Praxis nun endgültig sein Ende haben musste. Immer neue Ideen hatte er, wie er Herr der ganzen Zettel werden könne, aber es half alles nichts. Er konnte einfach kein System der Ordnung finden. Da fiel ihm ein, dass in der Bergengasse 10 ein Mann wohnte, der wohl mal was mit Rechnern zu tun gehabt hatte. Das schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, die Sache mit den Geschenken in den Griff zu bekommen.
Er ließ kurzerhand zwei Rentiere vor seinen Schlitten spannen, legte sich seine wollene Decke über die Knie, schwang die Peitsche, und ab ging’s. Nach etwa einer Stunde Fahrt hielt er vor der Nummer 10 in der Bergengasse. Seine Wangen waren ebenso krebsrot wie seine Nase. Väterchen Frost hatte ihm ganz schön zugesetzt. Den Rentieren stellte er zwei Eimer Futter hin. Als Leckerbissen hatte er dem Hafer eine kleine Rentierdelikatesse beigemengt.
Auf das stürmische Klingeln des Weihnachtsmannes öffnete Frau Krehling die Tür. Sie bat ihn in die gute Stube und rief ihren Mann, der gerade dabei war, einen Kessel Wasser aufzusetzen.
„Mensch Weihnachtsmann, ist das eine Freude! Du in unserem Haus! Das ist ja nett, komm, setz dich!“
Der Weihnachtsmann nahm Platz und rieb sich seine kalten, klammen Hände. Gefragt, warum er komme, berichtet der Weihnachtsmann, dass er unbedingt Hilfe brauche.
„Du hast doch irgendwas mit großen Rechnern zu tun. Schreib mir bitte ein Programm und lass es in deinem Betrieb laufen. Ich brauche eine Liste, auf der vermerkt ist, wer sich wo was wünscht und wo ich diese Wünsche in Auftrag geben kann.“
„Nichts leichter als das“, sagte Herr Krehling. „Lass nur alles hier, ich mach das schon. Ich melde mich, wenn ich alles fertig habe. Wir werden schnell zusammen die Liste durchgehen. Doch zuvor trinkst du mit uns zusammen einen Grog, das wärmt dich auf. Das Wasser ist gleich heiß und die Rumflasche steht auch schon auf dem Tisch.“
Der Weihnachtsmann war einverstanden.
Doch leider blieb es nicht bei einem Gläschen. Es wurden immer mehr. So langsam verloren alle drei den Ordnungssinn. Und da muss es dann passiert sein: Bei der Vorbereitung der Unterlagen müssen sie etwas vertauscht haben. Sie haben die Namensliste mit Nummern versehen, und zwar von Seite 1 Nr. 1 bis Seite 12 Nr. 4. Die Wunschliste haben sie allerdings von der letzten zur ersten Seite nummeriert, also genau entgegengesetzt.
In ihrer beschwingten Fröhlichkeit merkten sie es gar nicht. Der Weihnachtsmann taumelte zu seinem Schlitten und hätten die Rentiere nicht allein gewusst, wohin sie fahren sollen, er wäre vielleicht heut noch unterwegs. Er schlief nämlich mit glühendem Kopf auf seinem Schlitten ein.
Herr Krehling erstellte ein Programm, erstellte eine Liste und bestellte die Geschenke. Als alles beisammen war, schickte er Liste und Geschenke dem Weihnachtsmann und den Engelchen. Sie packten alles hübsch ein und hängten kleine Namensschildchen daran. Keinem fiel etwas auf.
Der 24. Dezember begann mit viel Schnee, wie bestellt. Die Engelchen zogen sich hübsch an, der Weihnachtsmann schlüpfte in seinen dicken roten Mantel und trank, weil es ihm bei Herrn Krehling so gut geschmeckt hatte, noch schnell einen Grog. Er hoffte, er friere dann nicht so schnell. Die Säcke wurden in den Schlitten geladen, die Rentiere eingespannt, und ab ging die Post, oder besser gesagt, ab fuhr der Weihnachtsmann.
Er hielt zuerst bei Klaus Ratmann, einem sechsjährigen Jungen, in der Karlsstraße. Dreimal klopfte der Weihnachtsmann an die Tür, wurde eingelassen und sah in das doch etwas ängstliche Gesicht von Klaus. Nachdem Klaus sich beruhigt hatte, sagte er ein Gedicht auf und erhielt ein Paket, das ziemlich groß war.
Dann verteilte der Weihnachtsmann noch Pfefferkuchen, Nüsse und Obst, verabschiedete sich und machte sich auf die Socken bzw. auf den Schlitten.
Klaus öffnete den Kasten und bekam große Augen. Schaut doch da aus der Schachtel eine etwa 30 cm große Puppe. Sie kann zwar Kullertränchen laufen lassen und sogar trinken, aber gewünscht, gewünscht hatte er sich einen Fußball und Torwarthandschuhe.
