Handbuch ADHS. Группа авторов

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und die Lokalisation durch Quellenberechnung kann wie beim EEG die aktivierten Hirnstrukturen eingrenzen, wie Abb. 6.1 zeigt.

      Die frühe, sensorische ERP-Aktivität zwischen 20 bis 200 ms nach der Reizdarbietung ist stark von physikalischen Aspekten des Reizes wie Lautstärke oder Helligkeit bestimmt. Die spätere, kognitive Aktivität nach etwa 200 ms hängt hingegen weit stärker von der kognitiven Bewertung des Reizes ab. Aufmerksamkeit bewirkt in beiden Zeitbereichen ERP-Unterschiede zwischen beachteten und unbeachteten Reizen. Diese Aufmerksamkeitseffekte modulieren zunächst sensorische ERP-Aktivität und bestimmen dann, welche Aktivität überhaupt weiter auftritt.

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      ERP

      Die »kognitiven« P300-Komponenten (Polich 2007; Sutton et al. 1965) treten nur nach beachteten seltenen und unerwarteten oder für die Aufgabe wichtigen Ereignissen auf. Die klassische, parietal positive P300 nach seltenen Zielreizen tritt etwa in Versuchen zur Daueraufmerksamkeit auf (oddball tests, oder CPT = »Continuous Performance Test«). Die P300 Latenzen betragen 300 ms oder mehr, und zeigen die Dauer bis zur mentalen Klassierung des Ereignisses an. Die Topografie dieser Komponente wird von sensorischen Eigenschaften des auslösenden Reizes wenig beeinflusst, und ihre Stärke entspricht dem Aufwand für Aufmerksamkeit für Gedächtnis- und Entscheidungsprozesse (Polich 2007). Tomografisch finden sich sowohl posteriore als auch frontale Quellen, was mit den entsprechenden Aktivierungen aus gleichzeitigen fMRT Messungen übereinstimmt (Mulert et al. 2004, Baumeister et al. 2014).

      Andere P300-Komponenten dienen als Marker für Exekutivfunktionen wie Orientieren, Antwortkontrolle und Inhibition. Diese Vorgänge lösen unterschiedliche Cue-, Go- und NoGo-P300 mit typischen Topografien und Quellen aus (Fallgatter et al. 1997; van Leeuwen et al. 1998), wobei die posterioren Anteile beim Orientieren (Herrmann und Fallgatter 2004), die frontalen Anteile hingegen bei der Inhibition stärker ausgeprägt sind (Strik et al. 1998). Die Dynamik einer solchen frontal lokalisierten NoGo-P300 ist in Abbildung 6.1 dargestellt.

      Weitere Komponenten treten bei der Verarbeitung von Fehlern auf. Dabei zeigt zunächst die frontozentral negative ERN (Fehlernegativität, Error Related Negativity) die automatische Fehlerverarbeitung an, und anschließend die parietale Pe (Fehlerpositivität oder Error Positivity) deren Evaluation.

      Während der Vorbereitung auf einen Zielreiz entwickelt sich eine langsame fronto-zentral negative CNV-Komponente (»Contingent Negative Variation«), welche Erwartung und kognitive Vorbereitung auf den Zielreiz anzeigt (Walter et al. 1964). Die Verteilung dieser CNV ändert sich in der Entwicklung stark und ist bei Kindern noch mehr parietal als frontal ausgeprägt (Bender et al. 2005).

      Ereignisbezogene EEG Veränderungen

      Die ereignisbezogene Modulation von spontanen Oszillationen (wie etwa die klassische Alpha Blockade beim Augenöffnen) steht konzeptuell zwischen spontanem EEG und ereignisbezogenen Potenzialen. Solch systematische

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      Abb. 6.1: Zeitverlauf, Mapping und Tomografie der NoGo-P300 Aktivität. Die Aktivität (GFP Feldstärke Kurve, oben) erreicht den Gipfel um 380 ms. Die Karten (Mitte) zeigen eine stabile zentrale Positivität und zunehmende präfrontale Negativität während der NoGo-P300 um 330, 380 und 430 ms. Die Quellen (unten, maximale Aktivität, berechnet mit sLORETA, Pascual-Marqui 2002) zeigen nach Aktivierung des anterioren Cingulums (ACC) zunehmende weiter anteriore und inferiore Frontalhirnaktivierung. Gemittelte 48 Kanal ERP-Daten von zwölf jungen Erwachsenen aus Banaschewski und Brandeis 2007.

      Veränderungen werden durch ERPs nicht erfasst, da der Phasenbezug zwischen Ereignis und Oszillation nicht konstant ist. Man unterscheidet ereignisbezogene Synchronisation (ERS, Verstärkung der Oszillationen) und Desynchronisation (ERD, Dämpfung der Oszillationen), und erfasst diese systematischen Veränderungen im EEG mit phasenunabhängigen Massen wie der zeitabhängigen Leistung oder der Wavelet-Amplitude im entsprechenden Frequenzband (Heinrich et al. 2001; Klimesch et al. 1998).

