Dr. Norden Bestseller Box 13 – Arztroman. Patricia Vandenberg
verholfen.«
Lucy Rogners Miene hellte sich auf, als Dr. Norden das Krankenzimmer betrat.
»Sie kommen eigens wegen Achim her?« fragte sie staunend.
»Ich muß mich doch mal überzeugen, ob er auch gut versorgt wird«, antwortete Daniel mit einem Augenzwinkern zu Dr. Reichert.
»Bestens«, erwiderte sie. »Da gibt es nichts zu klagen. Ich darf sogar bei Achim bleiben, solange ich will.«
»Das ist wohl das wenigste, was wir tun können«, meinte Dr. Reichert. »Aber nun dürfen Sie sich auch ruhig mal Ruhepausen gönnen, Frau Rogner. Gehen Sie mal ein bißchen an die frische Luft. Es ist ein schöner Tag.«
Ja, es war ein schöner Tag, ein Herbst, wie schon lange nicht mehr. Die Entschädigung für einen verregneten Sommer. Einen malerischen Anblick bot der Park, der in Sonnenlicht getaucht war, die Vielzahl herbstlicher Farben goldschimmernd leuchten lassend. Kein Herbststurm brauste, der die Blätter weggerissen hätte, die nun dahinwelkten. Mild war die Luft, die Lucy Rogner umfing, als sie an Dr. Nordens Seite hinausging.
»Nun ist das Haus plötzlich nicht mehr wichtig«, sagte sie gedankenverloren. »Ich habe mich so sehr auf Weihnachten gefreut, mich am Ziel aller Wünsche wähnend.«
»Vielleicht wird Achim Weihnachten doch zu Hause sein«, sagte Dr. Norden.
»Tini wird vorher heiraten«, sagte sie. »Sie hätte es so verdient, eine schöne Hochzeit zu feiern. Aber wir wollen zufrieden sein, daß sie in Rainer Bichler einen guten Mann bekommt.«
»Sie wird auch ohne großes Fest glücklich sein«, sagte Dr. Norden.
»Wir hätten nicht gedacht, daß wir sie mal so schnell verlieren würden«, flüsterte Frau Rogner.
»Sie verlieren Tini doch nicht«, warf Daniel tröstend ein.
»Hoffentlich denkt mein Mann auch so«, sagte sie. »Aber für Rainer wird so der Anfang leichter sein, wenn er den Betrieb übernimmt. Die Bichlers haben ja auch ihre Sorgen.«
Dr. Norden wußte das, denn es war noch lange nicht entschieden, ob die Operation Herrn Bichlers Leben für längere Zeit verlängern würde. Gute fünf Jahre mußte man abwarten, ob sich nicht doch Metastasen gebildet hatten. Selbst der beste Arzt konnte keine Prognosen stellen. Den Patienten, die tatsächlich als geheilt gelten konnten, standen andere gegenüber, denen selbst der eigene Lebenswille nicht geholfen hatte.
Aber Achim Rogner war zehn Jahre jung und würde immer daran erinnert werden, daß kindlicher Leichtsinn ihn zu Schaden gebracht hatte. Wie würde er das Leben bewältigen, das noch vor ihm lag? Und würde dies nicht doch auch das Leben seiner Eltern völlig verändern?
Am Ziel ihrer Wünsche hatte sich Lucy Rogner gewähnt, wenn sie ihr eigenes Haus beziehen konnte. Vorher war ihr Leben in ruhigen, geordneten Bahnen verlaufen, und nun, gerade zu diesem Zeitpunkt, wurde sie einer Bewährungsprobe unterzogen. Ob sie die Kraft hatte, diese zu bestehen?
*
Andrea Sommer betrat das Büro ihres Schwagers, und da glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können. Sonja saß am Schreibtisch, vertieft in die Post.
»Sonja!« rief Andrea aus.
Die hob ihren Kopf. »Was verschafft uns die Ehre?« fragte sie mit einem spöttischen Unterton, da sie sofort dachte, daß Andrea mit ihrer Anwesenheit nicht gerechnet hatte. Also hatte sie Bernd sprechen wollen, und Sonja konnte sich auch gleich denken, warum.
»Was machst du hier?« fragte Andrea.
»Ich bin seit heute Schreibkraft meines Mannes«, erwiderte Sonja. »Und was willst du?«
Andrea wurde verlegen, aber sie war zu einer Notlüge nicht bereit. »Ich wollte mit Bernd sprechen«, erwiderte sie.
