Five Nights at Freddy's. Scott Cawthon
als er den letzten Schluck seiner Limo in sich hineinschüttete, vibrierte das Handy in seiner Tasche. Er warf einen Blick auf die SMS seines Vaters: Bin in zwei Minuten vor Jeff’s.
Perfektes Timing. Was für ein gelungener Tag.
Die Tage, die Oswald in der Bücherei und in Jeff’s Pizza verbrachte, wurden mehr und mehr. Die ersten zwei Wochen waren toll gewesen, aber jetzt stand in der Bücherei das nächste Buch in der Reihe, die er gerade las, nicht zur Verfügung, und das Fantasy-Game, das er online spielte, langweilte ihn allmählich. Obwohl es als gratis angekündigt worden war, konnte er auf einmal nicht mehr weiterspielen, ohne etwas zu bezahlen. Er war es allmählich leid, dass es niemanden in seinem Alter gab, mit dem er etwas unternehmen konnte. Die Pizza war er allerdings noch nicht leid, doch er konnte sich langsam vorstellen, dass auch das irgendwann einmal der Fall sein würde.
Heute stand der Familienabend an. Je nach Mutters Arbeitszeiten fand er einmal in der Woche statt. Als es die Fabrik noch gegeben hatte, waren sie am Familienabend in ein Restaurant zum Essen gegangen – Pizza oder Chinesisch oder Mexikanisch. Und danach hatte man irgendetwas unternommen. Sie hatten sich irgendeinen kinderfreundlichen Film im Kino angesehen, und wenn dort nichts lief, waren sie Bowlen gegangen oder auf die Rollschuhbahn, an der sich seine Mutter und sein Vater immer getroffen hatten, als sie noch auf der Highschool waren. Seine Eltern konnten toll Rollschuhlaufen, ganz im Gegensatz zu Oswald, doch sie nahmen ihn in die Mitte, hielten ihn an der Hand und stützten ihn. Beendet wurde der Abend dann normalerweise mit einem Eis in der Innenstadt. Oswald und seine Mutter machten sich immer über seinen Vater lustig, weil es völlig egal war, welche Geschmacksrichtungen die Eisdiele anzubieten hatte, er nahm stets Vanille.
Doch seit die Fabrik geschlossen war, wurden die Familienabende zu Hause verbracht. Seine Mutter machte dann etwas zum Abendessen, das einfach herzustellen, aber möglichst doch ein bisschen besonders war wie Tacos oder Hotdogs. Sie aßen und spielten dann Brettspiele oder sahen sich einen Film an. Natürlich machte auch das Spaß, doch manchmal sagte Oswald, dass er sich die alten Zeiten zurückwünsche, in denen sie im Kino neue Filme gesehen und danach ein Eis gegessen hatten, und sein Vater musste ihn dann daran erinnern, dass es hauptsächlich darauf ankam, gemeinsam Zeit zu verbringen.
Wenn das Wetter schön war, packten sie für den Familienabend ein Picknick aus kaltem Braten und Salaten zusammen, die aus dem Imbiss-Center stammten, und fuhren ins Naturschutzgebiet. Dort aßen sie dann an einem Holztisch und beobachteten die Eichhörnchen und Vögel und Waschbären. Danach wanderten sie noch über einen der ausgeschilderten Wege. Diese Ausflüge waren immer eine schöne Abwechslung, aber Oswald war auch bewusst, warum dies die einzigen Familienabende waren, die außerhalb des Hauses stattfanden: Picknicks kosteten nichts!
An diesem Abend blieben sie zu Hause. Seine Mutter hatte Spaghetti und Knoblauchbrot gemacht. Sie hatten eine Runde Cluedo gespielt, die seine Mutter wie gewöhnlich alle gewonnen hatte, und jetzt fläzten sie sich zusammen im Pyjama auf der Couch, hatten eine große Schüssel Popcorn zwischen sich stehen und sahen sich die Neuverfilmung eines alten Science-Fiction-Films an.
Als der Film vorbei war, meinte sein Vater: „Das war nicht schlecht, aber nicht so gut wie die richtige Version.“
„Was meinst du mit ‚richtiger Version‘?“, wollte Oswald wissen. „Das war die richtige Version.“
„Nicht wirklich“, entgegnete sein Vater. „Ich meine, es hat im gleichen Universum gespielt wie die richtige Version, aber es war irgendwie ein billiger Abklatsch von dem Film, der herausgekommen ist, als ich noch ein Kind war.“
Sein Vater war immer so starrsinnig. Er konnte sich nie etwas ansehen und es einfach nur genießen. „Die besten Filme sind also die, die du als Kind gesehen hast?“, fragte Oswald.
