Seewölfe Paket 33. Fred McMason

Seewölfe Paket 33 - Fred McMason


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nicht getan, Miguel Pigatto hörte schlagartig auf, die aus seiner Knubbelnase herauswachsenden schwarzen Haare auszureißen. Drohend zog er die Brauen zusammen.

      „Ich werde dir einheizen, Bursche, dir Feuer unter dem Arsch anzünden, daß du dir wünschen wirst, wirklich in der Hölle zu sein. Ist das klar?“

      Morales nickte schwer.

      „Bist du krank?“ fragte Pigatto lauernd.

      Der Decksmann stieß einige hilfreiche Hände zur Seite und stemmte sich hoch.

      „Es geht schon wieder“, sagte er.

      „Das ist keine Antwort auf meine Frage. Bist du krank, Decksmann Morales?“

      Mario zögerte. Dann schüttelte er stumm den Kopf.

      „Dann verstehe ich nicht, was du auf der Kuhl zu suchen hast. Dein Platz ist in den Großstengewanten.“

      Morales preßte die Lippen zusammen. Eine aschgraue Blässe überzog sein Gesicht, auf der Stirn perlten dicke Schweißtropfen, dennoch ging er schwankend zum Schanzkleid und schwang sich in die Wanten.

      „Ihr anderen steht gefälligst nicht herum wie die Ölgötzen!“ Der Kapitän klatschte auffordernd in die Hände. „Soll ich euch ebenfalls auf den Sprung helfen?“

      … ausnahmsweise keine besonderen Vorkommnisse, schrieb Philip Hasard Killigrew ins Logbuch der Schebecke und beendete damit die Eintragung. Sorgfältig verschloß er das Tintenfaß und verstaute den Federkiel.

      Vorübergehend lehnte er sich zurück, verschränkte die Hände und lauschte den vielfältigen Geräuschen von Deck, die sich mit dem gleichmäßigen Rauschen des Kielwassers vermischten.

      Der Atlantik zeigte sich von seiner ruhigen Seite. Ein handiger Wind ließ die Schatzgaleonen und ihre drei Begleitschiffe mit guter Fahrt nahezu exakt auf Nordkurs segeln. Die Azoren lagen hinter ihnen. Die letzte Positionsbestimmung hatte ergeben, daß der 40. Breitengrad überschritten war. Momentan befand sich der Konvoi ungefähr auf der Höhe von Madrid.

      Hasard warf einen kurzen Blick aus dem geöffneten Fenster seiner Kammer. Die „Nuestra Señora de lagrimas“ lief querab und keine vierhundert Yards entfernt unter vollen Segeln. Ihrer kostbaren Ladung wegen lag sie ebenso wie die anderen neun spanischen Galeonen tief im Wasser. Achteraus folgten die „Patricia“ und die „Fortuna“.

      Ein Lächeln entstand auf den Zügen des Seewolfs. Er dachte daran, welche Gründe umlaufen würden, sobald seine Flotte die Themsemündung erreichte. Angesichts der alles übertreffenden Schätze mußte die königliche Lissy schier aus dem Häuschen geraten. Dagegen verblaßten die „Überraschungen“, die Francis Drake von seinen Reisen mitgebracht hatte.

      Aber bis dahin war noch ein langer und gefahrvoller Weg. Die Begegnung mit der spanischen Kriegskaravelle „El León“ unter Capitán José de Freitas und zuvor der Zwischenfall mit der schwer armierten „Aguila“ hatten gezeigt, daß es trotz aller Vorkehrungen keine absolute Sicherheit gab. Ein winziger Zufall konnte alles in Frage stellen.

      Zumindest war der Schwelbrand auf der „Respeto“ gelöscht. Die Qualmwolke hätte sicher noch weitere ungebetene Gäste angelockt. Daß der Konvoi abseits der üblichen Routen segelte, war also kein Freibrief.

      „Masten an der Kimm!“

      Der Ruf schreckte den Seewolf aus seinen Überlegungen auf. Er griff sich den Kieker und eilte hinaus auf das Oberdeck.

      Dan O’Flynn, der Mann mit den schärfsten Augen der Crew, stand an Steuerbord und blickte starr nach Osten. Die portugiesische Küste lag jedoch viel zu weit entfernt, als daß auch nur ein Hauch von ihr zu ahnen gewesen wäre.

      Dan hörte am Klang der Schritte, daß der Seewolf neben ihn trat. Ohne sein Spektiv abzusetzen, sagte er: „Ein Dreimaster, Sir, eine Karavelle. Sie segelt auf Parallelkurs.“

      „Wie lange schon?“

      „Wenn ich das wüßte …“ Dan O’Flynn seufzte leise.