Die Eltern schauten sich erstaunt an. Sie hatten doch extra mit dem Weihnachtsmann gesprochen, damit auch nichts schief gehe.
Und nun das! Die Eltern waren ebenso enttäuscht wie Klaus.
Anders erging es den vielen anderen Kindern und Eltern auch nicht. Überall lieferte der Weihnachtsmann falsche Päckchen ab. Manchmal gab es heitere Gesichter, etwa, wenn Oma Martens zum Beispiel Hosenträger bekam und Opa dafür eine Kittelschürze. Meistens aber war die Enttäuschung groß.
Ja ja, wenn der Weihnachtsmann die Technik zu Hilfe nimmt!
Allen aber, die in diesem Jahr enttäuscht werden, lässt der Weihnachtsmann ausrichten, dass es ja genau in einem Jahr wieder Weihnachten gibt, und dass er bis dahin bestimmt eine bessere Lösung gefunden haben wird. So etwas soll gewiss nicht noch einmal vorkommen. Und noch etwas lässt der Weihnachtsmann ausrichten: Diejenigen, die gerne tauschen wollen, sollen sich am ersten Feiertag um 11 Uhr auf dem Marktplatz einfinden. Der Weihnachtsmann wird auch da sein. Er wird dann eine große Umtauschaktion leiten. Und er hat versprochen, vorher keinen Grog zu trinken, auch wenn es noch so kalt wird!
*
Die Kirchturmuhr
Der Weihnachtsmann hat in diesem Jahr wieder alle Hände voll zu tun. Er hat den Eindruck, als wünschten sich die Kinder in jedem Jahr immer mehr Geschenke oder es werden immer mehr Kinder. An irgendetwas muss es doch liegen, dachte er, dass von Jahr zu Jahr die Menge an Geschenken, die er zu transportieren hat, steigt. Seine Helferinnen stellten alle Geschenke, die bei der folgenden Tour an die Kinder zu verteilen waren, in eine Reihe. Der Weihnachtsmann nahm seine Liste mit den Wünschen und Anschriften der Kinder und verglich vorsichtshalber nochmals die Adressen der Kinder auf den Wunschzetteln mit den auf den Päckchen vermerkten Anschriften. Alles stimmte überein.
Jetzt packte er Päckchen für Päckchen sorgfältig in seinen großen Sack und lud den Sack auf seinen Weihnachtsschlitten. Das war für ihn eine anstrengende Sache. Gott sei Dank hatte er mit dieser Arbeit rechtzeitig angefangen.
„Weihnachtsmann“, sagte ihm eine Helferin, „du hast noch ein wenig Zeit. Die Kinder werden jetzt noch einen kleinen Mittagsschlaf machen, damit sie heute Nachmittag und heute Abend nicht zu müde sind, denn sie hatten ja vor Aufregung heute Morgen nicht besonders lange geschlafen. Lege dich doch auch noch ein wenig hin und ruhe dich aus. Ich wecke dich dann rechtzeitig.“
„Das ist ein guter Vorschlag“, erwiderte der Weihnachtsmann, „nur ein wenig Dösen, ich will ja gar nicht schlafen, nur Ausruhen.“
Die Rentiere scharrten schon mit den Hufen im Schnee und zeigten dem Weihnachtsmann damit an, dass es nun aber Zeit wäre, abzufahren. Der Weihnachtsmann rief den Tieren zu, dass er nur noch schnell seine Handschuhe von drinnen holen müsse und dass es dann sofort losgehe. Er lief schnell ins Haus, griff seine fellbesetzten Handschuhe und setzte sich dann auf den Schlitten. Eine Helferin nannte ihm auch noch die Zeit, es war genau fünf Uhr. Nach einem kurzen Peitschenknall liefen die Rentiere los, der Weihnachtsmann rief den Helferinnen noch ein donnerndes „Danke schön“ und „Hohohooo“ zu und bald war er nicht mehr zu sehen.
Nach kurzer Fahrt blickte er auf seinen Zettel, auf dem vermerkt war, welches Kind in welcher Stadt das erste sein würde, das auf dieser Tour besucht und beschenkt werden sollte. Es war Isabel. Isabel wohnte in einer kleinen Stadt, zu der außer einer Kirche, einem Einkaufsladen und drei Häusern nur noch ein Bauernhof gehörte. Und weil in dieser kleinen Stadt, also eigentlich könnte man besser sagen diesem kleinen Dorf, wenig Menschen unterwegs waren, lag auf den Straßen und Gehwegen überall dick der Schnee. Nichts war geräumt. Die Rentiere, die durch das energische Ziehen des Weihnachtsmannes an den Zügeln wussten, dass sie in diesem kleinen Dorf zum Stehen kommen mussten, hatten große