„Nicht immer, aber in diesem Fall schon.“ Oswald merkte, dass sein Vater sich innerlich auf etwas vorbereitete, das er besonders mochte: ein gutes Streitgespräch.
„Aber die Spezialeffekte in der Originalversion sind mies“, wandte Oswald ein. „All diese Puppen und Gummimasken.“
„Mir sind Puppen oder kleine Modelle viel lieber als diese Computertricks“, meinte sein Vater, lehnte sich auf der Couch zurück und legte seine Füße auf den kleinen Tisch. „Die sind immer viel zu perfekt. Da gibt es überhaupt keine Wärme, alles ist so aalglatt. Und außerdem magst du die alten Zendrelix-Filme, und deren Spezialeffekte sind furchtbar.“
„Ja, aber ich sehe sie mir an, um mich darüber lustig zu machen“, entgegnete Oswald, obwohl er Zendrelix ziemlich cool fand.
Seine Mutter kam mit Schüsselchen voller Eiscreme aus der Küche. Natürlich war die nicht so gut wie aus der Eisdiele, aber auch nichts, was man verschmähen sollte. „Okay, wenn ihr beide diese Hardcorefan-Streitereien nicht lasst, suche ich den nächsten Film aus, und das wird dann eine Liebeskomödie.“
Oswald und sein Vater verstummten auf der Stelle.
„So habe ich mir das gedacht“, meinte seine Mutter und verteilte die Schüsseln mit der Eiscreme.
Als Oswald im Bett lag und seine mechanischen Tiere zeichnete, vibrierte auf dem Nachttisch sein Smartphone. Außer seinen Eltern gab es nur einen einzigen Menschen, der ihm je schrieb.
Hey, hatte Ben getippt.
Hey zurück, gab Oswald ein. Wie läuft dein Sommer?
Super. Urlaub in Myrtle Beach. Ist echt cool. Überall Minigolf und Spielhallen.
Neid, tippte Oswald und meinte es auch so. Ein Strand mit Spielhallen und Minigolf klang wirklich super.
Schade, dass du nicht hier bist, schrieb Ben.
Ja, schade.
Wie läuft dein Sommer?
Okay, tippte Oswald. Er war kurz versucht, seinen Sommer besser klingen zu lassen, als er war, aber Ben hatte er noch nie anlügen können. War viel in der Bücherei und hab in Jeff’s Pizza gegessen.
Das ist alles?
Im Vergleich mit einem Familienausflug an den Strand klang es tatsächlich kläglich. Er schrieb: So ziemlich, ja.
Tut mir leid, tippte Ben. Und dann: Der Pizzaladen ist gruselig.
Sie chatteten noch eine Weile, und obgleich Oswald sich freute, von Ben zu hören, stimmte es ihn auch traurig, dass sein Freund so weit weg war und ohne ihn so viel Spaß hatte.
Es war Montagmorgen, und Oswald hatte schlechte Laune. Da halfen nicht einmal Mutters Pfannkuchen. Im Auto drehte sein Vater das Radio zu laut auf. Es war irgendein dämlicher Song über einen Traktor. Oswald stellte ihn leiser.
„Hey, der Fahrer bestimmt die Musik. Das weißt du“, mahnte sein Vater. Dann drehte er den fürchterlichen Song noch lauter als vorher.
„Das ist ganz schlechte Musik“, entgegnete Oswald. „Ich versuche nur, dich vor dir selbst zu schützen.“
„Also ich mag diese Songs aus den Videospielen, die du dir anhörst, auch nicht“, meinte sein Vater. „Aber ich platze trotzdem nicht einfach in dein Zimmer und stell sie aus.“
„Stimmt“, meinte Oswald. „Aber ich zwinge dich auch nicht dazu, sie dir anzuhören.“
Sein Vater drehte das Radio leiser. „Was ist los, mein Sohn? Was nervt dich. Es geht doch nicht nur darum, dass ich Countrymusik mag.“
Oswald hatte eigentlich keine Lust zu reden, aber er musste es wohl tun. Und als er den Mund aufmachte, überraschte es ihn selbst, dass ein ganzer Schwall an Unzufriedenheiten aus ihm herausschoss wie Lava aus einem Vulkan. „Ich bin es leid, dass jeder Tag genau gleich ist. Ben hat gestern mit mir gechattet. Er ist in Myrtle Beach und hat echt viel Spaß. Er wollte wissen, was ich so mache, und ich habe ihm gesagt, dass ich jeden Tag in der Bücherei bin und in Jeff’s Pizza esse, und weißt du, was er zurückgeschrieben hat? ‚Sorry‘ und ‚Der Pizzaladen ist gruselig‘.“
Sein Vater seufzte. „Es tut mir leid, dass wir nicht in Urlaub fahren und einfach Spaß haben können, Oz. Was das Geld angeht, sind die Zeiten im Moment