Seewölfe Paket 33. Fred McMason

Seewölfe Paket 33 - Fred McMason


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er die paar mit ungelenker Handschrift hingekritzelten Zeilen. Um seine Mundwinkel zuckte es verhalten.

      „Wenn das der Capitán sieht, ist ein Donnerwetter besonderer Art fällig“, sagte er.

      „Wieso?“ fragte der Decksmann. „Was ist mit dem Brief?“

      Rufino Vaquero las vor.

      „Freunde auf der ‚Honestidad‘, die ihr meine Nachricht aufgefischt habt“, stand da. „Ich weiß keinen anderen Weg als diesen. Helft uns! Wir sitzen verdammt auf dem trockenen, ohne einen einzigen Tropfen Rum ist das Leben beschissen …“

      „Recht hat er“, murmelte Guillermo mit Inbrunst.

      „Willst du den Rest noch hören?“ fragte Vaquero. „Dann unterbrich mich nicht dauernd.“

      Der Decksmann zog eine beleidigte Miene. Aber er schwieg.

      „Wenn die Nacht am schwärzesten ist, setzen wir zu euch über“, las Vaquero weiter. „Haltet einige Fäßchen und Flaschen Rum zur Übernahme bereit, aber achtet darauf, daß euer Capitán von der Sache keinen Wind kriegt. Pigatto und er sind Busenfreunde. – Mann“, sagte Vaquero, nachdem er geendet hatte, „kapierst du nun, was du beinahe angerichtet hättest? Wegen des Schwelbrands auf der ‚Respeto‘ wurden alle Rumvorräte von Bord geschafft. Die Glut ist inzwischen zwar gelöscht, aber Capitán Pigatto straft seine Leute auf besondere Weise: durch Entzug der Rumration.“

      „Was haben wir damit zu tun?“

      „Irgendwann könnte uns ähnliches widerfahren. Dann wären wir über jeden Freund froh, der uns aus der Patsche hilft.“ Rufino Vaquero schlug die Hand beiseite, die nach dem Papier grapschte, und steckte den Zettel selbst ein.

      „So habe ich die Sache noch gar nicht gesehen“, sagte Guillermo betreten. „Was tun wir?“

      Vaquero seufzte ergeben und verdrehte die Augen.

      „Ist doch klar“, erwiderte er. „Wir erleichtern die Proviantlast.“

      Jorge Zapata hatte es verstanden, sich für die Abendwache von 20.00 Uhr bis Mitternacht einteilen zu lassen.

      Während er auf der Kuhl seinen Dienst versah, gingen Antonio Villasante und Téofilo Linares auf Back und Achterdeck Wache – beide waren Männer, auf die er sich verlassen konnte.

      Antonio war einem guten Schluck ohnehin selten abgeneigt und das schale Wasser lief ihm, wie er sich ausdrückte, zu den Ohren raus. Und Téofilo schuldete Zapata einen Gefallen und mußte schon deshalb stillhalten.

      Das Abendrot wich dem Dunkel der Nacht. Nur wenige Sterne standen am Himmel. Da die See weiterhin ruhig blieb und der Wind nicht weiter auffrischte, konnte Jorge Zapata mit den Bedingungen zufrieden sein.

      Vor Wach antritt hatte er aus seiner langstieligen Tonpfeife einige heimliche Züge genommen. Der Tabaksaft biß auf der Zunge, und der inhalierte Rauch ließ seine Stimme belegt klingen. Doch das fiel niemandem auf.

      Jorge Zapata war dem indianischen Tabak verfallen. Sobald er an einem Tag nicht rauchte, stellte sich prompt eine leichte Benommenheit ein, begleitet von Kopfschmerzen, die sich bis in den Nacken hinzogen. Zapata genoß, die Augenblicke, in denen er den Tabak ansteckte und die kleinen Rauchwölkchen aufstiegen.

      Eines Tages, das hatte er sich längst geschworen, würde er seine in langen Jahren gesparten Reales für den Kauf einer Galeone ausgeben – für den Rest ließen sich bestimmt Geldgeber finden –, und dann würde er Schiffsladungen voll Tabak aus der Neuen Welt nach Spanien bringen. Manchmal träumte er sogar davon, daß alle Spanier mit Pfeifen in den Mundwinkeln herumliefen.

      Ein scharfer Anruf schreckte ihn aus seinen Überlegungen auf. Antonio Villasante schüttelte verweisend den Kopf.

      „Bist du eingeschlafen, Jorge? Wir gehen Runde um Runde, während du bloß am Schanzkleid stehst und ins Wasser stierst.“

      War tatsächlich schon soviel Zeit vergangen? Zapata war sich dessen nicht bewußt. Aber die Dunkelheit ringsum war mittlerweile vollkommen. Téofilo Linares schlug soeben die Schiffsglocke an. Fünf Glasen. Das bedeutete, daß bis Mitternacht nur mehr eineinhalb Stunden fehlten.