      6.3 EEG-Befunde bei ADHS

      Kinder mit und ohne ADHS unterscheiden sich von gesunden gleichaltrigen Kindern in vielen Alltagssituationen, welche entweder längere Ruhe, oder Aufmerksamkeit und Verhaltenskontrolle erfordern. Der Ruhezustand und die entsprechende Anweisung, ruhig dazusitzen, erfordert eine Form von Zustandsregulation und stellt für Kinder mit ADHS oft eine besonders schwierige Aufgabe dar. Dies kann mithilfe des Ruhe-EEGs direkt erfasst werden. Ausgewählte neuere Arbeiten dazu werden in den folgenden Abschnitten besprochen.

      Das EEG von Kindern mit ADHS zeigt in zahlreichen älteren Studien systematische Abweichungen vom entsprechenden EEG gleichaltriger Kontrollgruppen; eine Übersicht dazu findet sich bei Barry et al. (2003a). Im Ruhezustand (sei es mit offenen oder geschlossenen Augen) und beim Lösen von Aufgaben wurde eine vorwiegend fronto-zentrale Erhöhung von langsamer Theta-Aktivität, und ein erhöhtes Theta/Beta Verhältnis (TBR) gegenüber Kontrollgruppen berichtet (Barry et al. 2003a; Yordanova et al. 2006), ähnliche Abweichungen fanden sich bei ADHS mit komorbiden Störungen (Clarke et al. 2002c) und bei Mädchen mit ADHS (Clarke et al. 2003). Die Beta-Aktivität war im Durchschnitt meist vermindert; aber bei 20 % der Kinder mit kombiniertem ADHS erhöht (Clarke et al. 2001b); dieser durch das EEG definierte Subtyp mit Beta-Vermehrung könnte mit erhöhter Impulsivität zusammenhängen. Diese EEG-Verlangsamungen durch erhöhte Theta-Aktivität bei ADHS decken sich nur teilweise mit dem Profil eines Entwicklungsrückstands, da jüngere Kinder durchgängig mehr langsame EEG-Anteile, und insbesondere mehr Delta-Aktivität zeigen. Erhöhte Theta-Aktivität wurde auch bei Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS beschrieben (Bresnahan et al. 1999; Bresnahan und Barry 2002; Koehler et al. 2009).

      Allerdings fanden die meisten neueren Studien keine robuste Erhöhung von Theta-Aktivität und TBR bei ADHS mehr (Ogrim et al. 2012; Liechti et al. 2013). Abweichungen fanden sich etwa nur noch beim unaufmerksamen ADHS-Subtyp und nicht mehr im Theta Band (Buyck et al. 2014). Eine neuere Clusteranalyse des Ruhe-EEGs belegt die große Heterogenität der Theta und Beta Abweichungen bei 155 Jungen mit ADHS vom kombinierten Typus (Clarke et al. 2011). Nur drei der fünf Cluster (60 % der Stichprobe) zeigten mehr Theta-Aktivität als die Kontrollgruppe (109 Jungen ohne ADHS), und nur zwei dieser Cluster zeigten auch weniger Beta-Aktivität. Ebenso ergab die bisher größte Studie keine signifikanten TBR-Unterschiede zwischen den über 500 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS im Vergleich zu den über 300 Kontrollen ohne ADHS (Loo et al. 2013). Mehrere der neueren Studien fanden aber trotz fehlenden Abweichungen bei ADHS robuste Entwicklungseffekte für die gleichen EEG-Masse in der gleichen Stichprobe, was die Sensitivität und methodische Qualität dieser Studien unterstreicht (Liechti et al. 2013, Buyck et al. 2014, Poil et al. 2014).

      Entsprechend ergab auch eine Meta-Analyse von Arns et al. (2013), dass die TBR-Effektstärke mit dem Publikationsjahr abnahm. Interessanterweise nahm dabei besonders die TBR bei jugendlichen Kontrollprobanden über die Jahre zu. Die Ursache dafür ist unklar und erfordert weitere Forschung. Die Erklärung der Autoren, dass die zunehmend kürzere Schlafdauer bei Jugendlichen über vermehrte Theta-Aktivität als EEG-Anzeichen von Schläfrigkeit dazu beitragen könnte, lässt offen, weshalb nur die Kontrollgruppen betroffen ist, könnte aber auf eine Auswahl von Kontrollprobanden aus sehr homogenen Umgebungen mit ähnlichen Schlafgewohnheiten in älteren Studien hinweisen. Zunehmend klar wird in neueren Studien auch, dass Theta- und TBR-Abweichungen bei ADHS ausgeprägte Zeiteffekte zeigen. Deutliche Unterschiede treten zum Teil erst auf, wenn Zustandsregulation (»wachbleiben«) durch längere, unterbrochene Ruhe-EEG gefordert wird. Kurze (3 min) wiederholte Ruhe-EEGs zeigten hingegen eine leichte Theta-Erhöhung bei ADHS nur vor, aber nicht mehr nach längerer kognitiver Untersuchung (Kitsune


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