Ein Tag wird kommen. Giulia Caminito
ist ein Ort der Sammlung und des Zwiegesprächs mit dem Herrn, man muss bereit sein, alles, was uns von Ihm entfernen könnte, aufzugeben und draußen zu lassen. Ich habe die Möglichkeit aufgegeben, den Leuten zu helfen, bei denen ich geboren wurde und die mich geliebt und großgezogen haben, um das Wort Christi zu erkennen, um heute hier zu sein. Bist du bereit, das zu tun?
Ich bin bereit.
Du weißt, dass du geloben musst, Keuschheit, Armut und Stillschweigen zu wahren, dass das Kloster lange darauf gewartet hat, Novizinnen aufnehmen zu können, und dass das eine Sache von großer Bedeutung für unsere Gemeinschaft ist, für dein Dorf, eine Sache, die große Opfer und Verantwortung mit sich bringt. Du weißt, dass das Kloster keine Herberge und keine Pension ist. Wenn man hineingeht, kommt man nicht wieder heraus. Bist du bereit, das zu tun?
Ich bin bereit.
Als ich ins Kloster eintrat, war ich die Jüngste von allen, und viele Jahre lang bin ich das geblieben; bevor ich hier nach Serra kam, war ich ein Kind, und sie waren alt, wir waren nur zu sechst in einem Kloster bei Jesi, und ich musste alles für sie tun, was sie nicht mehr für sich selbst tun konnten, ich habe von frühmorgens bis spätabends gearbeitet, ich habe sie gepflegt, saubergemacht, vielen von ihnen habe ich die Augen geschlossen, bist du bereit, das zu tun?
Ich bin bereit.
Da war eine sehr alte Schwester, sie hieß Caterina, Suor Caterina aus Triest, seit Tagen waren die Zuckungen ihrer Krankheit übergegangen in schreckliche Krämpfe, dämonische Laute kamen aus ihrer Brust, jedes Mal, wenn ich sie mit unserem Essen füttern wollte, spie sie alles auf mein Gewand, ihre Augen wurden gelb, sie sprach mit einer Stimme, die nicht die ihre war, sie nahm meine Hände und wollte mich in ihre Finsternis hinüberziehen. Nie bin ich davongelaufen, jedes Mal habe ich mein Kleid wieder saubergemacht, jeden Tag habe ich ihr Essen gebracht, das ich für sie zubereitet hatte, und habe sie gesegnet. Bist du bereit, das zu tun?
Ich bin bereit.
Welchen Menschen liebst du am meisten, Nella? Suor Claras Augen leuchteten vor Kraft.
Das Mädchen war stumm geblieben.
Es muss jemanden geben, der für dich mehr zählt als alle anderen.
Mein So … Bruder, hatte Nella mit einer Lüge geantwortet und dabei die schwarzen Augen wie Knöpfe auf einem hellen zerknitterten Kleid unverwandt geradeaus gerichtet.
Bist du bereit, ihn zu verlassen und ihn zu vergessen, uns alle zu deinen Schwestern zu machen, das Kloster zu deinem Bruder?
Nella hatte einen Moment lang geschwiegen.
Ich bin bereit, hatte sie schließlich gesagt. Aber ich will im Chor singen, hatte das Mädchen hinzugesetzt.
Was für eine Ausbildung hast du?, hatte Suor Clara sie gefragt und auf das Verzeichnis mit Namen und Nachnamen der Anwärterinnen, ihre Familien und Herkunftsorte geschaut. Da stand: Nella Ceresa, Tochter des Luigi Ceresa, Bäcker in Serra de’ Conti.
Keine, mein Großvater hat mir zu Hause Lesen und Schreiben beigebracht.
Sicher weißt du, dass unsere Chorsängerinnen perfekt Italienisch und Latein können, Partituren lesen und imstande sein müssen, zu singen, hatte Suor Clara erklärt.
Das kann ich lernen, hatte Nella gesagt.
Das glaube ich nicht, liebes Kind, du bist schon zu alt, um Sprachen und die Musik zu erlernen, Lesen und Schreiben reichen nicht aus, um Chorsängerin zu werden, aber ich bin sicher, du wirst eine sehr gute Laienschwester. Jede von uns muss den geeigneten Weg finden, Unserem Herrn zu dienen, und nichts ist erbaulicher, als es mit der eigenen Arbeit zu tun. Du kannst zum Beispiel bei Suor Anna in der Küche sein und ihr am Ofen helfen, und wenn das Jahr des Noviziats vorüber ist, können dir deine Fähigkeiten als Bäckerin gewiss nützlich sein, Brot ist die größte Gabe Gottes.
Ich bin keine Bäckerin, hatte Nella zwischen weißen Zähnen hervorgepresst.