      Zapata blickte in die Runde. Voraus segelte die „Reputación“. Der Schein ihrer Hecklaterne riß lediglich den unteren Bereich des Besansegels aus der Finsternis und reichte gerade bis zur Galerie. Die Hecksee ließ nur mehr einen fahlen Widerschein erahnen.

      Der winzige Schimmer noch weiter voraus und leicht nach Backbord versetzt, mußte die „Santos los Reyes Mayos“ sein.

      Die Schebecke war von der Nacht verschluckt worden. Zapata empfand Erleichterung, daß er sie nirgendwo entdeckte. Immerhin hatte das Schiff des Sonderbeauftragten seiner Majestät bei Sonnenuntergang lediglich zwei Kabellängen achterlich gestanden.

      Jorge war sich keineswegs im klaren darüber, was er von diesem Julio de Vilches zu halten hatte, der die Schatzschiffe nach Irland führte, statt in einen sicheren spanischen Hafen. Die Nähe des hochgewachsenen breitschultrigen Mannes mit den eisblauen Augen erfüllte ihn mit einem gewissen Unbehagen.

      Die eigenwillig konstruierte schlanke Galeone „Isabella“ segelte achterlich an Backbord. Von ihr, fand Zapata, drohte keine Gefahr. Und das dritte von Don Julio de Vilches’ Schiffen kreuzte zur Zeit vermutlich am Ende des Konvois.

      Weder Capitán Pigatto noch sein Erster Offizier oder der Bootsmann d’Alvarez hatten sich während der letzten beiden Stunden an Deck blicken lassen. Zweifellos bedeutete dies, daß die Señores in ihren Kojen lagen und schnarchten. Ihr Schlaf mochte jetzt noch besonders tief sein, deshalb hatte Jorge die Zeit vor Mitternacht für sein Vorhaben ausgewählt.

      „Was ist?“ rief Villasante leise von der Back. „Hast du es dir anders überlegt?“

      „Nicht die Spur“, erwiderte Zapata verhalten.

      „Dann ist es gut.“ Der Wachgänger zeigte sich zufrieden. Vermutlich hatte er befürchtet, auf die paar Flaschen Rum verzichten zu müssen, die ihm versprochen waren.

      Endlich erschienen Tito Menéndez, José Canalejas und Alberto Braña auf der Kuhl. Zapata hatte die drei einweihen müssen, da es ihm unmöglich war, allein mit der Jolle zur „Honestidad“ überzusetzen. Die beiden Wachen durfte er aus verständlichen Gründen nicht abziehen, es genügte, wenn er seinen Posten unerlaubt verließ.

      Folglich waren sie sieben Mann, die Bescheid wußten. Jeder weitere hätte das Risiko der Entdeckung unnötig vergrößert, abgesehen davon, daß der Anteil des einzelnen zunehmend geschrumpft wäre. Und wer verzichtete schon gern auf einen guten Schluck! Noch dazu nach Tagen der Abstinenz.

      Die Jolle war zum Abfieren vorbereitet. Zur Ausrüstung gehörten ein kurzer, über den Duchten festgezurrter Mast, der gut eine Mannslänge über den Bug hinausragte, sowie ein einfaches, dunkel gefärbtes Segel. Weder Zapata noch die anderen wollten sich für den Rückweg zur „Respeto“ allein auf die Riemen und die Kraft ihrer Arme verlassen. Mit dem guten Wind im Rücken war die Distanz bedeutend leichter zu überwinden.

      „Fiert ab!“ raunte Jorge Zapata seinen Helfern zu.

      Erstaunlich leise liefen die Taue durch die Taljen, die aus mehrscheibigen Blöcken bestanden. Zapata hatte sich dazu hinreißen lassen, mit Fett dem üblicherweise entstehenden Knarren abzuhelfen, wobei der bewußt die Gefahr in Kauf nahm, daß ein derart schmierig werdendes Tau im ungünstigsten Moment durch die Hände rutschen konnte.

      Der Erfolg gab ihm recht. Selten war eine Jolle so leise ausgeschwenkt und mit Hilfe der Taljen zu Wasser gelassen worden.

      „Gott segne den Schlaf des Capitáns“, murmelte jemand.

      Zapata grinste flüchtig.

      Ein leises Klatschen erklang. Die Jolle lag nun längsseits. Nacheinander und ohne Hast enterten die Männer ab. Jorge ging als letzter. Er benutzte einen mit Werg umwickelten Riemenschaft, um das kleine Boot von der Galeone abzustoßen, dann tauchten sie die Blätter ein und zogen langsam durch.

      Sie


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