»Über mich«, sagte Sonja. »Wahrscheinlich darüber, daß der kranken Sonja geholfen werden müsse.«
»Bitte, spotte nicht«, sagte Andrea. »Ich habe mir ernsthafte Sorgen um dich gemacht.«
»Ist ja gut, Andrea«, lenkte Sonja ein. »Du brauchst dir keine Sorgen mehr um mich zu machen. Wir haben andere.«
»Wieso?« fragte Andrea.
»Pietsch ist pleite. Für uns bedeutet das einen Verlust von achtzigtausend Mark. Gestern habe ich dir noch großmütig unsere Hilfe angeboten, damit ist es Essig. Immerhin hat es den Vorteil, daß ich mich nicht mehr so wichtig nehmen und auch dir nicht mehr auf die Nerven fallen werde. Ich hätte schon früher auf den Gedanken kommen können, daß Bernd mich im Geschäft brauchen könnte. Vielleicht hätte er auch auf diesen Gedanken kommen können. Also, ich bin hier und arbeite. Und was hast du mir zu sagen?«
»Eigentlich nichts mehr, außer, daß du vielleicht doch mal zu Dr. Leitner gehen solltest.«
»Zu gegebener Zeit«, erwiderte Sonja. »Jetzt habe ich keine. Es ist unglaublich, was hier alles verschlampt worden ist. Na, die Müller war auch mehr krank als im Büro.« Sie errötete leicht. »Es kann ja sein, daß sie genauso hysterisch war wie ich. Sie hatte auch eine Fehlgeburt. Schau mich nicht so verdattert an.«
»Ich kann es nicht glauben, daß du dich über Nacht so verändert hast.«
»Ich konnte es gestern auch nicht glauben, wie schnell du dich verändert hast.«
»Bitte, sei mir nicht mehr böse, Sonja. Wir haben uns doch nie gestritten.«
»Ich bin nicht mehr böse. Ich war töricht. Du hast mir die Meinung gesagt, Bernd auch. Und nun werden wir beide besser zurechtkommen.« Sie war aufgestanden, ging auf Andrea zu und nahm sie in den Arm. »Wenn dein Baby da ist, bekomme ich sicher auch wieder Mut, es noch einmal zu wagen. Aber erst, wenn dieser ganze Schlamassel hier in Ordnung gebracht ist. Bernd wollte mich wegschicken. Das hätte ich nicht verkraftet.«
»Ist alles in Ordnung?« fragte Andrea. »Können wir euch irgendwie helfen?«
»Nein, wir kommen schon zurecht. Bernd hat ja nicht mal mehr gewußt, wie viele Außenstände er hat. Jetzt ist alles in bester Ordnung. Ich werde nicht mehr nach
dem Nerzmantel schielen, und unseren Wagen werden wir diesmal ein Jahr länger fahren. Meinen Wagen verkaufe ich. Ich brauche ihn nicht mehr. Ich fahre morgens mit Bernd ins Büro und abends zurück.
Heute ist er in Augsburg. Wenn er den Auftrag einbringt, sind wir schon wieder einen Schritt weiter. Sei mir nicht böse, Andrea, aber ich habe noch viel Post zu erledigen.«
So schnell konnte sich alles ändern. Andrea konnte es noch gar nicht glauben. Da wollte sie sich doch erst mal eine Erfrischung gönnen.
*
Sie bummelte den Theatiner-Boulevard hinunter, ohne die verführerischen Schaufensterauslagen zu betrachten. Nur vor dem Pelzgeschäft blieb sie stehen, denn dort stand der Nerzmantel, von dem Sonja ihr vorgeschwärmt und den sie ihr letzte Woche erst gezeigt hatte. Er würde jedenfalls nicht von Sonja getragen werden. Andrea lächelte. Dann betrat sie das Café, und wen sah sie dort sitzen, tête-à-tête mit einem jungen Mann? Monika Pietsch! Nach Pleite sah sie nicht aus in dem schicken rehbraunen Wildlederkostüm.
Andrea schnaufte ein paarmal. Dann ging sie fast demonstrativ auf den Nebentisch zu und setzte sich.
Monika blickte auf, wurde blaß. »Hallo, Monika«, sagte Andrea. »Nett, dich zu sehen.«
»Wie geht es dir?« fragte Monika.
»Blendend.«
»Wir wollten gerade gehen«, sagte Monika, und da stand ihr Begleiter schnell auf. Monika trat näher an Andreas Tisch heran. »Denk nichts Falsches«, flüsterte sie.
»Dir scheint die Pleite jedenfalls nichts auszumachen«, sagte Andrea kühl.
»Ich lasse mich scheiden, falls es sich noch nicht herumgesprochen haben sollte. Bob ist in der Schweiz.«
»Dann grüß ihn mal schön, wenn du ihn triffst, und erinnere ihn daran,