      Durchs Spektiv zeigte sich die Kimm in leichtem Dunst, die Trennlinie zwischen Ozean und Himmel wirkte milchig verschwommen. Zum Teil vermischten sich das Blaugrau des Atlantiks und das Grau tiefhängender Wolkenbänke.

      Hasard suchte den Horizont ab, ohne fündig zu werden. Erst nach eigner Weile entdeckte er den fahlen Punkt in der endlosen Wasserwüste.

      „Ja, es ist eine Karavelle“, wiederholte Dan O’Flynn.

      Egal ob es sich um Spanier, Portugiesen oder sonstwen handelte, wer immer querab segelte, hatte den Konvoi wohl kaum gesichtet. Trotzdem ließ Hasard Ruder legen und den Galeonen einen entsprechenden Befehl signalisieren. Wenig später liefen alle Schiffe nach Nordnordwest.

      „Die Karavelle fällt ab“, meldete Dan. „Sie wäre um einiges schneller als wir.“

      Er sah die Masten noch als winzige Striche am Horizont, als kein anderer mehr etwas wahrnahm. Danach waren die spanischen Seeleute und die Korsaren wieder allein.

      Die Webeleinen verwandelten sich unter seinen Händen in züngelnde Nattern, die sich hartnäckig seinem Griff zu entwinden trachteten. Der Schweiß brach Morales aus allen Poren. Außerdem wurden die Schmerzen in seinem rechten Oberbauch wieder stärker, als durchbohre jemand mit glühenden Messern die Eingeweide.

      Er biß die Zähne zusammen, damit er nicht laut aufschrie.

      Weiter! drängte alles in ihm. Laß dir die Schwäche nicht anmerken! Hinauf in den Mars und dann in die Stengewanten!

      Er war nicht krank. Das ganz bestimmt nicht. An seinem Zustand war vor allem Kapitän Pigatto schuld, schließlich hatte er zugelassen, daß die Rumvorräte von Bord geschafft worden waren. Seither verschlimmerte sich Marios Befinden mit jedem Tag. Kein Wunder, solange es nur abgestandenes, schales Wasser zu saufen gab. Damit löschte kein Seemann auf Dauer seinen Durst.

      Mario fragte sich jedoch zunehmend häufiger, warum nicht auch die anderen solche Wirkungen zeigten.

      Weiter!

      Der Capitán brachte kein Verständnis für derartige Mangelerscheinungen auf. Er war einer von denen, die Wasser wie Wein soffen und vermutlich wegen der in ihrem Magen nistenden Läuse oft aufgekratzt wirkten. Wie ein Furz, der die Därme blähte, aber den Ausgang nicht fand. Der Vergleich, der sich ihm aufdrängte, erheiterte den Decksmann. Ein gequältes Lachen drang über seine Lippen.

      Er hatte den unteren Rand des Marses fast erreicht, als ihn eine neue Schmerzwelle in die Wanten warf. Im Nu war er klatschnaß geschwitzt.

      Er hörte seltsame, abgehackte, schrille Laute, aber er begriff nicht, daß er selbst sie ausstieß. Ein krampfhaftes Würgen ging von seinem Magen aus und abscheulich bittere Galle stieg in ihm hoch.

      Seine Hände verkrampften sich um die Leinen. Aus eigener Kraft war er weder fähig, die beiden Schritte zu tun, die ihn von der viereckigen Bodenöffnung des Großmarses trennten, noch wieder abzuentern.

      Diesmal verlor er nicht die Besinnung. Scheinbar eine kleine Ewigkeit verging, bis endlich Männer neben ihm waren, um ihm auf die Kuhl zu helfen. Mario Morales zitterte wie Espenlaub.

      „Schafft ihn unter Deck!“ bestimmte Tomas d’Alvarez, der Bootsmann der „Respeto“. „Gebt ihm zu trinken und eine Extraration Pökelfleisch.“

      Morales hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Zapata und der Segelmacher stützten ihn und führten ihn den engen Niedergang hinunter. Bis er in seiner Koje lag, schien das Schiff in einen Orkan geraten zu sein, so sehr drehte sich alles um ihn her.

      „Mir war noch nie so mies.“ Er stammelte kurzatmig. „Das ist wie Sterben …“

      Jorge Zapata musterte ihn halb besorgt, halb ungläubig. Daß ausgerechnet der stämmige Mario so etwas behauptete, wollte ihm nicht in den Sinn.

      Juan Barbara brachte eine Kruke voll Trinkwasser und ein großes Stück Pökelfleisch.

      Morales trank hastig.


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