Wer wird sich um deinen Bruder kümmern, wenn du hier bist?, hatte Suor Clara kalt erwidert und ihr Verzeichnis zugeklappt, ohne ein Ja oder Nein für sie.
Gott wird sich um ihn kümmern.
Zehn Jahre waren seit jenem Tag vergangen, und jetzt stand Suor Nella reglos an der Tür, in ihrer quälenden Schönheit betrachtete sie die Füße von Suor Evelina und dachte an die Kordeln, Schnüre und Bänder, die auch sie in ihrer Zelle unter der Matratze verwahrt hatte, oft holte sie eins davon heraus, betrachtete es, stellte sich vor, es werde die Waffe ihres Verbrechens.
In jedem ihrer Albträume waren ihre Schenkel voller Blut, das Kind war im Wald gefressen worden, und ihre Mutter sagte zu ihr: Eines Tages wirst auch du blind.
Ich habe deine Stimme im Garten vernommen und hatte Angst
In seinem Haus am Hügel lag Sante auf der Seite, die Augen geschlossen, sein Schlaf war leicht seit jenem Abend, ruckartig richtete er sich im Bett auf und sagte mit lauter Stimme: Ich habe ihn getötet, den Sohn von.
Sante sah nicht mehr besonders gut, vor allem in die Ferne, die Welt erschien ihm wie in einer tiefen Pfütze gespiegelt, sie schwankte im Wind, verdampfte in der Hitze.
Er war alt geworden unter der Sonne auf den Feldern, noch älter, seit sein Sohn beschlossen hatte, fortzugehen, denn auf dem Land konnte keiner von ihnen gut leben, und er wollte das wirkliche Leben, eines, in dem man ein Schiff besteigt und in See sticht. Und so ließ Sante auf dem recht kleinen Stück Land, das seit vielen Jahren seiner Familie gehörte, ohne wirklich sein Eigentum zu sein, junge Männer, die nicht sein Sohn waren, als Tagelöhner arbeiten, damit sie sich um den Obstgarten kümmerten.
Es waren nicht viele Bäume, und abzüglich dessen, was er dem Padrone schuldete und was verfaulte oder gestohlen wurde, brachten sie immer weniger ein. Doch solange Sante neben dem Vieh und dem Garten seine Äpfel hatte und sie in Kisten auf seinen Karren laden und auf den Markt oder hoch nach Serra bringen konnte, würde er sich seinen Lebensunterhalt verdienen. Sein Sohn schickte Geld und Briefe aus Amerika, die er sich von jemand anderem schreiben ließ, aber nur wenige und in großen Abständen. Er sagte, er wolle heiraten, er hatte ein Mädchen aus North Carolina kennengelernt, sie hieß Kate und hatte veilchenblaue Augen, aber das waren bloß Lügen.
Ich bin ein Mörder, dachte Sante und schob die Hand unters Kissen.
Auf sein Gehör war kein Verlass, und doch schreckte das leiseste Rascheln ihn auf; ob es Geräusche von Lebewesen waren oder nur seine Phantasie, wusste er nicht, jede Stunde stand er auf, weil er meinte, einen Schuss gehört zu haben, aber nie verließ er das Zimmer, um das zu überprüfen.
Als er den ersten Schlag vernahm wie den Stundenschlag der Uhr im Ort, dachte Sante, es sei das Scharren einer der Kühe im Stall. Müde und unfähig zu allem bewegte er weder Muskeln noch Augenlid. Dann wurden die Schläge lauter und rhythmischer, bedrohlicher als die verrinnende Zeit fielen sie in die Stille der Nacht.
Hätte ein anderer Sante da im Bett gelegen, der Sante von früher, der nicht im blendenden Licht des Sonnenuntergangs, das ihn getäuscht hatte, auf den Sohn von geschossen hatte, wäre er vielleicht aufgestanden, hätte das Gewehr genommen und hätte versucht zu schießen.
Doch das tat er nicht, mit aufgerissenen Augen schaute er auf den Wasserkrug auf seinem Nachttischchen und stellte sich vor, er schwankte, stellte sich vor, er fiele herunter und überschwemmte den Boden mit so viel Wasser, dass die Dielen verfaulten, dass es bis ins Erdreich sickerte und diesen Boden segnete, den sie so hartnäckig bearbeiteten, um zu überleben.
Er träumte, er wäre aufgestanden und hätte die Jacke übergezogen, anstelle des Gewehrs hätte er einen Korb Äpfel für diesen Jungen mitgenommen, der einen davon zu stehlen versuchte, und er hätte ihm hundert gegeben, er hätte ihn vom Baum klettern sehen und ihn auf die Stirn geküsst, hätte zu ihm gesagt: Das ist für dich, mein Sohn.
Als der Vater des Jungen zu ihm gekommen war, schon mit den Augen eines Toten und vor dem Mund den